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Veröffentlicht 28. April 2016 von Susanne Dambeck

Hiroshi Amano: Wie blaues Licht die Welt veränderte

Welchen Gegenstand legen wir nur äußerst ungern aus der Hand? Richtig, bei den meisten ist es das Smartphone. Diese Aussage trifft sogar in weiten Teilen Afrikas zu, wo das Handynetz hilft, eine oft unzureichende Infrastruktur zu umgehen. Doch Smartphones sind nur deshalb so schmal, leicht und haben bunte Dislays, weil drei japanische Forscher in den 1980er Jahren eine Herstellungsmethode für blaue Leuchtdioden erfanden. Dadurch wurden Flachbildfernseher, moderne Monitore und Smartphones erst möglich, gleichzeitig konnten aber auch energiesparende weiße Leuchtmittel entwickelt werden, die LEDs. Deren weißes Licht entsteht aus der Kombination von blauen, grünen und roten Leuchtdioden.

 

Hiroshi Amano mit weißen LEDs, die im Grunde aus einer Mischung blauer, roter und grüner LEDs zusammengesetzt sind. Amano studierte und promovierte in Nagoya, heute ist er dort Professor und Chef eines eigenen Labors. Foto: Peter Badge/LNLM
Hiroshi Amano mit weißen LEDs, die in Wirklichkeit aus blauen, roten und grünen LEDs zusammengesetzt sind. Amano studierte und promovierte in Nagoya, heute ist er dort Professor und Chef seines eigenen Labors. Foto: Peter Badge/LNLM

Als Anfang Oktober 2014 in Stockholm feierlich die Physiknobelpreisträger verkündet wurden, saß Hiroshi Amano gerade im Flugzeug von Japan nach Europa. Bei der Zwischenlandung in Frankfurt schaute er kurz auf seine Emails und sah zahllose Betreffzeilen mit dem Stichwort ‚Gratulation!‘, hatte aber keine Zeit, die Mails zu öffnen. Seltsam, dachte er, das muss ein Scherz sein, oder Spam-Mail. In der Ankunftshalle seines französischen Reiseziels sah er dann eine größere Menschenmenge, die offensichtlich angespannt auf jemanden warteten. Da fiel ihm ein, dass am 07. Oktober die Physiknobelpreise verkündet werden, also fragte er sich, ob sein Mentor Prof. Akasaki vielleicht einen Preis erhalten hatte und die wartenden Journalisten ein paar kommentierende Sätze von ihm hören wollten. Am Ende gehörte er selbst zu den Preisträgern, zusammen mit Isamu Akasaki und Shuji Nakamura, und die Presse wartete auf ihn!

Der bescheidene Physiker aus Nagoya kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch zwei Monate später, am Anfang seines Nobel-Vortrags in Stockholm, ist ihm deutlich anzumerken, dass er immer noch nicht ganz glauben kann, was ihm da widerfahren ist. Damals war er 54 Jahre alt, für gegenwärte Nobelpreis-Maßstäbe geradezu ein Jüngling. Und es war tatsächlich kaum vorherzusehen, dass dieser Preis an anwendungsorientierte Forscher gehen würde. Im Vorjahr wurde nämlich die Entdeckung des Higgs-Bosons geehrt – zweifellos eine bahnbrechende Entdeckung, allerdings ohne direkte praktischen Konsequenzen außerhalb der Forschung.

Weshalb war es überhaupt so schwierig gewesen, blaue Leuchtdioden herzustellen? Schon seit den 1970er Jahren war bekannt, dass Galliumnitrid (GaN) ein geeignetes Material für blaues Licht war, doch seine Verarbeitung entpuppte sich als sehr kompliziert. Als der junge Student Amano das Thema ‚Nitrid-basierte blaue LEDs‘ als Themenvorschlag für eine Abschlussarbeit im Labor von Prof. Akasaki aushängen sah, dachte „der sehr naive Grundstudiums-Student“, dass dieses Thema „einfach zu verstehen und bearbeiten“ sei. Als nächstes stellte er sich damals schon vor, was mit blauen LEDs erreicht werden könnte: flache Monitore und Fernseher, verbesserte Handys, und so weiter. „Mit blauen LEDs kann ich die Welt verändern“, dachte er damals.

Es folgten rund zwei Jahre erfolgloser Versuche. Amano nutzte eine Gasabscheidungsmethode, genannt MOVPE, um dünne Kristallfilme zu erzeugen. Das ist ein üblicher Herstellungsprozess für Halbleiter, und LEDs sind im Grunde Halbleiter. Doch für diese Methode braucht man ein Trägermaterial, das gut zu dem aufgetragenen Material passt – und genau daran haperte es: Es gab keinen geeigneten Träger für GaN. Amano entschied sich für Saphir, weil dieses Mineral bei den hohen Temperaturen stabil ist, die für die GaN-Synthese nötig sind, und kaum mit Ammoniak reagiert, der in diesem Experiment als Stickstoffquelle dient. Zwischen Saphir und GaN besteht jedoch eine ‚Gitterfehlanpassung‘ (Englisch: ‚lattice mismatch‘) von 16 Prozent, was schlicht bedeutet, dass der geometrische Aufbau beider Kristalle nicht zusammenpasst. Dadurch erschien eine Synthese von GaN auf Saphir zunächst unmöglich.

 

Blaue LEDs zeigen an, ob dieser Großrechner problemlos läuft - eine von zahllosen Anwendungsfeldern blauer LEDs. Sie haben uns nicht nur moderne Fernseher, Monitore und Smartphones ermöglicht, sondern auch energiesparendes weißes Licht. Foto: iStock.com/Vladimir Timofeev
Blaue LEDs zeigen an, ob dieser Großrechner problemlos läuft – eines von zahllosen Anwendungsfeldern. Darüber hinaus haben uns blaue Leuchtdioden moderne Fernseher, Monitore und Smartphones ermöglicht, sowie energiesparendes weißes Licht. Foto: iStock.com/Vladimir Timofeev

Ein Doktorand im Akasaki-Labor arbeitete zur gleichen Zeit mit Aluminiumgalliumnitrid (AlGaN) und erzielte etwas bessere Ergebnisse als Amano. So kam dieser auf die Idee, zunächst eine dünne Schicht Aluminiumnitrid (AlN), ein Ausgangsstoff von AlGaN, auf seinen Träger aufzubringen. Doch sein Gerät konnte die notwendige Temperatur von 1200 Grad Celsius nicht erreichen, also suchte er nach einem gangbaren Niedertemperaturverfahren. Dieses fand er mit Hilfe eines weiteren Kollegen, der gute Erfahrungen mit dem Aufbringen einzelner Atome gemacht hatte, um welche herum sich dann die gewünschten Filme bildeten. Mit diesem zusätzlichen Arbeitsschritt schaffte es Hiroshi Amano, im Jahr 1985 den ersten GaN-Film überhaupt herzustellen. Er war damals 24 Jahre alt, der Kristallfilm war Teil seiner Master-Arbeit. Da er sich schon entschieden hatte zu promovieren, führte er dieses Experiment ganz alleine im Labor durch, während alle anderen eine Abschluss-Exkursion genossen. Knapp dreißig Jahre später sicherte ihm dieser einsame Versuch den Physiknobelpreis.

Wie schon erwähnt, sind LEDs Halbleiter: Sie haben p-leitende und n-leitende Schichten. Die n-Schichen haben mehr Elektronen und sind daher negativ geladen, die p-Schichten haben stattdessen ‚Löcher‘. Wenn nun an einen solchen Halbleiter Strom angelegt wird, ’springen‘ Elektronen aus der n-Schicht am p-n-Übergang in die Löchter, wobei sie Licht in Form von Photonen abgeben. Diesen Vorgang nennt man Elektroluminiszenz, und Leuchtkörper, die damit arbeiten, verbrauchen erheblich weniger Strom als herkömmliche Glühbirnen. Leider waren die von Amano hergestellten GaN-Filme alle n-leitend oder hochohmig, keiner war p-leitend.
Am Ende war es fast genauso schwierig, eine p-leitende GaN-Schicht herzustellen, wie die allererste Herstellung eines GaN-Films überhaupt. Zunächst musste Amano die Dotierung seines Materials ändern, von Zink auf Magnesium. Eine Dotierung ist in diesem Fall eine minimale Beimischung, die jedoch die elektrische Leitfähigkeit massiv verändert. Doch das ‚Mg-dotierte GaN‘ war immer noch nicht p-leitend. Erst durch einen speziellen Elektronenstrahl konnte ein p-leitender GaN-Film erzeugt werden: der entscheidende letzte Schritt zur Herstellung blauer Leuchtdioden. Diesen zweiten Durchbruch schaffte Amano 1989 im Alter von 28 Jahren.

Dr. Kaddour Lekhal ist ein Postdoc-Forscher im Amano Lab in Nagoya. Er studierte in Algerien an der Es-Senia Universität und promovierte in Frankreich. Foto: Ye Zheng, Amano Lab
Dr. Kaddour Lekhal ist ein Postdoc-Forscher im Amano Lab in Nagoya. Er studierte in Algerien an der Es-Senia Universität und promovierte in Frankreich. Foto: Ye Zheng, Amano Lab

Andere Forschergruppen hatten ebenfalls nach einer Lösung für das GaN-Problem gesucht, doch Amano hielt durch. „Mindestens drei Mal am Tag führte ich meine Experimente durch“, erzählte er der Japan Times nach der Verkündung der Nobelpreise, „und alle gingen schief. Jeden Abend ging ich entäuscht nach Hause, doch jeden Morgen wachte ich mit neuen Ideen auf.“ Als er dann nach über tausend Versuchen doch Erfolg hatte, konnte er kaum glauben. Er dachte, er hätte eine Komponente vergessen, so glatt und dünn war der erste GaN-Film. Auf seinem Weg war Amano stets neugierig für die Ergebnisse anderer Forscher geblieben, und er scheute sich nie, diese um Rat zu fragen und deren Ergebnisse in seine Experimente zu integrieren.

„Als Person ist Hiroshi Amano bescheiden und freundlich, unkompliziert im Umgang, aufgeschlossen und sympathisch“, beschreibt ihn Kaddour Lekhal, ein Postdoc-Forscher in seinem Labor und Nachwuchswissenschaftler auf dem 66. Lindauer Nobelpreisträgertreffen diesen Sommer, das dem Thema Physik gewidmet ist. „Als Chef unterstützt und motiviert er uns, wo er nur kann, und spornt uns jeden Tag zu Höchstleistungen an.“ Dr. Lekhal arbeitet an der Herstellung ultralanger Nanodrähte mit Hilfe der MOVPE- und HPVE-Methoden (beide ähneln sich, die letzte verwendet zusätzlich Chlorwasserstoff). Lekhal geht davon aus, dass solche Drähte in Zukunft eine entscheidende Rolle in der Herstellung verbesserter LEDs, Solarzellen oder bei der Wasserstoffgewinnung spielen könnten.

Diesen Sommer wird auch Hiroshi Amano selbst nach Lindau reisen. Er hält am Montag, den 27. Juni um 09:00 Uhr den Eröffnungsvortrag des Nobelpreisträgertreffens mit dem Titel „Lighting the Earth by LEDs“ – die Welt mit LEDs erleuchten.

 

Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.