Veröffentlicht 23. September 2014 von Stephanie Hanel
Das Mississippi-Baby und seine Bedeutung für die Aids-Forschung
Das für geheilt gehaltene Kind erlitt einen Rückfall – welche Auswirkungen wird dies auf die Forschung haben?
Auf der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung diesen Sommer, die ganz im Zeichen der medizinischen Forschung stand, konnte Francoise Barré-Sinoussi noch zuversichtlich vom virusfreien ‚Mississippi-Baby’ sprechen, doch schon kurz darauf kam die schmerzliche Nachricht, dass das Virus bei ihm erneut aufgetreten ist – scheinbar aus dem Nichts. Für die Familie ist das eine schreckliche Nachricht. Was bedeutet es für die Wissenschaft?
Das Mississippi-Baby, das als Neugeborenes durch seine Mutter mit dem HIV-Virus infiziert wurde, war circa anderthalb Jahre lang mit einer antiviralen Medikamentierung behandelt worden. Danach konnten zwei Jahre lang keine Viren nachgewiesen werden. Man hatte gehofft, das erste geheilte Kind feiern zu können und entsprechende Studien auf die Möglichkeit ausgerichtet, infizierte Neugeborene mit starken Medikamenten heilen zu können. Nun müssen diese Untersuchungen modifiziert werden. Zunächst wird in der konkreten Behandlung betroffener Babys wohl auf einen längeren Behandlungszeitraum gesetzt werden.
Welche Schlüsse zieht Francoise Barré-Sinoussi, Nobelpreisträgerin und Aids-Forscherin, aus den neuen Tatsachen? Man könne daraus lernen, dass das Virus in Zellen schlummere, also ein Reservoir bilden kann, sagte sie in einem Interview aus Anlass der Welt-Aids-Konferenz in Melbourne. Sie weist darauf hin, dass bessere Tests benötigt werden, denn schlummernde Erreger in infizierten Zellen im Blut lassen sich nachweisen, sie können aber auch in den Eingeweiden und vielen anderen Teilen des Körpers vorkommen. Barré-Sinoussi ist vorsichtig im Umgang mit dem Wort „geheilt“ in Zusammenhang mit Aids – sie formuliert als Ziel eine „dauerhafte Remission“, d.h. einen Zustand aus dem heraus sich die Krankheit nicht mehr weiterentwickelt und der Erreger nicht mehr weitergegeben wird.
Zeitgleich berichtete Spektrum der Wissenschaft über die von Forschern auf der Aids-Konferenz thematisierte vorläufige Heilung zweier HIV-positiver Australier, bei denen die Stammzellen-Krebstherapie auch die HIV-Virus-Reservoirs angriff und entscheidend reduzierte. Eine Stammzellentherapie als Routineeingriff gegen HIV kommt allerdings wegen der zu hohen Risiken bei diesem Eingriff nicht in Frage. Besonderes Glück hatte der sogenannte ‚Berlin-Patient’, dessen Stammzellenspender eine seltene antivirale Genmutation hat.
Nachdem durch die antiretrovirale Therapie immer nur die Viruslast herabgesetzt und das Leben verlängert werden kann, sich das Virus aber nicht aus dem Körper entfernen lässt, wird die Entwicklung eines Impfstoffs als das wahrscheinlich wirksamste Mittel gegen die weitere Ausbreitung angesehen. Weltweit wird an circa 30 HIV-Impfstoffen geforscht. Einen Durchbruch mit dieser Forschung erhoffen sich und erarbeiten täglich auch einige der Jungforscherinnen und –forscher, die zu Gast in Lindau waren. In einer kurzen Fernsehdokumentation stellen Kipp Weiskopf aus den USA, Khei Koofhethile aus Botswana und Angelique Hölzemer aus Deutschland ihre Forschungsansätze vor – so sollen beispielsweise die natürlichen Fresszellen des Körpers, die sogenannten Makrophagen, nicht nur zur Behandlung von Krebs sondern auch für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen HIV nutzbar gemacht werden. Hölzemer vom „Ragon Institute of MGH, MIT and Harvard“, das sich auf die Entwicklung eines Impfstoffs und die Bekämpfung von AIDS spezialisiert hat, ist optimistisch – die geballte Anstrengung all der klugen Köpfe, die sie dort kennenlernen konnte, wird nicht umsonst sein, der Durchbruch wird kommen: „Ich bin sicher, dass das eines Tages passieren wird“. Und dann trafen Khei Koofhethile und Angelique Hölzemer auch noch ihr großes Vorbild: Francoise Barré-Sinoussi.