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Veröffentlicht 31. Juli 2014 von Fabiola Gerpott

Verschiedene Generationen, eine Passion

Tagungsteilnehmerin Fabiola Gerpott über die Potentiale des Wissensaustauschs von Jung und Alt.

In meiner Forschung befasse ich mich damit, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Menschen verschiedener Generationen in Unternehmen von-, mit- und übereinander lernen. Diese Thematik klingt sperriger, als sie tatsächlich ist: Jeder von uns beobachtet intergenerationale Lernprozesse und hat sie selbst bereits erlebt. Ganz nebenbei findet diese Form des Lernens im täglichen Familienleben statt. Kinder lernen von ihren Eltern und Großeltern und umgekehrt – Jugendliche wissen heute beispielsweise häufig mehr über technische Neuigkeiten als ihre Erzieher.

Während diese Lernprozesse im gesellschaftlichen Sozialgefüge eine Selbstverständlichkeit darstellen, entdecken Unternehmen erst nach und nach, welche Potenziale sich aus der gezielten Zusammensetzung altersgemischter Teams ergeben. Ein großes Hindernis auf diesem Weg stellt dabei das Senioritätsprinzip dar, welches auch in der Wissenschaft durchaus noch vorzufinden ist. Dieses Konzept beschreibt die Auffassung, dass ältere Individuen über mehr Erfahrung und Wissen verfügen, weswegen sie in der Lehrerrolle für ihre jüngeren „Schüler“ gesehen werden. Wirklich erfolgreich gestaltet sich der intergenerationale Austausch aber nur, wenn alle Altersgruppen gleichermaßen Impulse aus ihrem Erfahrungshintergrund einbringen.

Chemistry Nobel Laureate Martin Chalfie listening closely in a conversation with a young researcher. Photo: C.Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings
Chemienobelpreisträger Martin Chalfie spitzt die Ohren im Gespräch mit Nachwuchsforschern. Foto: C.Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings

Labor der Generationen

Die Folgen des demografischen Wandels werden in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Für die Wirtschaft ist zum einen relevant, dass die absolute Zahl der Erwerbstätigen deutlich abnimmt: Bis 2030 gibt es etwa 7,5 Millionen Erwerbstätige weniger, die Zahl der Personen mit Rentenanspruch steigt folglich deutlich an. Auf der anderen Seite wird sich die Altersstruktur der arbeitenden Bevölkerung deutlich verschieben. In den kommenden zehn Jahren erhöht sich die Zahl der Arbeitnehmer zwischen 50 bis 64 Jahren um etwa 20%. Damit stehen Unternehmen vor der Herausforderung, junge und erfahrende Arbeitnehmer gleichermaßen an sich zu binden und zu fördern. Teams werden immer häufiger eine hohe Altersdurchmischung haben. Neue Fragen treten auf: Trifft jugendlicher Leichtsinn auf traditionsbehaftete Sturheit? Was wünschen sich die Generationen von ihrem Arbeitgeber und für die gemeinsame Zusammenarbeit? Welche Chancen für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen sind zu befürchten?

Unterschiedliche Erfahrungshintergründe

Die Diskussionen um die Anforderungen der Generationen und die daraus resultierenden Versuche, diese Gruppen zu charakterisieren, haben in den letzten Jahren hohe Aufmerksamkeit erhalten. Die Bezeichnungen der verschiedenen Altersgruppen – Generation Praktikum; Generation Golf; Generation X, Y und Z – sind dabei ebenso vielfältig wie die Eigenschaftszuordnungen. Auf der einen Seite herrscht die Meinung, dass die in das Berufsleben eintretende Generation die Arbeitswelt hin zu mehr Work-Life-Balance und Sinnhaftigkeit verändert (Zeit.de). Auf der anderen Seite wird dieser „Generation Vakuum“ Perspektivlosigkeit (Welt.de) und eine Rückkehr zum Spießertum (FAZ.net) vorgeworfen. Das Buch „Die kaputte Elite“ des ehemaligen Beraters Benedikt Herles schildert die stromlinienförmige Ausbildung der Nachwuchsökonomen und zeichnet ein düsteres Bild einer Wirtschaftswelt, die durch diese Generation gelenkt wird (SPON).

Economics Laureate Roger Myerson in a discussion with students. Photo: C. Flemming / Lindau Nobel Laureate Meetings
Wirtschaftspreisträger Roger Myerson diskutiert mit Studenten. Foto: C. Flemming / Lindau Nobel Laureate Meetings

Aber nicht nur die junge Generation ist das Ziel der Auseinandersetzungen: Auch die Charakterisierungen der älteren Arbeitnehmer reichen von dem Vorwurf der Resignation bis hin zur Zuschreibung einer ausgeprägter Motivation für eine zweite Karriere mit 50+. Die Frage, welche Darstellung die Generationen am besten beschreibt, kann nur schwer beantwortet werden. Es ist allerdings festzuhalten, dass Arbeitnehmer unterschiedlicher Altersgruppen während ihres Aufwachsens verschiedene historische Ereignisse und soziale Umstände als prägend erleben. Die Nachkriegsgeneration hat beispielsweise einschneidende Phasen des wirtschaftlichen Mangels erlebt, was sich in einer vergleichsweisen hohen Wertschätzung von Sicherheit und materieller Absicherung niederschlägt. Die heutige Generation wächst dagegen in einer Zeit kontinuierlichen Wandels auf, so dass die Rückkehr zum oben erwähnten Spießertum als Reaktion auf unsichere Lebensumstände interpretiert werden kann. Insgesamt unterscheiden sich die Wertvorstellungen und lebensphasenbedingten Präferenzen der Generationen. Diese Differenzen können in der Zusammenarbeit zu gegenseitiger Inspiration und hohem Innovationspotenzial führen – oder aber in Konflikten und Kommunikationsproblemen enden.

Management von Altersdiversität notwendig

Der aktuelle Forschungsstand weist darauf hin, dass altersgemischte Teams in Unternehmen einen Risikofaktor für den Organisationserfolg darstellen können. Metaanalysen, die mehrere Studien zusammenfassen, belegen schlechtere Leistungen von Gruppen mit hoher Altersdurchmischung, wenn es nicht gelingt, ein wertschätzendes Klima zu erzeugen. Darunter versteht man eine positive Grundstimmung der Gruppe gegenüber den Beiträgen von Mitgliedern aller Altersgruppen. Um beispielsweise Statuskämpfe zu vermeiden, ist die Belohnung der Gesamtergebnisse des Teams statt Einzelleistungen zu empfehlen. Es ist nachvollziehbar, dass Mitarbeiter ihr Wissen kaum teilen werden, wenn dadurch die Belohnung des Kollegen und eine eigene schlechtere Leistungsbewertung zu befürchten sind. Auch gemeinsame Aktivitäten zur Erhöhung des Zusammenhalts im Team und Zeit für den gegenseitigen Austausch sind wichtige Erfolgsfaktoren der intergenerationalen Zusammenarbeit. Maßnahmen der Teamentwicklung sollten einen hohen Stellenwert erhalten – die Forschung belegt, dass die gemeinsam verbrachte Zeit einen hohen Einfluss auf das Ausmaß der Wertschätzung der jeweils anderen Generation hat. In Unternehmen muss also ein Umdenken stattfinden: Die „weichen“ Faktoren der Mitarbeiterführung werden an Bedeutung gewinnen. Nur wenn es gelingt, die gegenseitige Anerkennung der Generationen zu sichern und durch Personalinstrumente zu fördern, können die Chancen des demografischen Wandels genutzt werden.

Joseph Stiglitz at the 2011 Lindau Economics Meetings. Photo: C. Flemming / Lindau Nobel Laureate Meetings
Joseph Stiglitz 2011 in Lindau. Photo: C. Flemming / Lindau Nobel Laureate Meetings

Nobelpreisträger treffen auf Nachwuchsökonomen

Im Rahmen der 5. Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften werden 18 renommierte Wissenschaftler und über 450 Nachwuchsforscher aus  mehr als 80 Ländern gemeinsam zu Vorträgen und Diskussionen zusammenfinden. Diese Rahmenbedingungen bilden eine besondere Möglichkeit des intergenerationalen Austausches, in der eine Reihe der zuvor genannten Erfolgsrezepte der gegenseitigen Inspiration realisiert sind. Zunächst vereint die Gemeinschaft das Interesse für offene Fragen der Wirtschaftswissenschaften: What makes a good Economist? Und: What are the challenges for the next Generation? Zum anderen verlangen diese Fragen das Einbringen der Sichtweisen beider Generationen: Die Nobelpreisträger verfügen zwar über umfangreiche Erfahrungen, die zur Vorhersage künftiger Herausforderungen genutzt werden können, doch die Gestaltung dieser Zukunft liegt in den Händen der Nachwuchsökonomen. Damit wird ein Diskurs notwendig – nur wenn sich beide Generationen zuhören und die Meinungen des jeweils anderen als Inspiration nutzen, kann gemeinsam eine vielversprechende Zukunftsvision der Ökonomie geschaffen werden. In diesem Sinne freue mich auf fruchtvolle Diskussionen, anregende Vorträge und kontroverse Nachgespräche bei den Lindauer Nobelpreistagungen – nachzulesen in diesem Blog!

Fabiola Gerpott

Fabiola H. Gerpott, Lindau Alumna 2014, was a participant at the 5th Lindau Meeting on Economic Sciences. She currently holds the Chair of Leadership at the WHU – Otto Beisheim School of Management. Her research focuses on leadership, diversity, and social interdependence in economic games and beyond. In her spare time she loves riding her racing bike.