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Published 9 March 2017 by Susanne Dambeck

Mit Lasern und Starchips zu den Sternen

Die Aufregung im Februar 2017 war groß: Sieben wahrscheinlich erdähnliche Planeten wurden im Umkreis eines einzigen Sterns entdeckt! Und nur 40 Lichtjahre entfernt, praktisch in unserer kosmischen Nachbarschaft! Dieses nahe Planetensystem namens TRAPPIST-1 beflügelt die Fantasie sowohl der Astronomen als auch der Öffentlichkeit. Benannt wurde es nach einem belgischen robotischen Teleskop, das dieses System von Chile aus zuerst entdeckt hatte. Alle sieben Planeten kreisen eng um einen sogenannten Roten Zwergstern. Zumindest auf einigen von ihnen könnte flüssiges Wasser existieren – und damit wäre Leben möglich, wie wir es kennen. Diese Entdeckung sei „ohne Zweifel eine der größten“ in der Planetenkunde, erklärt Didier Queloz, der zu den Entdeckern des allerersten extrasolaren Planeten, kurz Exoplaneten, im Jahr 1995 gehört und Co-Autor der Publikation ist.

Mitte der 1990er Jahre vermuteten viele Experten, sie würden in den Weiten des Alls hauptsächlich Planetensysteme finden, die unserem Sonnensystem ähneln. Inzwischen wissen wir: Da draußen gibt es die ungewöhnlichsten Konstellationen, zum Beispiel terrestrische Planeten, die deutlich größer sind als unsere Erde, sogenannte Supererden, die ihr Gestirn auf engen Bahnen umkreisen können. Auch unser allernächster Sternnachbar Proxima Centauri hat wohl mindestens einen terrestrischen Planeten, der seinen Stern in der sogenannten habitablen Zone umreist, wo also flüssiges Wasser möglich wäre, wie Forscher im August 2016 verkündeten. Proxima Centauri ist 4,24 Lichtjahre von der Erde entfernt und ebenfalls ein roter Zwerg, wie TRAPPIST-1.

Die Frage: „Wie können wir zu diesen fernen Welten fliegen?“, beschäftigt nicht nur seit über hundert Jahren Science-Fiction-Autoren, sondern auch Weltraumforscher. Bei diesem Thema scheinen übrigens die Grenzen zwischen Wissenschaft und Fiktion häufig zu verschwimmen. Das Hauptproblem solcher fernen Sternreisen: Um Entfernungen von etlichen Lichtjahren zu überwinden, sollte ein Raumschiff einen nennenswerten Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreichen, sonst dauert die Reise mehrere Generationen. Mit Astronauten an Bord ist dies zurzeit sowieso nicht machbar, doch auch mit unbemannten Sonden sind Missionen mit über hundert Jahren Dauer schwer vorstellbar: Welche Geräte sollen so lange im Weltall funktionieren? Woher bekommen sie über so viele Jahre ihren Treibstoff und ihre Energie, zumal es zwischen den Sternen kaum Sonnenlicht gibt? Und wer bezahlt das alles?

 

So könnte die Zukunft der Raumfahrt aussehen: Ein Sonnensegel wird in der Plum-Brook-Anlage der NASA in Sandusky, Ohio, entfaltet, rechts unten ist ein Techniker im Bild. Foto: NASA/Marshall Space Flight Center, public domain
So könnte die Zukunft der Raumfahrt aussehen: Ein Sonnensegel wird in der Plum-Brook-Anlage der NASA in Sandusky, Ohio, entfaltet; rechts unten ist ein Techniker im Bild. Jedes der vier Sonnensegel besteht aus einer Kunststoffmembran mit Aluminiumbeschichtung – und passt in einen Reisekoffer. Foto: NASA/Marshall Space Flight Center, 2005, public domain

 

Also werden neuartige Antriebe gesucht, am besten ohne Treibstoffverbrauch. Ein fantastisch klingender, aber ernst zu nehmender Ansatz sind Sonnensegel: Hauchdünne Folien aus reflektierendem Material, die federleichte Messinstrumente allein durch den Strahlungsdruck der Sonne oder mithilfe anderer Lichtquellen zu fernen Welten tragen. Dass elektromagnetische Strahlung, also auch Sonnenlicht, einen Druck auf bestrahlte Oberflächen ausübt, ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Achtung, hier droht ein Missverständnis: Der Strahlungsdruck ist nicht der Sonnenwind, dieser ist ein Strom aus geladenen Teilchen. Sonnensegel werden also nicht durch den Sonnenwind angetrieben.

Nennenswerte praktische Erfahrungen mit Sonnensegeln im Weltall hat vor allem die japanische Weltraumagentur JAXA. Im Jahr 2010 flog deren Sonnensegel-Sonde IKAROS huckepack mit einer Venus-Sonde ins Weltall, entfaltete sich erfolgreich, produzierte Strom in ihren Solarzellen und war in der Lage, die Beschleunigung durch den Strahlungsdruck der Sonne zu messen: Diese ist zwar sehr gering, aber messbar. Die NASA ihrerseits experimentierte mit sehr dünnen Sonnensegeln am Boden, wo deren komplizierter Entfaltungsmechanismus schon mal geübt werden sollte (s. Foto oben).

 

Nobelpreisträger Saul Perlmutter gehört zum Beraterteam von Breakthrough Starshot. Er erhielt den Physiknobelpreis 2011 für die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums, zusammen mit Brian Schmidt und Adam Riess. Hier während seines Vortrags auf dm 65. Lindauer Nobelpreisträgertreffen 2015. Foto: Christian Flemming/LNLM
Nobelpreisträger Saul Perlmutter gehört zum Beraterteam von Breakthrough Starshot. Er erhielt den Physiknobelpreis 2011 für die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums, zusammen mit Brian Schmidt und Adam Riess. Hier zusehen im Jahr 2015 während seines Vortrags auf der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung. Foto: Christian Flemming/LNLM

Im Frühjahr 2016 hat sich nun eine Initiative von Forschern und Unternehmern die Weiterentwicklung der Sonnensegel-Technolgie auf die Fahnen geschrieben, allen voran Stephen Hawking und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, sowie Physiknobelpreisträger Saul Perlmutter als Berater. Angeregt und finanziert wurde das Projekt ‘Breakthrough Starshot’ von dem russisch-amerikanischen Investor Juri Milner, der ein Jahr zuvor die ‘Breakthrough Initiatives’ gegründet hatte: Ein Forschungsprogramm, das sich einerseits auf die Kommunikation mit möglichen Außerirdischen konzentriert, andererseits auf solche Reisen zu fernen Sternen.

Das Teilprojekt ‘Breakthrough Starshot’ verfügt aktuell über 100 Millionen Dollar Startkapital. Die Expertengruppe untersucht den Bau einer Flotte aus extrem leichten Raumschiffen, die zunächst mit konventionellen Raketen in den Erdorbit gebracht werden und dann mithilfe von sehr starken und gebündelten Lasern in Richtung des Alpha-Centauri-Systems beschleunigt werden sollen, wo auch Proxima Centauri seine Bahnen zieht. Angedacht ist eine Reisegeschwindigkeit von maximal 20 Prozent Lichtgeschwindigkeit: Die Forscher wären somit in ungefähr zwanzig Jahren am Ziel, die Ergebnisse der Mission kämen frühestens vier Jahre später auf der Erde an.

„Da wir nicht mit einem einzelnen gigantischen Laser arbeiten wollen, müssen wir Millionen von Kilowattlasern kombinieren. Das ist eine große technische Herausforderung, weil das Laserarray genau synchronisiert werden muss“, erklärt Philip Lubin, Professor an der University of California in Santa Barbara und Vordenker des Projekts. Angedacht ist eine Laser-Array mit bis zu 100 Gigawatt Leistung. Zum Vergleich: ein Atomkraftwerk hat eine Leistung von etwa einem Gigawatt. Für erste Versuche sollen gigantische Laser auf der Erde installiert werden, doch für Reisen zu anderen Sternen wäre es sinnvoller, eine solche Anlage im Weltall zu installieren: auf einer Raumstation, auf einem Satelliten oder auf dem Mond.

Das klingt alles wie Zukunftsmusik. Wenn eine solche Anlage allerdings erst einmal installiert wäre, könnten damit vielfältige Weltraummissionen durchgeführt werden, nicht nur ein Trip zu Proxima Centauri: Raumschiffe, die Waren und Menschen transportieren, wären beispielsweise zum Mars nur wenige Stunden unterwegs. Prof. Lubin begann seine Forschung ursprünglich mit dem Ziel, Asteroiden, die der Erde zu nahe kommen, mit gebündelten Laserstrahlen abzulenken. Es wäre daher auch denkbar, mit dieser Technik Asteroiden ‘einzufangen’, um sie zu erforschen und anschließend ihre Rohstoffe abzubauen.

 

Künstlerische Darstellung der japanischen Sonnensegel-Sonde IKAROS, die im Jahr 2010 nahe der Venus ein anspruchsvolles Pogramm absolvierte: volle Entfaltung der Segel, Stromproduktion und Navigation mit Sonnensegeln. Abbildung: Andrzej Mirecki CC BY-SA 3.0
Künstlerische Darstellung der japanischen Sonnensegel-Sonde IKAROS, die im Jahr 2010 nahe der Venus ein anspruchsvolles Programm absolvierte: volle Entfaltung der Segel, Stromproduktion und Navigation mit Sonnensegeln. Abbildung: Andrzej Mirecki CC BY-SA 3.0

 

Mit der Frage, wie sich die erhoffte Endgeschwindigkeit von 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit abbremsen lassen könnte, befassen sich Forscher am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Bei solch einer Mission besteht nämlich die Gefahr, dass die Sonde binnen Sekundenbruchteilen an Proxima Centauri vorbeizieht – damit wäre der Forschung nicht gedient. Die Göttinger Forscher schlagen vor, die Schwerkraft aller drei Sterne zu nutzen, also von Alpha Centauri A und B, sowie von Proxima Centauri, um die Sonde abzubremsen. Für den Start empfehlen sie einen anfänglichen Kurs Richtung Sonne um eine höhere Anfangsgeschwindigkeit zu erreichen, dadurch könnte die Laser-Anlage kleiner ausfallen. Sie sind bereits mit dem Starshot-Team im Gespräch.

Philip Lubin rechnet übrigens nicht damit, die Ergebnisse seiner Arbeit noch zu erleben. Er rechnet vor: „Ich bin jetzt 63 Jahre alt und werde vielleicht noch den Start einer interstellaren Sonde in 30 Jahren erleben. Doch dann wird es noch einmal 24 Jahre dauern, bis Daten von einem Stern bei uns eintreffen.“ Ein Grund, weshalb er glaubt, dass sein Projekt Erfolg haben könnte, ist die Tatsache, dass sich in den letzten 25 Jahren die Leistungsfähigkeit von Lasern alle 20 Monate verdoppelt hat, während die Kosten stetig sanken. Lubin fasst diese Trends unter dem Schlagwort ‘Photonics Revolution’ zusammen.

Hinzu kommen die enormen Fortschritte in den Materialwissenschaften, insbesondere der Nanotechnologie, sowie die ständige Verkleinerung von technischen Geräten, allen voran der Computerchips. Das Starshot-Team nennt ihre Raumsonden sinnigerweise ‘Starchips’, weil es sich im Grunde um leichte, fliegende Chips handelt.

Auch wenn dieses Projekt heute noch wie ein Science-Fiction-Märchen klingt, und es mit großen technischen Herausforderungen, praktischen Problemen, Verzögerungen und einem noch höheren Finanzierungsbedarf zu kämpfen haben wird,  so könnte es doch in irgendeiner Form eines Tages Wirklichkeit werden.

 

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.