BLOG

Veröffentlicht 16. Juni 2014 von Susanne Dambeck

Was Fußball mit Molekularbiologie zu tun hat

Was macht das Knallgas in unseren Zellen? Wie entsteht der Brennstoff des Körpers? Und warum müssen Fußballer in 45 Minuten nie auf die Toilette? Auf diese Fragen geben drei Nobelpreisträger verblüffende Antworten – alle drei werden auf der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung ihre neuesten Forschungsergebnisse vorstellen.

Wenn wir Sport machen, müssen nicht nur Muskeln und Atmung Schwerstarbeit leisten, auch die Nieren arbeiten unter Hochdruck: Pro Tag fließt das gesamte Blut ungefähr 300 Mal durch die Nieren, bei diesem Filterungsprozess entstehen täglich um die 180 Liter Primärharn. In einem zweiten Schritt wird dieser auf ein bis zwei Liter Sekundärharn reduziert, den wir dann ausscheiden. Um den Wasserhaushalt des Körpers im Gleichgewicht zu halten, wird bei starkem Schwitzen nur wenig Sekundärharn gebildet – die Fussballer müssen selten aufs Klo.

Während der ständigen Filterung rasen bis zu drei Milliarden Wassermoleküle pro Sekunde durch kleine Wasserkanäle, so genannte Aquaporine. Diese kleinen Kanäle, die eigentlich Proteinkomplexe sind, wurden 1992 von Peter Agre entdeckt, der dafür 2003 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Heute leitet er das Malaria Forschungsinstitut an der Johns Hopkins Universität, denn Aquaporine spielen auch in der Biologie des Malaria-Auslösers Plasmodium eine wichtige Rolle und die Forscher hoffen, einen Ansatz für neuartige Therapien zu finden.

Die Mini-Kanäle spielen an vielen Stellen im Körper eine wichtige Rolle, auch an der Blut-Hirn-Schranke, in den Blutkapillaren oder den Lungenbläschen – womit wir wieder beim Sportler wären, der nach einem schnellen Sprint um Luft ringt.

http://www.dreamstime.com/stock-photo-lukasz-szukala-mohamed-salah-daniel-georgievski-champions-league-game-fc-basel-s-steaua-s-pictured-action-image34667190
Lukasz Szukala, Mohamed Salah und Daniel Georgievski bei dem Champions League Spiel Bukarest-Basel 2013. (c) dreamstime / Cosmin Iftode

Doch wie wird im Körper eigentlich die nötige Energie bereit gestellt, um 45 Minuten über den Rasen zu stürmen? Der „Brennstoff“ des Körpers heißt ATP, er wird in den „Kraftwerken“ der Körperzellen hergestellt, den so genannten Mitochondrien. Für die Herstellung von ATP sind verschiedene Enzyme nötig, unter anderem ADP; für die Entschlüsselung der molekularen Grundlagen der ADP-Bildung erhielt John E. Walker 1997 den Nobelpreis für Chemie.

Neben ADP und weiteren Enzymen ist für die Bildung von ATP noch chemische Energie nötig. Dafür hat sich die Natur etwas einfallen lassen: An der Membran der Mitochondrien wird der eingeatmete Sauerstoff mit Hilfe von Elektronen zu Wasser reduziert, auch bekannt als Knallgasreaktion. Die so entstandene Energie wird im Innern der Mitochondrien von ATP-Molekülen aufgenommen. Beim Zerfall dieses Moleküls wird die Energie wieder freigesetzt. Ständig hat ein Erwachsener um die 250 Gramm ATP im Körper, es ist also ein Zwischenprodukt. Wenn man die ATP-Gesamtmenge eines Tages zusammen zählen würde, käme man ungefähr auf das Gewicht eines Erwachsenen – beim Fussballer ist dieser Umsatz wohl eher höher als beim Zuschauer.

Nobel Laureate Sir Harold Kroto kicking a "buckyball". (c) Volker Steger / Lindau Nobel Laureate Meetings
Auch Nobelpreisträger Sir Harold Kroto hat starke Fußballbezüge: Hier sieht man ihn mit seinem „Buckyball“ . (c) Volker Steger / Lindau Nobel Laureate Meetings

Bei der Bildung von ATP spielt auch das Protein Cytochrome-c Oxidase eine Schlüsselrolle: Es sitzt innerhalb der Membranwand, allerdings in der Membran, die die Mitochondrien umschließt. Es stellt die Elektronen für die Knallgasreaktion zur Verfügung und sorgt dafür, dass Protonen ins Innere der Mitochondrien gelangen, diese Funktion wird auch Protonenpumpe genannt. Hartmut Michel hat sich in seiner Karriere eingehend mit der Cytochrom-c-Oxidase beschäftigt. Den Nobelpreis für Chemie erhielt er 1988 für die Kristallisation des Photosynthesezentrums eines Purpurbakteriums. Dadurch war dieses Reaktionszentrum der erste Membranprotein-Komplex, dessen Struktur durch Röntgenstrukturanalyse genau dargestellt werden konnte: Es besteht aus mehr als 10.000 Einzelatomen.

Zurück zum Fussballabend vor dem Fernseher: Der Zuschauer kann nun beruhigt sein, dass seine Nieren ebenfalls Höchstleistung bringen, dass die Energieversorgung seiner Zellen blendend funktioniert, selbst wenn gerade wenig Energie abgerufen wird. Jetzt kann er sich entspannt auf die Ballkünstler konzentrieren – zumindest so lange, bis die Blut-Hirn-Schranke zu viel Ethanol passieren lässt.

Die drei genannten Nobelpreisträger werden für das 64. Meeting ab dem 29. Juni 2014 nach Lindau kommen. Videos ihrer Vorträge sind ab dem Abend des Vortrags hier verlinkt.

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.