Veröffentlicht 24. Juni 2014 von Stephanie Hanel
Virtueller Besuch am Institut Pasteur in Paris
Rundgang durch das Labor von „Scientist Activist“ Francoise Barré-Sinoussi
Die NobelLabs 360° gewähren aufschlussreiche Einblicke in den Forschungsalltag von Nobelpreisträgern und ihres gesamten Teams. Die Darstellung ist multimedial: Ein 360-Grad-Panorama mit O-Tönen und vielen Interaktionen ermöglicht es, die verschiedenen Labors und die dort arbeitenden Menschen kennenzulernen. Sich neugierig umzusehen ist hier ausdrücklich erwünscht!
Das neueste Lab, das sich so begehen lässt, ist der Standort der Medizin-Nobelpreisträgerin von 2008: Françoise Barré-Sinoussi. Die französische Virologin ist Leiterin der Abteilung zur Biologie von Retroviren am Institut Pasteur. Mit ihrem Namen verknüpft sich die Entdeckung des HI-Virus als Auslöser von Aids.
Eigentlich ist es ein Privileg, mit auf einen Rundgang durch die verschiedenen Laborräume am Institut Pasteur genommen zu werden – so aber steht es jedem frei. Der Besuch startet auf der Dachterrasse und lässt sich von dort im Safe Lab, in der Cytometrie oder in der Abteilung für Western Blotting fortsetzen. Man sollte sich ein wenig Zeit nehmen, den Blick sich allmählich gewöhnen lassen und dann die O-Töne zuschalten. Da berichtet zum Beispiel Beatrice Jaquelin, Technikerin im Safe Lab, über ihre Arbeit unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, umgeben vom Lärm der Maschinen. Oder Hicham El Costa, ein Mitarbeiter der Abteilung Western Blot, gibt Auskunft, dass sie im Labor mit der Erforschung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV beschäftigt sind. Zudem lassen sich immer wieder Statements der engagierten Chefin abrufen. Sie informiert über Kernfragen der aktuellen Forschung – warum sind beispielsweise Grüne Meerkatzen Träger des Virus, ohne dass die Krankheit bei ihnen ausbricht? Und sie mahnt weitere internationale Anstrengungen an – „we can do better“ – denn Barré-Sinoussi ist nicht nur Forscherin, sondern darüber hinaus in der Aids-Politik aktiv. Seit 2012 ist sie Präsidentin der internationalen AIDS-Gesellschaft, ihr umfangreiches Engagement hat ihr den inoffiziellen Titel „Scientist Activist“ eingebracht, über den sie sich erkennbar freut.
Das Nobel Lab macht deutlich: Signifikante Forschungsergebnisse können heute keine Errungenschaften von Einzelpersonen mehr sein. Für das Verständnis komplexer Systeme braucht es immer ein Team, das die vielen nötigen einzelnen Komponenten zusammenträgt. Gleichzeitig sind aber auch Persönlichkeiten gefragt, die die Absicht und den Forschungswillen in die Welt transportieren. Ob es zeitgemäß ist, Einzelpersonen den berühmtesten aller Forschungspreise zu geben, anstatt Teams beziehungsweise Institutionen auszuzeichnen, ist eine Frage, die immer wieder Anlass zur Debatte bietet. Die Nobel Labs sind eine geeignete Form, wissenschaftliche Leistung als das darzustellen, was sie ausmacht: eine große gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten.
Auf der diesjährigen 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung wird Françoise Barré-Sinoussi über neue Forschungsperspektiven zur Heilung von Aids sprechen. Ihr Vortragstitel lautet: “On the Road Toward an HIV Cure”. Der Besuch ihres Labs ist eine gute Einstimmung darauf. Und der Abschied aus der virtuellen Welt fällt leichter mit dieser Aussicht!
NobelLabs 360° ist ein Projekt der Lindau Nobel Laureate Meetings, das seit 2011 vom Fotografen Volker Steger in Szene gesetzt wird.