BLOG

Published 26 June 2015 by Andreas Schopf

Teaching Spirit 2015: “Ich will die Welt in die Schule holen.”

Wie in den vergangenen Jahren sind bei der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung auch Lehrer vertreten. “Teaching-Spirit”-Teilnehmerin Dr. Annette Bös im Interview über ihre Leidenschaft fürs Unterrichten.

Große Wissenschaftskarrieren beginnen nicht erst an der Universität, sondern bereits in der Schule. In der Regel entscheidet sich hier, wer sich für Naturwissenschaften begeistern kann und wer das Talent zum Forscher hat. Einen entscheidenden Anteil an der Ausbildung der jungen Wissenschaftler haben Lehrer. Deshalb nehmen auch in diesem Jahr im Rahmen des Programmes „Teaching Spirit“ 38 Lehrer aus der Bodenseeregion an der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung teil. Hier treffen sie auf 65 Nobelpreisträger sowie auf rund 650 der besten Nachwuchswissenschaftler aus fast 90 Ländern.

Eine der teilnehmenden Lehrkräfte ist Dr. Annette Bös. Die studierte Biologin und promovierte Sportwissenschaftlerin unterrichtet Biologie, Sport, Ethik sowie Naturwissenschaft und Technik am Spohn-Gymnasium in Ravensburg. In Lindau wird sie Vorträge von Nobelpreisträgern besuchen und einige der Laureaten bei einem Mittagessen auch persönlich kennenlernen. Im Interview spricht sie über ihre Leidenschaft zum Unterrichten, die Motivation ihrer Schüler für Wissenschaft und Forschung und die bevorstehende Begegnung mit Nobelpreisträgern.

 

Frau Bös, wann wussten Sie, dass Lehrerin Ihr Traumberuf ist?

Bös: Das hat lange gebraucht. Während meiner Promotion bin ich aushilfsweise als Sportlehrerin eingesprungen. Ich hatte noch wenig Wissen von Didaktik und Methodik, aber es hat mir unglaublichen Spaß gemacht. Ab da wusste ich: Das ist genau das, was ich machen möchte. Junge Menschen motivieren, Potentiale erkennen und Wissen vermitteln – deshalb bin ich von der Uni direkt wieder zurück in die Schule.

2015-06-10 14.07.35
Gerade Naturwissenschaften lassen sich am besten durch praktische Versuche vermitteln. Foto: Annette Bös.

Ändert Ihre wissenschaftliche Karriere etwas an Ihrer Art, zu unterrichten?

Bös: Ich will den Schülern begreifbar machen, dass Forschung lebendig ist. Das, was sie in Schulbüchern lernen, ist nicht in Stein gemeißelt. Manche Hypothesen können in zehn Jahren schon nicht mehr aktuell sein. Außerdem versuche ich, ein vernetztes Denken zu vermitteln. Viele Schüler glauben etwa, dass sie nichts mit Chemie zu tun haben, wenn sie das Fach Biologie belegen. Dieses Schubladendenken ist heutzutage nicht mehr möglich. Die Interdisziplinarität wird immer wichtiger.

 

Welchen Stellenwert hat Wissenschaft und Forschung für Ihren Unterricht?

Bös: Ich versuche immer, auf dem neuesten Stand der Forschung zu sein und regelmäßig aktuelle Themen aus der Wissenschaft miteinzubauen. Beispielsweise bespreche ich jedes Jahr den Hintergrund des Medizin-Nobelpreises. Zudem möchte ich wissenschaftliche Inhalte durch Exkursionen erlebbar machen. Mit meinen Klassen gehe ich etwa in Labore, Universitäten oder Kliniken.

 

Haben Sie den Eindruck, dass Sie die Schüler dadurch für Naturwissenschaften begeistern können?

Bös: Das größte Interesse wecken erlebbare Themen, die dem Alltag entspringen, etwa was bei bestimmten Krankheiten im Körper passiert. Hier passen die Schüler am besten auf. Ansonsten merken die Jugendlichen selbst, ob sie sich für wissenschaftliche Themen interessieren oder nicht. Wenn jemand Spaß daran hat, wird er sich aus eigenem Interesse weiter damit beschäftigen. Die, die Probleme mit Naturwissenschaften haben, versuche ich vor allem auf persönlicher Ebene zu motivieren. Grundsätzlich möchte ich Schüler nicht bevormunden, sie sollen selbst Lösungen finden und sich einen „aha“-Effekt erarbeiten. So lässt sich das Wissen am besten langfristig verankern. Was ich ihnen außerdem mit auf den Weg gebe: Studiert nichts, nur weil es gerade im Trend ist.

 

In Lindau nehmen Sie am Programm “Teaching Spirit” teil. Was ist Ihr ganz persönlicher “Teaching Spirit”?

Bös: Ich will nicht einfach nur Wissen vermitteln, ich will lebendigen Unterricht, die Welt in die Schule holen und die Schule der Welt nahe bringen. Der Wissenstransfer sollte in beide Richtungen erfolgen. Wir lernen gegenseitig voneinander, ich auch von und durch meine Schüler.

teachingSpirit2015_post1
Annette Bös mit einigen Schülerinnen. Foto: Annette Bös.

 

Welche Motivation haben Sie für die Teilnahme an der Lindauer Nobelpreisträgertagung?

Bös: Ich freue mich darauf, Menschen kennenzulernen, die aktiv in der Forschung sind. Von ihnen möchte ich dazulernen und meinen eigenen Horizont erweitern. Gespannt bin ich vor allem auf den Vortrag von Susumu Tonegawa, der die Funktionsweise des Immunsystems erforscht hat. Dieser Bereich hat mich schon immer besonders fasziniert.

 

Bei einem gemeinsamen Mittagessen werden Sie Nobelpreisträger persönlich kennenlernen. Was möchten Sie im Gespräch mit diesen herausragenden Wissenschaftlern in Erfahrung bringen?

Bös: Mich interessiert, was Wissen mit Menschen macht. Für mich selbst bedeutet Bildung Freiheit, das versuche ich auch immer meinen Schülern zu vermitteln. Ich bin gespannt, was Nobelpreisträgern Wissen bedeutet und inwieweit es ihr Handeln beeinflusst. Außerdem möchte ich fragen, wie sich ihr Leben durch den Nobelpreis verändert hat.

 

Das Teaching-Spirit-Programm, an dem Dr. Annette Bös teilnehmen wird, findet am 1. Juli im Rahmen der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung statt. 38 Lehrer aus der Bodenseeregion werden an diesem Tag Vorträge von Nobelpreisträgern verfolgen, einige von ihnen bei einem gemeinsamen Mittagessen kennenlernen und einen Workshop des IPN – Leibnitz-Instituts für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik besuchen.

Andreas Schopf

Andreas Schopf is a graduated journalist and supports the communications department of the Lindau Nobel Laureate Meetings as an intern.