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Veröffentlicht 7. April 2015 von Susanne Dambeck

Klaus Tschira

Die Mitglieder des Kuratoriums und der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen trauern um den sympathischen und bescheidenen Mäzen.

Klaus Tschira 2013 bei seiner Einführung in den Ehrensenat der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Foto: R. Schultes / Lindau Nobel Laureate Meetings.
Klaus Tschira 2013 bei seiner Einführung in den Ehrensenat der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Foto: R. Schultes / Lindau Nobel Laureate Meetings.

Klaus Tschira gestaltete die Wissenschaftslandschaft seiner Wahlheimat Heidelberg wie kaum ein anderer. Hoch über der Stadt thront die Villa Bosch, Hauptsitz seiner Stiftung, ursprünglich erbaut für den Chemienobelpreisträger Carl Bosch. Ziel der Klaus-Tschira-Stiftung ist die Förderung der Naturwissenschaften, der Mathematik und Informatik von Anfang an. Sie unterstützt wissenschaftlichen Fortbildungen für Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen, Kurse für Schüler und prämiert besonders verständliche Dissertation, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Tschira ist einer der Gründer des SAP Konzerns, heute der größte Softwareanbieter Europas, die anderen Gründer sind Hans-Werner Hector, Dietmar Hopp, Hasso Plattner und Claus Wellenreuther. Im Jahr 1972 verließen sie gemeinsam IBM, um eine eigene Firma für Standardsoftware für die Echtzeitverarbeitung aufzubauen. In dieser Zeit war IBM eher daran interessiert, Computer herzustellen und zu verkaufen, als entsprechende Software zu entwickeln. Durch den Firmenerfolg wurden alle fünf Milliardäre. Die anderen vier Gründer leben noch.

Etwas oberhalb der Villa Bosch, hoch auf dem sogenannten Kleinen Odenwald, steht ein weiteres Tschira-Vorzeigeprojekt: das Haus der Astronomie, direkt neben dem Max-Planck-Institut für Astronomie. Es hat den Grundriss einer Sprialgalaxie und die Aufgabe, astronomische Themen für die Öffentlichkeit zugänglicher zu machen, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Als Dankeschön für die langjährige Unterstützung der Astronomie in Deutschland benannten Astronomen im Jahr 2000 sogar einen Asteroiden nach ihm: 13028 Klaustschira.

Tschira interessierte sich schon als Kind sehr für die Sterne, was ihm zeitweilig den Spitznamen „Planetenheini“ eintrug. In Freiburg geboren, studierte er in Karlsruhe Physik und begann nach dem Studium bei IBM zu arbeiten, wo er seine SAP-Mitgründer kennenlernte. Schon 1998 verließ er das operative Geschäft, 2007 gab er auch seinen Vorstandsposten auf. Er gehörte jedoch weiterhin zu den Großaktionären.

Seine Stiftung gründete Klaus Tschira schon 1995, sie wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Erste Veranstaltungen hierzu haben bereits stattgefunden. An der Villa Bosch ist auch das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) angesiedelt, dort befassen sich hochkarätige Forscher mit Fragen der numerischen Auswertung großer Datenmengen, die Themen reichen von der Biologie bis zur Kosmologie.

Am wichtigsten war Tschira stets die verständliche Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse die Wertschätzung für Naturwissenschaft und Technik bezeichnete er als Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstands. Jährlich wird der von ihm gestiftete „Klartext“-Preis für die besten Artikel auf Basis von Dissertationen vergeben, mit einem großen Festakt in der Aula der Heidelberger Universität. Außerdem gründete er das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation NaWik in Karlsruhe, angebunden an das dortige KIT. Hier erhalten Wissenschaftler professionelle Fortbildungen, zum Thema Wissenschaftskommunikation und werden darin geschult, ihre Forschung für die Öffentlichkeit verständlich darzustellen.

Klaus Tschira kam gerne und oft zur Lindauer Nobelpreisträgertagung. Im Jahr 2013 wurde er Mitglied im Ehrensenat der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Bei der Eröffnungszeremonie 2013 stellte er außerdem sein „Heidelberg Laureate Forum“ (HLF) vor, in dessen Rahmen sich Abel-, Fields und Turing-Preisträger mit jungen Mathematikern treffen. Die Veranstaltung wurde von den Lindauer Nobelpreisträgertagungen inspiriert und nach diesem Vorbild in Heidelberg zur Förderung des Austauschs zwischen Preisträgern und Nachwuchsforschern aus der Mathematik und Informatik geschaffen. Im Vorfeld des ersten HLF 2013 kam es zu einem intensiven Austausch von Personal und Know-How zwischen Lindau und Heidelberg, so dass die beiden Tagungen auch über das Engagement Klaus Tschiras hinaus eng verbunden bleiben.

Die Fertigstellung des Mathematicons, ein Gebäudekomplex für die Mathematik und Informatik der Heidelberger Universität, wird er nun nicht mehr erleben. Die feierliche Eröffnung war für seinen 75. Geburtstag am 07. Dezember 2015 geplant. Ein weiteres Projekt, mit dem Tschira in die Zukunft wirkt, ist das geplante Science Media Center SMC, nach britischem Vorbild soll es wissenschaftliche Informationen für Journalisten bereitstellen.

Mit über 200 Millionen Euro hat die Klaus Tschira Stiftung die Wissenschaftsförderung in zwanzig Jahren unterstützt. Gleichzeitig blieb Tschira selbst immer zugänglich und unprätentiös. Er schien „seine“ Veranstaltungen sehr zu genießen, seien es Vorträge, Eröffnungen oder Festakte – aber nicht aus Eitelkeit, sondern weil er es genoss, Dinge anzustoßen und Stellung beziehen zu können. Er war auch gerne zu Scherzen aufgelegt, zum Beispiel sagte er auf der Eröffnungszeremonie 2013, dass er die Lindauer Meetings schätze, auch wegen der guten Wurst und des guten Bieres.

Klaus Tschira unterstütze die Lindauer Nobelpreisträgertagungen über viele Jahre in mannigfaltiger Weise: zu den sichtbarsten und erfolgreichsten der von ihm geförderten Projekte gehörte die Fotoserie „Nobel Portraits“, bei der Fotograf Peter Badge es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, alle Nobelpreisträger im Portrait abzubilden. Die immer intensiven und oft unkonventionellen schwarzweißen Portraitaufnahmen beeinflussten lange Zeit die visuelle Identität der Lindauer Nobelpreisträgertagungen und sind vor Kurzem auch in Buchform, gemeinsam mit Peter Badges spannenden Anekdoten zu seinen Fotoreisen, erschienen.

Weiterhin förderte er ein Ausstellungsprojekt an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Kommunikation: Die „Sketches of Science“ des Münchener Wissenschaftsfotografen Volker Steger, die bereits an 11 Stationen auf 3 Kontinenten zu sehen war.  Bei „Sketches of Science“ werden Nobelpreisträger spontan dazu aufgefordert, ihre Forschung zu Papier zu bringen – mit Wachsmalkreiden! Die oft überraschenden und witzigen Ergebnisse werden ab dem 13. April auf der Hannover Messe gezeigt. Neben den Outreach-Projekten förderte Klaus Tschira auch die einzelnen Tagungen sowie den Umbau der Geschäftsstelle im Jahr 2008.

Mit seiner großzügigen Unterstützung war er stets ein verlässlicher Partner der Lindauer Mission Education – wir alle sind ihm zu großem Dank verpflichtet.

Klaus Tschira starb völlig unerwartet am 31. März 2015. Er hinterlässt seine Frau Gerda und zwei erwachsene Söhne.

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.