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Published 6 July 2010 by

Ein Interview mit Robert Horvitz (Teil II) – Krankheiten und das Internet

Den zweiten Teil des Interviews mit Robert Horvitz (hier Teil I) führte der ägyptische Journalist Ashraf Amin, der uns ein Transkript erlaubt. (1)

In der Region aus der ich komme, gibt es immer weniger Menschen, die in die Naturwissenschaften oder in die Mathematik gehen. Welchen Ratschlag geben Sie Entscheidungsträgern, wie sie das Interesse an Mathematik und den Naturwissenschaften bei den jungen Leuten stärken können?

Für Mathematik und die anderen Naturwissenschaften im Allgemeinen ist es wichtig, dass man Menschen so früh wie möglich dafür begeistert.

Ich glaube eigentlich, dass selbst dieses Statement etwas irreführend ist. Denn eigentlich sind alle jungen Menschen von Grund auf begeistert für diese Dinge. Was dann passiert ist, dass die Gesellschaft diese Begeisterung dämpft. Was wir also als Minimum erreichen müssen ist, dass diese Begeisterung weniger gedämpft wird. Und im Idealfall wollen wir in diesen Menschen Enthusiasmus erzeugen. Das heisst Lehrer, Fernsehsendungen, auf Portalen wie YouTube, in Museen und überhaupt alle Quellen müssen dafür sorgen, dass Kinder begeistert werden. Aber auch Teenager müssen begeistert werden und ihre Begeisterung mit anderen teilen. Und Highschool-Schülern sollte es nicht peinlich sein, sich für Wissenschaft zu interessieren.

Dieser Prozess muss auf 2 Ebenen stattfinden. Erstens für jene Schüler und Studenten die schon interessiert sind. Diese sollten Chancen bekommen. Ich selbst bin in internationalen Science Fairs engagiert, so arbeite ich etwa mit den International Science & Engineering Fairs (ISEF) zusammen. Mittlerweile nehmen 59 Länder daran teil. Und ich hoffe, dass dies auch Schüler aus Ägypten ermutigt, daran teilzunehmen und so auch ihre Freunde dafür begeistern können.

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs, die nur einige Leute betreffen wird. Viel wichtiger ist es die Kinder einzubinden und weiterzubilden. Wie dies erreicht werden kann, egal ob in den USA oder in Ägypten, wird zur Zeit heiss diskutiert. Die Gruppe mit der ich zusammen diese Science Fairs organisiere gibt seit 1929 auch eine Zeitschrift namens “Science News” heraus. Aber unsere Leser werden immer Älter. Und das einfach weil junge Menschen keine Zeitschriften mehr lesen und alle ihre Informationen, die sie benötigen, und Nachrichten im Internet finden.

Wenn wir also einen Weg finden wollen junge Menschen für Wissenschaft zu begeistern, dann müssen wir ins Internet und das auf eine Art und Weise, die jungen Menschen gefällt. Das ist das Problem, das wir lösen müssen und dann wird es fast ein Selbstläufer.

Denn jeder 12-Jährige, der heutzutage etwas spannendes entdeckt, wird über das Internet all seine Freunde darüber informieren. Also müssen wir nur diesen ersten Schwellenwert überschreiten und ab da startet eine Art Katalyse. Wir haben nun die Aufgabe zu schauen wie man das schafft.

Sie haben in ihrem Vortrag Grundlagenforschung und deren Wichtigkeit als treibende Kraft für die Biomedizin angesprochen. Wie könnte man so etwas vorantreiben? Besonders in anderen Ländern, die finanziell nicht so gut ausgestattet sind?

Ich denke Entdeckungen in den Wissenschaften sind per Definition, in ihrer Eigenschaft als Entdeckung, zunächst unerwartet. Deshalb kommen die größten Entdeckungen und größten Durchbrüche auch von Wissenschaftlern, die Unbekanntes in einer radikalen Art erforschen; die Fragen stellen, die vorher nie gefragt wurden.

Wenn man nur an die moderne Welt denkt und an all die modernen Dinge, die uns umgeben: Alles davon basiert auf wissenschaftlichem Wissen, das von Personen entdeckt wurde, die nie praktische Anwendungen im Kopf hatten. Deshalb glaube ich, dass Grundlagenforschung elementar für die Welt ist. Wie man diese Forschung betreiben soll, bleibt kompliziert. Gerade in verschiedenen Ländern, mit ihren diversen Problemen und unterschiedlichen Budgets. Meiner Meinung nach, haben reichere Länder die Verantwortung, Grundlagenforschung in all ihrer Breite zu ermöglichen. Denn diese Forschung kann nicht nur ein Motor für die Wirtschaft sein, sondern darüber hinaus positive Effekte für die Bevölkerung haben.

Bei Ländern mit knappen finanziellen Möglichkeiten könnte man auf den ersten Blick vielleicht argumentieren: Überlasst die Grundlagenforschung den reichen Ländern und betreibt nur angewandte Wissenschaften in den Bereichen, die euer Land betreffen. Es könnte ein Körnchen Wahrheit darin liegen. Doch ich glaube, dass diese Vorstellung naiv ist. Denn auch um wirklich gute, angewandte Forschung zu betreiben, müssen die allgemeinen Rahmenbedingungen ausreichend fortgeschritten sein. Man muss wissen, was gute Wissenschaft ist. Man muss wissen, welche Techniken aktuell die besten sind. Man muss allgemein wissen, was die Fragen sind, die man stellen muss. Und wie man Experimente am besten aufbaut. Insgesamt aber muss man wissen, was der beste Weg ist, um sein Ziel zu erreichen.

In diesem Sinne sollten Länder mit begrenzten Finanzen ein definiertes Portolio an Wissenschaften in ihrem jeweiligen Land fördern und dazu zählt stets die Kombination aus angewandter Forschung und Grundlagenforschung. Nur so kann es eine Kontinuität geben und ein wissenschaftliches Netzwerk entstehen.


In ihrer Biografie habe ich gelesen, dass sie nicht nur für die WHO gearbeitet haben, sondern auch als Berater für private Unternehmen und für den Kongress. Ich komme aus einem Land in dem wir große, gesundheitliche Probleme haben. Zum Beispiel mit Hepatitis C und anderen Krankheiten. Heute gibt es erste Studien zu genetischen Therapien welche von internationalen Konzernen durchgeführt werden und sie stecken ihr Geld vor allem in die Forschungsbereiche, die im Interesse der Märkte der Länder der ersten Welt sind. Sollte es im öffentlichen Interesse sein mit solchen Firmen zusammenzuarbeiten?

Meine Arbeit für die Weltgesundheitsorganisation WHO liegt schon einige Jahre zurück und ich habe vor allem an Tropenkrankheiten geforscht von denen einige von Nematoden hervorgerufen werden, wie beispielsweise die Fluss-Blindheit. Ich bin aber auch an Krankheiten die in Ägypten vorkommen, wie eben Hepatitis C, interessiert. Viele davon basieren auf dem Mechanismus von programmiertem Zelltod und Inflammation. Alles Dinge, die durch Caspasen ausgelöst werden. Dies ist eine Klasse von Proteinen, an deren Entdeckung ich beteiligt war. Daher bin ich neugierig, ob eine Inhibition dieser Proteine auch bei Hepatitis C helfen könnte. Einige Firmen forschen auch schon daran.

Etwas allgemeiner würde ich sagen, dass die Gesundheitsprobleme von Ägypten nur im Zusammenspiel von der Regierung, den Gesundheitsbehörden, privaten Organisationen und den Pharma-Firmen gelöst werden können. Einige der Firmen haben bereits aktive Programme die sich mit «Public Health» weltweit beschäftigen. Besonders im Bereich der Malaria gibt es das, und auch Stiftungen wie die Gates-Stiftung sind dort aktiv. Es läuft auf die Kollaboration von öffentlicher und privater Hand hinaus.

Allerdings muss es für die Firmen auch immer sinnvoll sein, denn diese müssen natürlich in erster Linie Profit machen. Stiftungen wollen vor allem Bereiche finden in denen sie sagen können: “Hier können wir etwas bewegen und uns einen Namen machen”, das ist eben das, was Stiftungen machen.


(1) Ashraf Amin ist Wissenschafts-Journalist für die Zeitung “Al Ahram”. Seine Schwerpunkte – wie aus dem Interview ersichtlich – liegen bei der Grundlagenforschung, Krankheitsbekämpfung in Entwicklungsländern und kulminieren in der Frage, wie man junge Menschen für Wissenschaft begeistern kann.