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Veröffentlicht 30. Juni 2010 von Beatrice Lugger

Die Gooyouwikiwelt des Sir Harold Kroto

Mitten in den Reihen des Lindauer Stadttheaters steht ein Mann mit diesem Indianer Jones Hut und schüttelt Hände, stellt sich vor. Sir Harold Kroto mischt sich vor seiner Vorlesung samt anschließender Diskussion erst einmal ins Publikum, will wissen, wer ihm zuhören wird.

Schließlich beginnt der Entertainer der Naturwissenschaften, Mister Buckball, Aufklärer, Lehrmeister und engagierter Vertreter der Onlinelehre mit einem wie stets berauschenden Vortrag. Wir schwirren mit ihm von 1-3-5-Zahlenspielen, die ein wenig hinter allem stecken könnten – Periodensystem der Elemente oder biologische Strukturen etwa – , über Sinn, Unsinn und Common Sense bis zur Gooyouwikiworld.

Sir Harold Kroto talk June 29

Sir Harold Kroto, der große Entertainer

Natürlich widerspricht Kroto wieder dem Unsinn der Kreationisten. Nein, er widerspricht nicht, er zeigt nur Bilder, hebt dabei die Stimme dezent und das Publikum begreift und lacht. Falsch liegt aber, wer sich nun über die Kreationisten alleine erheben will. Sir Kroto stellt seine Fragen weiter. Etwa ob es sinnvoll sei, überhaupt zu denken, Wahrheiten oder Beweise könnten in Büchern stehen. Er meint damit durchaus die großen, weisen Bücher von der Bibel über die Thora, den Koran, der Scientologenfibel und alle Glaubensformen überhaupt.

Viel besser gefallen ihm da wissenschaftliche Glaubensbekenntnisse und sei es in Form von Tatoos. Kroto hat viele davon fest gehalten und zeigt uns eine Galerie von Tatoos, die chemische Strukturen, physikalische Formeln oder Zeichnungen von Darwin darstellen. Sir Kroto hat sogar unter den Jungwissenschaftlern dieser Lindauer Tagung eine Teilnehmerin, Nicole Ackerman, Physikerin in Stanford, USA, ausgemacht, deren Oberarm die Taylor-Gleichung ziert, dies fotografiert und zeigt es uns – sie sitzt im Publikum. (eine sehr umfangreiche Tattoo-Sammlung hat übrigens Carl Zimmer am Rande seines Blogs)

Schließlich führt Kroto zu den brennenden Themen der Menschheit wie Klimawandel, Umweltverschmutzung, Hunger in der Welt, Tierquälereien, Atombomben, Napalm, Landminen (ja, er lässt kaum etwas aus) und rät den Anwesenden, über diese Themen nicht emotional zu diskutieren, sondern stets Fakten sprechen zu lassen. Statt etwa über den Klimawandel zu streiten, lege man in diesem Sinne etwa einfach die Kurven des Kohlendioxid-Anstiegs und der Erderwärmung nebeneinander.

Nach einigen weiteren Dingen, die Kroto wichtig sind, gelangt er schließlich zum Ziel seiner Reise: Der Gooyouwikiwelt. Das Internet biete DIE neuen Möglichkeiten, Wissen zu teilen und weiterzugeben – dazu zählten Goo(gle) You(tube) Wiki(pedia). Darin liege die Zukunft, weil alle es nutzten. Darüber könnten Wissenschaft, Wissen und Aufklärung in einer noch nie dagewesenen Weise (fast) jederman erreichen. 

Nun ich hoffe, es liegt nicht alles in den Händen dieser großen Websites und zum Glück tut es das auch nicht, wie Krotos eigene langjährige Bemühungen mit dem Science Vega Trust und Geoset zeigen. Über diese Kanäle versuchen er und viele andere Wissen weiterzugeben. Die primäre Zielgruppe sind dabei Lehrer, die diese Materialien entweder im Unterricht nutzen, oder sich so wenigstens informieren können. Und immerhin zeigen anschließende Meldungen aus dem Publikum, dass es durchaus etliche andere derartige Projekte auf diesem Planeten gibt. Unter anderem meldete sich Rike Müller-Werkmeister zu Wort, die Markus Pössel hier ausführlich portraitiert hat.

Was am Ende bleibt, von diesem Vortrag? Nun am Ende fragt eine junge Forscherin:

“Kann es sein, dass man sie komisch anspricht, oder nicht mehr als echten Wissenschaftler betrachtet, weil Sie nicht mehr forschen, sondern lieber diese Projekte machen?”

Krotos trockene Antwort: “Ja, aber das kümmert mich nicht im geringsten.”

 


Mehr zu Sir Harold Kroto:

Video-Interview at Lindau 2009  Competition and Motives

Open Access Media Talk 2009 at Lindau

Ordering the best appetizer platter; Harry Kroto’s many passions (Lindaublog 2009)

Kroto und die Komplexität (Lindaublog 2009)

Beatrice Lugger

Beatrice Lugger is a science journalist and science social media specialist with a background as a chemist. She is Scientific Director of the National Institute for Science Communication, NaWik – nawik.de. @BLugger is her twitter handle, Quantensprung her own blog.