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Veröffentlicht 21. Juni 2014 von Wolfgang Huang

Umweltfreundliche Tagungen: Per aspera ad astra

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Inspiriert vom Motto der letztjährigen Tagung und ihrem leidenschaftlichen Abschlusspanel zum Thema Green Chemistry fassten wir vor knapp einem Jahr den Beschluss, dass wir bei den kommenden Tagungen den Gedanken der Umweltfreundlichkeit stärker berücksichtigen wollten.

Natürlich gibt es viele gute Gründe, sich Gedanken darüber zu machen, wie man eine Tagung umweltfreundlicher gestalten kann – das (allzu) vielgenutzte Schlagwort lautet „Nachhaltigkeit“. Die Geschichte der Lindauer Tagungen bietet allerdings alleine schon genügend Anlass und Inspiration. 1961 initiierte Graf Lennart Bernadotte, spiritus rector der Tagungen, die Grüne Charta der Mainau. 1970 stand die Lindauer Nobelpreisträgertagung unter dem Motto „Umweltwschutz“, und 1971 hielt Willy Brandt, deutscher Kanzler und Friedensnobelpreisträger eine vielbeachtete Rede zum Thema „Umweltschutz als internationale Aufgabe“ in Lindau. Seither hat das Thema die Tagungen begleitet.

 

Schritt 1: Gründe einen Arbeitskreis

Also begannen wir, einen Aktionsplan zu erstellen – und wie so oft sind die Ergebnisse solcher Pläne erschreckend. In diesem Fall zeigte er vor allem Unmengen an Handlungsbedarf, und schnell wurde klar, dass man umweltfreundliche Tagungen nicht mal eben per Beschluss und mit einer Handvoll Maßnahmen realisiert. Der Plan machte deutlich: Das Thema und die konkrete Umsetzung würden uns noch eine ganze Weile begleiten.

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Besonderer Dank gebührt an diese Stelle übrigens meiner Kollegin Katja, die die allermeisten Punkte des Aktionsplans akribisch zusammengetragen hat.

 

Schritt 2: Problem erkannt, Lösung unklar

Umweltfreundliche Tagungen sind in sich eine Art Paradoxon, weil allein das Abhalten einer Tagung bedeutend umwelt-unfreundlicher ist, als das Nicht-Abhalten einer Tagung. Und es zeigen sich noch andere Probleme. Ein paar Beispiele:

  • Wenn man 600 Nachwuchswissenschaftler, fast 40 Nobelpreisträger, über 100 Journalisten und zahlreiche Gäste für eine Tagung einfliegt, entsteht alleine bereits dadurch eine enorme Umweltbelastung, Stichwort CO2. Was tun? Zunächst: Die Anreise der Teilnehmer können wir nicht steuern, bestenfalls können wir sie minimal beeinflussen. Eine Bahnreise wäre natürlich umweltfreundlicher als eine Flugreise – aber es ist dann doch arg mühsam, aus Australien mit der Bahn anzureisen. Bestimmte Flugzeutypen und Fluggesellschaften sind umweltfreundlicher als andere, aber in der Realität hat man doch nur wenig Einflussmöglichkeiten darauf, denn die zur Verfügung stehenden Verbindungen sind meist vorgegeben. Letztlich lässt sich die anfallende Umweltbelastung bestenfalls moderat reduzieren. Eine Möglichkeit gibt es aber: Kompensation von CO2-Ausstoß. Dazu später mehr.
  • Knifflige Fragen stellen sich bei vielen Entscheidungen: Beispielsweise hatten wir die Idee, keine gedruckten Pressemappen mehr zu produzieren, sondern das Material auf USB-Sticks anzubieten. Was die Frage aufwirft, ob ein USB-Stick nun umweltfreundlicher ist als 100 Seiten Papier. Eindeutige Antworten darauf sind kaum zu finden, und sie würden zudem erfordern, dass man die Produktionsbedingungen genau kennt. Also beschlossen wir, keine USB-Sticks auszugeben, sondern das Material nur online zum Download anzubieten. Aber auch ein Online-Angebot verbraucht Strom, hat anteilige Produktionskosten für die benötigten Geräte, etc. Ist das nun umweltfreundlicher als 100 Seiten Papier? Letztlich wissen wir es nicht – wir hoffen es.
  • Mein Lieblingsbeispiel: Wir haben lange darüber diskutiert, ob die Teilnehmer einen Schreibblock und einen Stift bekommen sollen. Eigentlich unnötig: Jeder Mensch besitzt so etwas selbst, und wer regelmäßig Konferenzen besucht, hat mehr als genug davon. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann ich den letzten Kugelschreiber gekauft habe. Wenn man aber darauf verzichtet, dann würden theoretisch alle ihre eigenen Stifte und Blöcke mitbringen müssen. Der Bedarf verschwindet ja nicht. Zudem müsste das ganze Material auch noch die Flugreise mitmachen. Wahrscheinlich ist es also umweltfreundlicher, entsprechende Materialien vor Ort auszugeben (und zuvor unter kontrollierten Bedingungen produzieren zu lassen).
  • Thema Kosten: In den meisten Fällen kosten umweltfreundlich produzierte Materialien mehr. Wir sind überzeugt davon, dass diese Investitionen grundsätzlich Sinn machen. Aber: a) Trotz allem kann man nur das Geld ausgeben, das man hat, und b) hinsichtlich der Art und Weise, wie sich die Tagungen finanzieren, ergeben sich hier zusätzliche Probleme. Die Lindauer Tagungen sind weitestgehend aus Fördermitteln, viele davon der öffentlichen Hand, Spenden und Sachspenden finanziert und realisiert. In den meisten Fällen gibt es Förderrichtlinien, und die enthalten oftmals zwei Bestimmungen, die nicht unproblematisch sind: Zum einen müssen viele Leistungen ausgeschrieben und aus den Angeboten das günstigste ausgewählt werden. Zum anderen werden oftmals nur „notwendige“ Ausgaben gefördert, und wenn man „nicht notwendige“ Ausgaben tätigt, können die Förderungen gekürzt werden. Wenn wir also beispielsweise nur zertifizierte Biozutaten für unser Speisenangebot zulassen, sind die Mehrkosten dann eine „notwendige“ Ausgabe? Auch wenn man selbst dem sofort zustimmen würde, ist nicht gewährleistet, dass der Sachbearbeiter bei der Belegprüfung das auch so sieht. An dieser Stelle besteht noch viel Diskussions- und Klärungsbedarf.
  • Thema Sachspenden: Die Lindauer Tagungen dürfen sich glücklich schätzen, viele engagierte Förderer zu haben, welche die Tagungen mit Sachspenden unterstützen. Das betrifft in diesem Jahr zum Beispiel die Auto-Shuttle-Flotte für den Transport der Nobelpreisträger, das Internet-Zelt inklusive Technik und Leitungen, die Tagungstaschen, das Mineralwasser, die Bootsfahrt auf die Mainau, und vieles andere mehr. Auch hier ist es nicht immer möglich, die Umweltfreundlichkeit der verwendeten Produkte oder angebotenen Dienstleistungen unmittelbar zu beeinflussen. Aber um ein Beispiel zu nennen: Die Volkswagen Group wird in diesem Jahr ausschließlich Hybrid-Fahrzeuge für die Shuttles einsetzen, und für die Zukunft hoffen wir auf den verstärkten Einsatz von elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Da der Stadtwerke-Strom in Lindau nahezu vollständig aus Wasserkraft gewonnen wird, dürfte das ein Gewinn für die Umweltbilanz werden.

Schritt 3: Die größten Brocken erledigen

CO2-Kompensation

Tatsächlich sind die Flugreisen in der Gesamtschau der größte Belastungsfaktor. Sofern man nicht auf Flugreisen verzichten kann, besteht die Möglichkeit der CO2-Kompensation. Dabei wird individuell errechnet, wieviel CO2 ein Flug erzeugt. Um diesen Co2-Ausstoß zu kompensieren, werden Maßnahmen gefördert, die an anderer Stelle CO2 einsparen, zum Beispiel der Bau umweltfreundlicher Kraftwerke. Das leisten wir natürlich nicht selbst, sondern wir greifen auf atmosfair zurück, einen der besten und vertrauenswürdigsten Anbieter in diesem Segment. Wer genauer wissen möchte, wie die Kompensation funktioniert, findet auf der Website von atmosfair zahlreiche Hintergrundinformationen.

Flugreisen betreffen betreffen hauptsächlich die teilnehmenden Nachwuchswissenschaftler und Nobelpreisträger. Dazu kommen weitere Teilnehmer, Dienstleister, sowie die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und die Mitglieder des Kuratoriums und der Stiftung.

Da die Reiseorganisation der Nachwuchswissenschaftler in den Händen der Teilnehmer selbst liegt, haben wir sie gebeten, auf freiwilliger Basis eine Kompensationszahlung in Betracht zu ziehen. Die Höhe der Zahlung hängt von vielen Faktoren ab, aber hauptsächlich natürlich von der Länge des Fluges. Kurze innereuropäische Flüge starten bei ca. 5 €, aber ein Langstreckenflug nach Australien kann auch bis zu 300 € kosten. Natürlich geschah die Zahlung auf freiwilliger Basis, und es war auch möglich, einen niedrigeren als den errechneten Betrag zu spenden. Wir werden nach der Tagung von atmosfair eine Auswertung über die Höhe der Zahlungen erhalten, und dann darüber berichten. Wer noch nicht gespendet hat, dies aber nachholen möchte, kann das hier tun:

Die Flüge der Preisträger werden wir gegenwärtig noch nicht kompensieren können: Die errechneten Kosten dafür liegen bei 30.000 bis 40.000 €, und diese Mittel stehen uns schlicht nicht zur Verfügung. Wir haben aber vorgesehen, die Flüge von Mitarbeitern der Geschäftsstelle sowie von Mitgliedern von Kuratorium und Geschäftsstelle zu kompensieren.

Drucksachen

Alle unsere Drucksachen werden auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Das hauptsächlich verwendete Papier Munken Lynx ist ein besonders umweltfreundliches Papier mit FSC-C022692 und PEFC-Zertifizierung. Zudem erwerben wir für die meisten Drucksachen zusätzliche CO2-Kompensations-Zertifikate. Auch haben wir die Auflagenhöhe für viele Produkte deutlich reduziert – hoffen wir, dass es trotzdem reicht. 🙂

Tagungstasche

Auf eine Anregung von Prof. Michael Braungart, Teilnehmer der Abschlussdiskussion im letzten Jahr, gehen die Änderungen bei den Tagungstaschen zurück. Ab der 5. Ökonomie-Tagung (also leider noch nicht für die anstehende Medizin-Tagung) verwenden wir neue, eigens für uns produzierte Tagungstaschen, die aus recyceltem, recycelbarem Plastikgewebe bestehen, und die unter fairen Bedingungen (SEDEX-zertifiziert) produziert wurden.

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Catering

Eigentlich keine Neuerung: Bereits bisher haben wir auf Zutaten überwiegend aus regionaler Produktion geachtet, und teilweise auch auf Bio-Lebensmittel. Neu in diesem Jahr ist das durchgängige Angebot eines vollwertigen vegetarischen Gerichts. Und wer auf vegane Ernährung Wert legt: Die bieten wir auf Nachfrage hin auch an.

eBikes

In einer Art Feldversuch testen wir in diesem Jahr erstmals eBikes. Etwa 70 Fahrräder stellt uns die Robert Bosch GmbH dafür zur Verfügung. Zwar mag ein eBike insbesondere in der Produktion weniger umweltfreundlich sein als ein normales Fahrrad (vor allem wegen des Akkus), aber den Vergleich mit einem Auto gewinnt ein eBike allemal. Insofern ist ihr Einsatz auch ein Statement für die Möglichkeit des Downsizings, und vielleicht ein kleiner Beitrag zur Debatte um urbane Mobilität.

 

FSC-C022692 and PEFC
FSC-C022692 and PEFC

Schritt 4: An den Details arbeiten und langen Atem beweisen

Zugegeben: Wir haben nicht alles umsetzen können, was wir gerne umgesetzt hätten – aber die Liste war wie erwähnt auch ganz schön lang. Aber wir werden dran bleiben und für die zukünftigen Tagungen weiter an den Details und den unerledigten Punkten arbeiten. Über entsprechende Vorschläge freuen wir uns natürlich.

 

Wolfgang Huang

Director of the Executive Secretariat of the Council for the Lindau Nobel Laureate Meetings