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Veröffentlicht 11. März 2015 von Susanne Dambeck

Eismond mit heißen Quellen

Kleine Gesteinskörnchen zeugen von lebensfreundlichen Bedingungen auf dem Saturnmond Enceladus.

Forscher aus dem Team der Cassini-Raumsonde haben winzige Körnchen aus Siliziumoxid in der Nähe des Saturn gefunden, die sie zu seinem Mond Enceladus zurückverfolgen konnten. Aber wie kommen die kleinen Körnchen ins Weltall? Frühere Vorbeiflüge von Cassini an dem Eismond sorgten in den letzten Jahren für spektakuläre Entdeckungen: Geysire schleudern große Mengen Wassereis ins Weltall, und unter dem dicken Eispanzer verbirgt sich ein Salzwassermeer. An den Rissen im Eis, aus denen die Fontänen schießen, messen die Instrumente der Sonde zudem erstaunlich hohe Temperaturen.

Die Geysire von Enceladus, Fotomosaik. Foto: NASA/JPL/SSI; Montage: Emily Lakdawalla
Die Geysire auf Enceladus spucken Wassereis-Partikel ins All. Fotomosaik aus Cassini-Bildern. Foto: NASA/JPL/SSI, Mosaik: Emily Lakdawalla

In der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature ziehen die Forscher den Schluss, dass diese Körnchen, auch Nano-Silika genannt, aus „hydrothermaler Aktivität“ auf dem Meeresgrund stammen. Hierbei handelt es sich um eine Reaktion aus heißem Salzwasser mit einem wahrscheinlich porösen Gesteinskern. Die Wissenschaftler vermuten Temperaturen von mindestens 90 Grad Celsius am Meeresgrund des Mondes, sie könnten jedoch auch deutlich darüber liegen. „Wir haben systematisch nach anderen Erklärungen für diese Nano-Silika gesucht“, erläutert Frank Postberg, Cassini-Forscher der Universität Heidelberg und Co-Autor des aktuellen Artikels. „Aber alle Ergebnisse zeigten in die gleiche eindeutige Richtung“ – nämlich in Richtung heißer Quellen am Meeresboden.

Auf der Erde entstehen Körnchen in passender Größe und Zusammensetzung, wenn heißes, leicht basisches Salzwasser, das stark mit Siliziumdioxid gesättigt ist, plötzlich stark abgekühlt wird. Das würde zu folgendem Szenario auf Enceladus passen: Heißes, gesättigtes Wasser steigt vom Meeresgrund auf und kühlt während des Aufstiegs durch den kalten Ozean und Eismantel schnell ab, bis es schließlich ins Weltall entweicht. Diese Entdeckung versetzt die Forscher in freudige Aufregung, weil der kleine Saturnmond „eine Umwelt für Lebensformen bieten könnte“, wie es in der Pressemitteilung des Jet Propulsion Laboratory heißt. Das JPL in Pasadena, Kalifornien steuert die Cassini-Sonde, die ein Gemeinschaftsprojekt von NASA, ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI ist.

Die sogenannten "Tigerstreifen" auf Enceladus (links und blau), aus denen Geysire Eispartikel ins Weltall schleudern. Foto: Cassini Imaging Team, SSI, JPL, ESA, NASA
Die sogenannten „Tigerstreifen“ auf Enceladus (blau, links im Bild), aus denen Geysire Eispartikel ins Weltall schleudern. Foto: Cassini Imaging Team, SSI, JPL, ESA, NASA

Diesem spektakulären Fund gingen vier Jahre intensiver Forschungsarbeit voraus: umfangreiche Datenanalysen, Computersimulationen sowie Laborexperimente runden das Bild ab, das sich die Forscher vom dunklen Meeresgrund machen. Die Experimente wurden an der Universität Tokyo durchgeführt. Dort wurden die Bedingungen am Meeresboden nachgestellt, von denen man vermutet, dass sie Körnchen in der passenden Größe hervorbringen. Die japanischen Forscher kamen zu dem Schluss, dass auf dem Meeresgrund von Enceladus sehr heißes Wasser auf kaltes Ozeanwasser trifft und dann zügig die fünfzig Kilometer zur Oberfläche zurücklegt – zügig heißt hier innerhalb von Monaten oder Jahren, ansonsten würden die Körnchen zu groß werden.

Doch woher stammt die enorme Hitze so weit draußen im Sonnensystem? Auf der Oberfläche des sonnenfernen Mondes herrschen Temperaturen um die –200 Grad Celsius. Eine Möglichkeit ist die Erwärmung durch Gezeitenverformungen: Der massereiche Planet Saturn „knetet“ mit seiner Schwerkraft seine Monde auf ihren Bahnen förmlich durch. Die Forscher vermuten jedoch, dass es noch weitere Wärmequellen geben muss, beispielsweise exotherme chemische Reaktionen. „Es ist gut vorstellbar, dass sich ein Großteil dieser interessanten Heißwasser-Chemie tief im Gesteinskern des Mondes abspielt“, erklärt Hsiang-Wen Hsu, Astronom an der Universität Colorado und Erstautor des Artikels.

Ganz rechts der kleine helle Eismond Enceladus, im Vordergrund Rhea, der zweitgrößte Saturnmond nach Titan, hinten links Dione. Saturn hat 62 bekannte Monde, von denen nur 13 mehr als 50 km Durchmesser haben (Enceladus: rund 500 km). Foto: Cassini Imaging Team, SSI, JPL, ESA, NASA
Ganz rechts der kleine helle Eismond Enceladus, im Vordergrund Rhea, der zweitgrößte Saturnmond nach Titan, hinten links Dione. Saturn hat 62 bekannte Monde, von denen nur 13 mehr als 50 km Durchmesser aufweisen (Enceladus: rund 500 km). Foto: Cassini Imaging Team, SSI, JPL, ESA, NASA

Wie wurden diese mikroskopisch kleinen Körnchen überhaupt entdeckt? An Bord von Cassini fliegt ein Staubdetektor mit, genannt CDA (Cosmic Dust Analyzer). Dieses Gerät misst die Größe und Geschwindigkeit, die Flugrichtung und die elektrische Ladung, sowie die elementare Zusammensetzung aller Körnchen, die in das Gerät hineinfliegen. Bei dieser Begegnung werden die Teilchen komplett zerschmettert. Verantwortlich für das Gerät zeichnet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, das CDA-Team ist an der Universität Stuttgart angesiedelt.

Das Staubanalysegerät CDA auf der Cassini-Sonde (rot). Copyright: NASA
Das Staubanalysegerät CDA auf der Cassini-Sonde (rot). Copyright: NASA

Spätestens mit diesen Ergebnissen ist Enceladus einer der heißesten Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben. Die Geräte auf Cassini sind jedoch nicht für die Lebenssuche gebaut worden. „Das CDA hat gar nicht die Aufgabe, Leben zu entdecken“, so Postberg. Als die Sonde im Jahr 1997 gestartet wurde, nahm man nicht an, dass es auf Enceladus lebensfreundliche Umweltbedingungen geben könnte – die Geysire und der Tiefenozean sind erst Entdeckungen der Cassinis-Mission.

„Das CDA-Gerät sollte den interstellaren und interplanetaren Staub untersuchen, sowie die Eiskörnchen im Saturnsystem. Alles was hineinfliegt, wird in seine elementaren oder molekularen Bestandteile zerlegt. Im Prinzip könnte man von solchen molekularen Teilchen Rückschlüsse auf Lebensformen ziehen, aber sowohl die Auflösung als auch die Empfindlichkeit des Geräts sind nicht auf Lebensspuren optimiert. Selbst wenn bakterielle Überreste Teil des Staubs wären, könnten wir nicht sagen, ob diese nun von Lebensformen stammen oder nicht“, erklärt der Heidelberger Forscher weiter. Doch die nächste Generation von Staubanalysegeräten wird bereits gebaut, und diese werden für die Suche nach Lebensformen kalibriert sein.

Kalkschlot in "Lost City", einem Hydrothermalfeld im Atlantik. Dieses Feld ist reich an Lebensformen - Bakterien, Achaeen, Schnecken und Muscheln - und hat ähnliche Bedingungen wie der Ozean auf Enceladus (hoher pH-Wert, Temperaturen um 90 Grad Celsius). Foto: National Science Foundation (University of Washington/Woods Hole Oceanographic Institution)
Ein mehr als 9 Meter hoher Kalkschlot in „Lost City“, einem Hydrothermalfeld im Atlantik. Dieses Feld ist reich an Lebensformen – Bakterien, Achaeen, Schnecken und Muscheln – und hat ähnliche Umweltbedingungen, wie sie auf dem Meeresgrund von Enceladus vermutet werden, z.B. einen hohen pH-Wert und Temperaturen um 90 Grad Celsius. Foto: National Science Foundation (University of Washington/Woods Hole Oceanographic Institution)

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.