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Published 30 June 2011

Quallen ärgern für die Medizin – Roger Y. Tsien

Es mag auf den ersten Blick vermessen erscheinen, sich mit Charles Darwin zu vergleichen, aber Roger Tsien findet eine Parallele zumindest bemerkenswert: Wie Darwin sei er der jüngste Bruder in der Familie und habe so eine Neigung zur Rebellion erworben, dazu, neue Wege zu gehen und an unerwarteten Orten anzukommen. Der aus einer Ingenieursfamilie stammende Tsien begann seine Laufbahn 1976 in der organischen Chemie. Der Rest ist Geschichte.

Täter: Roger Y. Tsien. Bild: Swedish Academy of Science

Tsien entdeckte in den 80er Jahren Green Fluorescent Protein, das ihm nicht nur eine intensive Beziehung zu Quallen einbrachte (was die dazu sagen ist nicht überliefert), sondern letztendlich auch den Nobelpreis. Im Gegensatz zu einigen anderen Laureaten weiß er, was er seinem Publikum schuldet und hat sich in diesem Vortrag ausgiebig möglichen medizinischen Anwendungen seiner Entdeckung gewidmet. Den Höhepunkt bildete das Video eines Tumors, gefärbt mit einem grünen Fluoreszenzmarker, direkt neben einem Nervenstrang den der Operateur blau gekennzeichnet hatte. Das Konzept ist bestechend: Unter normalem Licht sind Tumor und gesundes Gewebe kaum voneinander zu unterscheiden und die Gefahr ist groß, Wichtiges zu beschädigen. Bestrahlt man das Operationsgebiet allerdings mit UV-Licht, erstrahlen die unterschiedlichen Zelltypen in ihren Markierungsfarben und zuvor unsichtbare Strukturen sind deutlich sichtbar.

 

Opfer: Aequorea victoria. Bild: Sierra Blakely

In anderen Bereichen haben sich die fluoreszierenden Marker längst etabliert, zum Beispiel mit anderen Enzymen gekoppelt, so dass sie nur dann fluoreszieren, wenn der Bindungspartner des angehängten Proteins vorhanden ist – so dass die Bereiche der Zelle leuchten, in denen besonders viel eines gesuchten Stoffes – in Tsiens frühen Arbeiten Calcium – vorhanden ist. Was in Zellen funktioniert, soll dereinst auch in Patienten helfen, Krankheiten zu entschlüsseln. Bereits heute gibt es eine Reihe Techniken, mit denen man innerhalb des Körpers funktionelle Differenzen mit Fluoreszenzmarkern aufdecken kann. Das Operationsvideo ist das beste Zeugnis davon.

Doch das ist noch weitgehend Zukunftsmusik, derzeit kommen die fluoreszierenden Proteine überwiegend in der Grundlagenforschung zum Einsatz, während Wissenschaftler kontinuierlich Verfahren verbessern und neue Einsatzgebiete erschließen. Dazu gehören auch Proteine, die in sehr unterschiedlichen Farben fluoreszieren. Besonders angetan haben es Tsien die roten Farbstoffe, hat er doch nach eigener Aussage jahrelang darunter gelitten, dass seine Quallen nur gelb-grünes Leuchten produzieren.

Erst Jahre später fanden russische Forscher ein rotes Fluoreszenzprotein – nicht in Quallen, sondern in Korallen. Dank dieser Entdeckung gibt es inzwischen Fluoreszenzmarker in allen Farben des Regenbogens, und man möchte die abschließende Bemerkung Tsiens umkehren: Diese Proteine sind nicht nur nützlich, sondern auch schön.