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Veröffentlicht 22. Juli 2014 von Susanne Dambeck

Peter Agre: „Malaria ist mein neuestes Abenteuer!“

Ein Drittel des Jahres betreibt Peter Agre Feldforschung im Südlichen Afrika, den Rest der Zeit bekämpft er Malaria von seinem Labor in Baltimore aus. Im Jahr 2003 bekam Peter Agre den Nobelpreis in Chemie verliehen – danach kehrte er zu seiner alten Liebe zurück, der Hämatologie. Schon als junger Arzt hatte er sich auf diese Fachrichtung spezialisiert, denn als junger Mann war er bei seinen Asienreisen mit der Tropenkrankheit Malaria konfrontiert worden; seit 2008 leitet er das Malaria-Forschungsinstituts an der Johns Hopkins Universität. Malaria wird von einem Erreger der Gattung Plasmodium ausgelöst und führt zu heftigen Fieberschüben, die insbesondere bei kleinen Kindern tödlich verlaufen können. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die Opferzahlen auf erschreckende 2.000 Todesfälle täglich. Damit ist Malaria eine der „drei großen“ Infektionskrankheiten, von denen die Entwicklungsländer heimgesucht werden. Die anderen beiden sind HIV und Tuberkulose. Und selbst wenn erkrankte Kinder die Malaria überstehen, können Gehirnschäden oder Blindheit die Folgen sein.

 

Dieser Junge aus Sambia leidet an einer
Dieser Junge aus Sambia leidet an einer „Gehirnmalaria“: Der Parasit hat seinen Sehnerv so weit geschädigt, dass er trotz Behandlung blind bleiben wird. Foto: Michael Klag

 

Dank moderner Arzneimittelforschung kann Malaria heute geheilt werden, aber die Resistenzen gegen die verfügbaren Wirkstoffe nehmen ständig zu: Inzwischen findet man Stämme, die gegen alle gängigen Malariamittel resistent sind, sogar gegen moderne Kombinationstherapien. Deshalb werden ständig neue Wirkstoffe benötigt, aber neue Medikamente sind teuer und eignen sich deshalb nur begrenzt für den Einsatz in Entwicklungsländern – wo die Malaria hauptsächlich wütet. Der komplizierte Lebenszyklus des Parasiten, der sich in Leberzellen und roten Blutkörperchen vermehrt, macht es schwer, ihn anzugreifen. Fieberhaft wird also ein Wirkstoff gesucht, der den Erreger auf molekularer Ebene so gründlich vernichtet, dass sich während der Behandlung kaum resistente Erreger bilden können. Ein weiterer Ansatzpunkt ist, den Überträger, die Anophelesmücke, gegen den Parasiten zu immunisieren.

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Peter Agre während seines Vortrags auf dem #lnlm14. Foto: Rolf Schultes/LNLM

Kollegen von Agre, die in Afrika am „Malaria Institute at Macha“ arbeiten, einem Partner von Johns Hopkins, haben es geschafft, die Verbreitung von Malaria in dieser Region im südlichen Sambia um sagenhafte 95 Prozent zu senken, durch Vorbeugung und Behandlung. Um diese Erfolgsgeschichte zu wiederholen, wurde ein Institut in Zimbabwe gegründet. Agre verbringt nun ein Drittel jedes Jahrs in „Zim“ oder „Zam“. Er sagt selbst: „Malaria ist mein neuestes Abenteuer“. Zuhause in Baltimore arbeiten seine verschiedenen Forschungsgruppen an innovativen Ansätzen, zum Beispiel wollen sie ein „besseres Moskito“ züchten, das gegen Malaria resistent ist, und sie haben auch schon ein Virus gefunden, gegen das Anopheles machtlos ist.

Den Nobelpreis hatte Peter Agre für die Entdeckung von Aquaporinen verliehen bekommen: Das sind Proteine in der Zellmembran, die als klitzekleine Wasserkanäle fungieren. An vielen Stellen im menschlichen Körper spielen sie eine wichtige Rolle: in den Nieren, der Lunge, dem Gehirn und in der Haut, um nur einige zu nennen. Im Pflanzen- und Tierreich findet man hunderte verschiedene Aquaporin-Proteine, kurz AQP. Auch die Anophelesmücke verfügt über mehrere AQPs – alles lohnende Angriffspunkte für neuartige Medikamente. Doch auch die menschlichen Aquaporine sind in diesem Zusammenhang interessant. Agre: „In unseren Studien konnten wir zeigen, dass der Parasit auf den Glycerin-Transport angewiesen ist. Wenn ein Parasit in ein rotes Blutkörperchen eindringt, muss das Glycerin insgesamt drei verschiedene Membranen passieren. Und diese Passagen sind nur durch das menschliche Aquaglyceroporin 3 möglich.“ Aquaglyceroporine sind AQPs die auch Glycerin passieren lassen. Dies ist also ein weiterer lohnender Angriffspunkt, um den verheerenden Parasiten langfristig zu schlagen.

Peter Agre mit Nachwuchsforschern auf dem #lnlm14. Foto: Ch. Flemming/LNLM
Peter Agre mit Nachwuchsforschern auf dem #lnlm14. Foto: Ch. Flemming/LNLM

Malaria wird auch als „stille Katastrophe“ bezeichnet: Man geht von mindestens einer Million Todesopfer pro Jahr aus, das häufigste Alter der Opfer ist vier Jahre. Selbst die Erwachsenen, die mit einer chronischen Malaria leben, werden dadurch so stark geschwächt, dass sie beispielsweise bei der Ernte ausfallen: Die Malaria schlägt in dieser Zeit besonders häufig zu. Und eine durchschnittliche afrikanische Familie auf dem Lande muss ungefähr ein Viertel ihrer mageren Einnahmen für Malariamittel aufwenden. Und da die Anophelesmücke in fast allen bewohnten Erdregionen vorkommt, und viele dieser Stämme Malaria übertragen könnten, ist Malaria nicht mehr ausschließlich ein Problem der Entwicklungsländer. Mit steigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels ist es denkbar, dass sich die Parasiten in nördlicheren Regionen ausbreiten und es in Zukunft zu Malaria-Ausbrüchen in Europa und Nordamerika kommen wird – und es ist anzunehmen, dass diese Parasiten dann bereits über eine große Bandbreite an Resistenzen verfügen.

Peter Agre macht also innovative Spitzenforschung in einem sehr wichtigen Forschungsfeld, und er ist dabei noch motivierend und inspirierend für Nachwuchsforscher aus aller Welt. In dem angehängten Video beschreibt er, wie er die Aquaporine überhaupt entdeckte, und was die korrekte Interpretation seiner Entdeckung mit einem Familienausflug nach Disney World zu tun hatte. Er deutet auch an, weshalb sich die Firma Christian Dior für seine Forschung interessiert – und was seine eigene Mutter dazu sagt, dass er jetzt scheinbar Anti-Faltencremes entwickelt.

 

Außerdem hat Peter Agre uns liebenswerterweise auch noch einige seiner persönlichen Fotos von seinen Afrika-Reisen zur Verfügung gestellt:

 

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.