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Veröffentlicht 27. November 2015 von Stephanie Hanel

Warum der Klimagipfel in Paris ein Erfolg werden muss

Wir haben ein Grad globale Klimaerwärmung erreicht und an vielen Stellen der Welt sind die Auswirkungen bereits massiv zu spüren. Doch wo genau befinden wir uns? Gibt es Hoffnung, dass sich die große Politik bewegt? Und was hat der Klimawandel mit Bürgerkriegen zu tun?

Zum wissenschaftlichen Hintergrund: Dass die Verbrennung fossiler Energiespeicher, und damit der Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre, im Zusammenhang mit der Erderwärmung steht, ist keine Erkenntnis unseres Jahrhunderts. Der schwedische Physiker und Chemiker Svante August Arrhenius erkannte bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Bedeutung des Kohlendioxids für das Klima der Erde. Die Theorie zum Treibhausgaseffekt des späteren Chemie-Nobelpreisträgers stammt aus dem Jahr 1895. Der Beginn der regelmäßigen Messung wird auf 1957 datiert, als der US-Forscher Charles David Keeling seine Datensammlung begann. Die sogenannte Keeling-Kurve gilt als erster wissenschaftlicher Beleg der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung und damit als Grundlage der weltweiten Klimaforschung. Keelings Messungen wurden mit einer Ausnahme im Jahr 1964 bis heute unausgesetzt fortgeführt. Seit 1988 erfasst ein von der UN eingerichteter Expertenrat, der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), die Forschungsergebnisse tausender Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Neben dem CO2-Ausstoss aufgrund der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas, der für rund zwei Drittel des Klimawandels verantwortlich ist, wird die Erderwärmung vor allem durch die Entwaldung befördert. Bisher waren rund 70 Prozent des insgesamt auf der Erde vorhandenen Kohlenstoffs in Wäldern gespeichert. 20 Prozent der momentanen Treibhausemmissionen gehen auf die Abholzung riesiger Flächen beispielsweise in Südamerika oder Indonesien zurück. Und auch die industrielle Landwirtschaft trägt auf verschiedene Weise ihren Teil zu dieser Negativrechnung bei.

Klimazonen-Prognose
Verschiebung der Klimazonen nach dem Worst-Case-Szenario (A1FI) des IPCC: +2,4 bis 6,4 °C bis 2100 durch starkes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum mit intensivem Verbrauch fossiler Energie, ab 2050 Absenkung der Emissionen durch Verwendung alternativer Energieformen. Die 13 gezeigten Klimazonen entstanden aus der Vereinfachung der effektiven Klimaklassifikation nach Köppen-Geiger. By Ökologix (Own work) CC BY-SA 3.0
Was sind die Folgen? Manche Regionen werden trockener, andere heißer, manche feuchter, Wetterextreme nehmen zu. Starke Regenfälle oder lange Trockenperioden schaden der Landwirtschaft massiv. Durch die Erhöhung der Wassertemperatur entstehen heftigere Stürme, das Schmelzwasser der Gletscher erhöht den Meeresspiegel und Überflutungen häufen sich. Kleinere Inselstaaten werden in der Zukunft komplett untergehen. Laut Klima-Risiko-Index waren Staaten wie Honduras, Myanmar und Vietnam zwischen 1994 und 2013 am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffen.

Das sogenannte Zwei-Grad-Ziel beruht auf wissenschaftlichen Prognosen, die besagen, dass es ab einer globalen Erderwärmung über dieser Marke zu unkalkulierbaren Veränderungen kommt. Befürchtet wird, dass spätestens dann sogenannte Kippelemente im Klimasystem – in Wechselwirkung mit anderen Faktoren – den Klimawandel dramatisch beschleunigen. Als mögliche Kippelemente werden u.a. Eisschilde, Regenwälder, aber auch Meeresströmungen benannt.

Soweit zu den Grundlagen auf denen die weltweiten diplomatischen und umweltpolitischen Bemühungen beruhen. Die Frage, ob das Zwei-Grad-Ziel aufgrund der weiter steigenden CO2-Emissionen überhaupt noch erreichbar ist, beantwortet der Physiker Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sehr nüchtern: „Physikalisch ist das Zwei-Grad-Ziel erreichbar. Ob es wirtschaftlich und politisch erreichbar ist, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, muss die Gesellschaft selbst entscheiden.“

Wie ist nun der Stand bei den Klimakonferenzen? Grundlage ist ein Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen, die sogenannte United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), der sich mittlerweile 195 Mitgliedstaaten verpflichtet haben. Unter diesem Begriff firmiert auch das dazugehörige Sekretariat mit Sitz in Bonn. Alle Mitgliedsländer verpflichten sich, regelmäßig Berichte über ihre aktuellen Treibhausgas-Emissionen zu veröffentlichen und treffen sich jedes Jahr zum ‚Klimagipfel’. Die besondere Bedeutung des nun in Paris anstehenden Gipfels liegt darin, endlich ein verbindliches Klimaziel für jeden der Mitgliedsstaaten festzulegen. Deshalb wurde die Konferenz in diesem Jahr durch mehrere große Zusammenkünfte auf wissenschaftlicher und politischer Ebene vorbereitet. 164 Staaten haben bereits schriftliche Selbstverpflichtungen eingereicht, die aber wohl nicht ausreichen würden, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Außerdem drängen vor allem die am stärksten betroffenen Länder auf ein 1,5 Grad-Ziel.

An gewichtigen Warnungen, dass die Verhandlungen in Paris ein Erfolg werden müssen, fehlt es nicht. Der Weltbank-Bericht von Anfang November stand unter dem bezeichnenden Titel „Shock Waves. Managing the Impacts of Climate Change on Poverty“ und meinte damit, dass wenn nicht schnell gehandelt würde, weitere 100 Millionen Menschen bis zum Jahr 2030 in die Armut abrutschen könnten. Dass der Klimawandel eine weitere Zunahme der Flüchtlingsbewegungen bewirken wird, steht somit außer Frage.

Bei fortgesetzter Erderwärmung würde auch die Austrocknung des Nahen Ostens weiter voranschreiten, was die sozialen und politischen Spannungen dort zusätzlich verstärkt – und im Falle des Syrien-Krieges könnte das laut einer Studie der entscheidende letzte Auslöser gewesen sein. Vorausgegangen war dem Ausbruch des Bürgerkrieges eine extreme Dürre, die zu Landflucht und Verteilungskämpfen in den städtischen Zentren geführt hatte.

Die Aufgabe der Zukunft wird es also sein, durch geeignete Maßnahmen Lebensraum zu retten. Schicksalhafter Weise steht der Gipfel seit den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris unter dramatischen Vorzeichen. Aufgrund der Gefahrenlage wurden sämtliche im Zusammenhang mit der Klimakonferenz stehenden Großveranstaltungen wie Demonstrationen, Konzerte u.a. aus Sicherheitsgründen verboten.

Viele führende Politiker haben sofort nach den Attentaten betont, dass sie sich nicht von einer Teilnahme am Klimagipfel abhalten lassen werden. Das alleine reicht nicht – nun müssen sie auch noch bereit sein, unbequeme Entscheidungen zu treffen.

 


Slider: UN-Flagge, Credit: UN Photo by Mark Garten

Stephanie Hanel

Stephanie Hanel is a journalist and author. Her enthusiasm for the people behind science grew out of her work as an online editor for AcademiaNet, an international portal that publishes profiles of excellent female scientists. She is an interested observer of new communication channels and narrative forms as well as a dedicated social media user and science slam fan.