Veröffentlicht 3. Juli 2014 von Beatrice Lugger
Life Science Firmengründungen in Deutschland – Robert Huber
Grundlagenforschung gilt landläufig als weit entfernt von jeder Anwendung. Weit gefehlt!
Heute boomen in Deutschland Gründer- und Technologietransferzentren an Universitäten und Exzellenzcluster mit der Tendenz zur Startup-Mentalität. Über EXIST fördert das Bundeswirtschaftsministerium etwa Existenzgründungen aus der Wissenschaft. Graduiert und Studenten bekommen für ein Jahr finanzielle Unterstützung, um an ihrer Start-Up-Idee zu feilen und Investoren zu suchen. Auch das Bundesforschungsministerium fördert Gründungswillige und stellt über die Plattform Biotechnologie einen Wegweiser für unterschiedlichste Fördermöglichkeiten bereit. Selbst Crowdfunding via Sciencestarterist inzwischen ein relativ etablierter Weg, um Gelder für Projekte zu bekommen – wenn auch in Maßen. Doch wie ist es mit den Erfolgen bestellt?
Die Geschichte derartiger Gründungsmentalität ist in Deutschland noch relativ jung. In den 1990er Jahren entstanden erste Zentren, die Raum für junge kreativ denkende boten. Eines davon war das Innovations- und Gründerzentrum (IZB) in Martinsried bei München, das heute Teil des „Campus Martinsried“ ist. Dort ist einer der bundesweit ersten Hot Spots für Innovationstransfer erwachsen. Zum Campus zählen neben dem IZB, zwei Max-Planck-Institute und das Biozentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Robert Huber, Nobelpreisträger für Chemie 1988, hat die Möglichkeiten des Campus im Südwesten der bayerischen Hauptstadt für seine Ideen genutzt. Proteros und Suppremol sind die Namen der beiden Ausgründungen an denen er vor allem als fachlicher Mentor aber auch als Firmengründer beteiligt ist. Die Modelle der beiden Unternehmen sind sehr unterschiedlich und zeigen auf, was mit Glück gut funktionieren kann – die Dienstleistung – und was ein dauerhaft zähes Ringen verlangt – die Suche nach möglichen Wirkstoffen und Investoren.
„Mit Proteros stehen wir heute sehr gut da. Das Unternehmen ist Dienstleister für die weltweit verstreute Pharma- und Agro-Industrie“, meint Huber. 1999 ging das Unternehmen als Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Biochemie an den Start. Das Unternehmen mit mittlerweile 70 Mitarbeitern klärt vor allem Proteinstrukturen für seine Auftragnehmer auf. 18 der 20 weltweiten Riesen zählten zu ihren Kunden, sagt die Proteros-Website. Huber verrät zwei Nahmen: Pfizer und Merck zum Beispiel.
Das Strukturaufklärer-Unternehmen deckt einen Bedarf ab, der in der großen Pharma- und Agroindustrie immer nur schwankend auftritt. „Für die Pharmariesen macht es keinen Sinn das ganze Jahr über Labore, Personal und Ausstattung für etwas bereit zu stellen, das sie nur sporadisch benötigen“, erklärt Huber. Zudem könne Proteros durch das kontinuierliche Know-How in diesem Bereich eine sehr hohe Qualität sichern. Routine stärkt in diesem Fall das Geschäft. Inzwischen spürten sie jedoch auch den Druck der Konkurrenz etwa durch Labore in China, lässt Huber durchklingen. Insgesamt zeigt sich der Strukturaufklärer (er hatte gemeinsam mit Johann Deisenhofer und Hartmut Michel den Nobelpreis für die Lösung der Struktur eines Membranproteins, das an der Photosynthese beteiligt ist, erhalten) äußerst zufrieden und erklärt stolz: „Es ist natürlich erfreulich, dass wir mit so einem Unternehmen gut 40 hoch qualifizierten Forschern eine äußerst interessante Arbeit geben können.“ Diese würden durchaus laufend auch wissenschaftlich publizieren und es gäbe auch personellen Austausch zwischen der Akademia und dem Unternehmen.
Anders steht es um die Erfolgsgeschichte von Suppremol. Die steht noch aus! 2003 gegründet, lebt Suppremol immer noch in direkter Nachbarschaft zum MPI für Biochemie (Hausnummer 19a und 18). Bisher gab es laut Huber keine Einnahmen, nur Ausgaben. Das ist kaum verwunderlich, geht es doch um nichts geringeres als potenzielle Therapeutika für Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, systemischem Lupus. Medikamenten-Entwicklung ist ein zähes Geschäft und das Risiko, dass auch noch ganz am Ende der langen Studienphasen (Zellversuche, Tierversuche, Klinische Studien I bis IV), ja sogar nach der Freigabe für den Markt alles platzt, ist groß. Das weiß die Industrie und wartet ab, welche der vielen kleinen Start-Ups zur Medikamentenentwicklung es bis knapp vor das Ziel schaffen.
Immerhin stecken potenzielle Mittel bei Suppremol inzwischen in der sogenannten Phase III der klinischen Studien. Doch es bleibt, wie Huber sagt: „Kein besonders angenehmes Geschäft, Investoren zu suchen.“ Die Chancen schätzt er aber jetzt, da man schon so weit fortgeschritten sei, als gut ein.
Waren solche Ausgründungen vor zehn, 20 Jahren auch aus dem Bereich der Grundlagenforschung noch eher die Ausnahme, so werden die Potenziale von Seiten der Max-Planck-Gesellschaft heute durchaus systematisch gefördert. Im Rahmen des Pakts für Forschung, hat Robert Huber jüngst ein neue Türen aufgestoßen und eine seiner Ideen mit hinein getragen. So sucht eine Forschergruppe im Dortmunder Lead Discovery Center seit zwei Jahren nach möglichen Krebsmedikamenten, die ähnlich dem Medikament Brotezomib über das sogenannte Proteasom (Proteinkomplexen im Zellkern und Zytoplasm) wirken. Die neu entwickelten Wirkstoffe sollen jedoch nicht all überall das Proteosom angreifen und so auch für heftige Nebenwirkungen sorgen, sondern in einer spezifischen Untergruppe der Immunzellen. Hier sind inzwischen schon Gelder von der Industrie mit eingeflossen.
Über solche Zentren, die einen Technologietransfer auch von Grundlagenforschungsinstituten wie der Max-Planck-Gesellschaft ermöglichen, sind neue Türen in Deutschland aufgestoßen. Transfers und Kooperationen über die Fraunhofer-Institute, die per se anwendungsorientiert aufgestellt sind, gibt es schon lange. Spannend findet Huber dabei, „dass hier schon in der Entwicklungsphase laufend nach Kooperationspartnern gesucht wird.“