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Veröffentlicht 7. Juli 2014 von Christine Gorman

Was ein Wollknäuel über gesundes Altern verraten kann

Auf der Suche nach objektiven Aussageverfahren zum Gesundheitszustand.

Ärzte kennen eine Vielzahl an Tests, mit denen sie uns beweisen können, wie krank wir sind. Für den Blutdruck oder den Blutzucker gibt es feste Grenzwerte, mit denen wir „Krankheit“ definieren, und es gibt jede menge Biomarker. Aber gibt es auch Maße, die uns zeigen, wie gesund wir sind? Welche Tests kann man anwenden um mit einiger Gewissheit zu sagen: Das ist ein gesunder 60-Jähriger, oder ein gesunder 70- oder 90-Jähriger? Und damit meine ich nicht das Aufzählen aller Krankheiten, die die jeweilige Person NICHT hat.

Diese schon fast philosophische Frage war zwei Tage lang so etwas wie ein roter Faden, der sich durch die Lindauer Nobelpreisträgertagung zog. Es gab zwei Frühstücks-Podiumsdiskussionen zu diesem Thema, beide gesponsert von Mars, dem Süßwaren- und Tierfutterkonzern.

Elizabeth Blackburn (Mitte) veranschaulicht die Lebensspanne des Menschen mit Hilfe eines Wollknäuels © Christian Flemming / Lindau Nobel Laureate Meeting
Elizabeth Blackburn (Mitte) veranschaulicht die Lebensspanne des Menschen mit Hilfe eines Wollknäuels © Christian Flemming / Lindau Nobel Laureate Meeting

„Wenn wir an Biomarker denken, dann fallen uns allen, gemäß unserer Ausbildung, meist Moleküle wie das Cholesterin ein“, sagt Elizabeth Blackburn, die 2009 den Medizin-Nobelpreis mit zwei weiteren Forschern erhielt, und zwar für „die Entdeckung wie Chromosomen durch Telomere und das Enzym Telomerase geschützt werden“. In den vergangenen Jahren ist viel über den Zusammenhang zwischen kürzer werdenden Telomeren und dem Alterungsprozess geforscht worden – dieses Schrumpfen kann entweder als Ursache oder Wirkung definiert werden, je nach Betrachtungsweise.

Aber in Biomarkern steckt auch das Wort „Bio“, meint Blackburn, und dieses Wort umfasst viel mehr als nur Moleküle. Viele praktizierenden Ärzte verwenden zum Beispiel den Indikator „Greifkraft“, um abzuschätzen, wie gebrechlich ein alter Mensch ist. „Und das ist auch ein Biomarker, denn es handelt sich hier um einen messbaren Wert“, so die Molekularbiologin. Allerdings wird dieser Test meist benutzt, um Gebrechlichkeit festzustellen, nicht, um Gesundheit zu attestieren.

Die Länge der Telomere (das sind die Enden der Chromosomen, die aus repetitiver DNA und Proteinen bestehen) wäre ein möglicher Indikator für die Beschreibung eines gesunden Alters. Aber Vorsicht: Es muss noch sehr viel geforscht werden, bevor die Ärzte ihren Patienten Telomer-Tests verschreiben können.

Ein Problem, dem sich die Forscher hier gegenübersehen, ist die Tatsache, dass bei dem tatsächlichen Alter, das ein Mensch erreicht, der Zufall eine gewisse Rolle spielt. Blackburn drückte das anders aus: „Wir müssen eine stochastische Vorstellung von dem Prozess bekommen“. Was sie meint ist schlicht: Manche Dinge im Leben unterliegen dem Zufallsprinzip.

Um zu veranschaulichen, was das heißt, führt Blackburn eine Wurmart an, die häufig in der Altersforschung im Labor eingesetzt wird. „Stellen Sie sich eine Gruppe von C. elegans Würmern vor, alle sind genetisch identisch. Jetzt lassen Sie sie wachsen und stellen dann die Frage: ‚Wann werden sie sterben?‘. Ich kann Ihnen versichern: Die Würmer werden nicht alle am Dienstag in drei Wochen im selben Moment sterben.“ Manche sterben vor diesem Zeitpunkt, manche danach, aber sie sterben bestimmt nicht alle im selben Moment. Aber kein Forscher kann Ihnen voraussagen, welcher dieser Würmer länger leben wird und welcher früher stirbt, dabei haben sie alle die gleichen Gene und haben ihr kurzes Leben unter den gleichen Lebensbedingungen verbracht.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass man die Ergebnisse über bestimmte molekulare Ereignisse im Laufe des Lebens nicht ohne weiteres von Labortieren wie Würmern, Fruchtfliegen, Hefepilzen oder Mäusen auf den Menschen übertragen kann. Darüber hinaus müssen die Forscher die vergleichsweise sagenhafte Länge des menschlichen Lebens bedenken, zumindest verglichen mit den genannten Tieren – Menschen leben ja acht, neun Jahrzehnte, oder länger.

Als nächstes überraschte die australisch-stämmige Forscherin alle Anwesenden mit einem schwarzen Wollknäuel, das sie in den Zuschauerraum warf. Der Anfang des Garns war mit Markierungen versehen, die das maximale Lebensalter von C. elegans, Fruchtfliegen, Hefe-Mutterzellen oder Mäusen anzeigten. Nachdem Blackburn das Knäuel ins Publikum geworfen hatte, ließ sie es reihum weiterwerfen – dadurch wurde der Unterschied zwischen Mäuse- und Menschenalter jedem Anwesenden sofort klar. Sehen Sie selbst im dreiminütigen Video:


Dieser Artikel stammt von der Website Scientific American’s Oberservations, mit freundlicher Genehmigung von Christine Gorman.


Übersetzung: Susanne Dambeck

Christine Gorman

Christine Gorman is a senior editor for Health, Human Biology and Medicine at Scientific American.