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Veröffentlicht 6. Juli 2012

Ein Rezept für wissenschaftlichen Fortschritt

Die Nobelpreisträger hier in Lindau haben alle ihr jeweiliges Forschungsgebiet maßgeblich voran gebracht. Sie haben neue, teilweise revolutionäre Entdeckungen gemacht. Und eine Frage, die sich viele der jungen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hier im Publikum sicherlich insgeheim stellen ist: Wie haben die das hinbekommen? Wie schafft es man, in der Forschung so erfolgreich zu sein wie die Nobelpreisträger? An einer Antwort auf diese Frage versuchte sich am Mittwoch Douglas Osheroff.

Osheroff arbeitet in der Tieftemperaturphysik. Dabei entdeckte er die „Suprafluidität“, also den Zustand, bei dem eine Flüssigkeit bei tiefen Temperaturen ohne jede Reibung zu fließen beginnt. Für diese Leistung wurde er 1996 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Sein „großer Held“ ist Heike Kamerlingh Onnes, der ebenfalls Tieftemperaturphysiker war, ebenfalls ein neuen Effekt bei sehr tiefen Temperaturen entdeckt – die Supraleitfähigkeit – und im Jahr 1913 ebenfalls einen Nobelpreis für Physik bekam.

Anhand der Arbeit von Onnes listet Osheroff die Punkte auf, die seiner Meinung nach wichtig sind, wenn man eine wichtige Entdeckung machen will:

  • Immer die besten Instrumente verwenden.
  • Nicht jedes Instrument und jede Technik neu erfinden, sondern sich so viel der existierenden Techniken borgen, wie man kann.
  • Dort forschen, wo noch keiner bisher geforscht hat.
  • Subtile Abweichungen zwischen Theorie und Experiment beachten und nicht einfach ignorieren.

Der letzte Punkt ist besonders wichtig. Osheroff weist extra darauf hin, dass die Entdeckungen die unsere Sicht auf die Welt am stärksten verändern, auch die sind, die nicht vorhergesehen werden. Man weiß also vorher nicht, was man entdecken wird, oder ob man überhaupt eine neue Entdeckung macht. Man muss also auf alles achten, was irgendwie außergewöhnlich ist. Im Fall von Onnes war das das verflüssigte Helium, das bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunktes plötzlich nicht mehr brodelte, weil hier die Supraleitfähigkeit einsetzt – aber das wusste man damals noch nicht.

Einen weiteren wichtigen Punkt demonstrierte Osheroff am Beispiel der Nobelpreisträger Arno Penzias und Robert Wilson:

  • Verstehe, was dein Instrument misst!

Penzias und Wilson wollten eigentlich die Signale von Telekommunikationssatelliten empfangen. Dazu mussten sie im Jahr 1963 aber erstmal ihre Radioantenne vernünftig einstellen und alle Störgeräusche eliminieren. Das klappte aber nicht. Ein schwaches Rauschen wollte einfach nicht verschwinden. Das hätte man ignorieren können. Aber Penzias und Wilson wollten wissen, was ihr Instrument da tut und am Ende entdeckten sie die kosmische Hintergrundstrahlung.

Die Hinweise von Osheroff klingen simpel. Aber in der Praxis werden sie nicht immer leicht umzusetzen sein. Vor allem die Forderung, immer die besten Instrumente zu verwenden, kollidiert in der Realität oft mit finanziellen Einsparungen und knappen Budgets. Ein Vorschlag von Osheroff lässt sich aber leicht umsetzen. Am Ende seines Vortrags weist er darauf hin, dass wissenschaftlicher Fortschritt heute nicht mehr alleine gemacht wird. Wer große Entdeckungen machen will, sollte seine Ergebnisse und seine Überlegungen daher unbedingt mit dem Rest der wissenschaftlichen Gemeinschaft teilen. Die Konferenz hier in Lindau ist dafür ein guter Platz…