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Veröffentlicht 9. April 2015 von Stephanie Hanel

Streiflichter zum Internationalen Jahr des Lichts

Von Sternenparks bis Lichttherapie

Die partielle Sonnenfinsternis am 20. März 2015 erhitzte nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in England die Gemüter – nicht weil alle sie so spektakulär erlebten, sondern weil es Aufruhr an den Schulen gab. Dürfen die Kinder sich dieses Naturschauspiel ansehen, oder dürfen sie nicht, war die Frage. Die von Schule zu Schule unterschiedlich gehandhabt wurde. An einigen Schulen hieß die Antwort „Nein“ – unter großem Unverständnis der wissenschaftlichen Community und informierter Eltern – die Angst vor Lichtschäden an den Augen der Kinder und der Verantwortung dafür war zu groß. Andere Schulen hatten bereits im Vorfeld informiert, das Ereignis sinnvoll organisiert und somit auch ihren Schülerinnen und Schülern ermöglicht, dieses Naturschauspiel „live“ mitzuverfolgen. Naturphänomene sind auch in unserer Zeit anscheinend noch dazu angetan, archaische Schutz- und Fluchtgedanken zu wecken – was nicht per se schlecht ist, aber zeigt, dass Informationsbedarf besteht.

Foto: Alex Mäder, CC BY-NC-SA 2.0
Partielle Sonnenfinsternis in Deutschland, März 2015, Foto: Alex Mäder, CC BY-NC-SA 2.0

Auf der deutschen Website des Jahr des Lichts heißt es : „Licht in der Natur soll im Internationalen Jahr des Lichts das Bewusstsein sowohl für die Schönheit wie auch für die unmittelbare Zugänglichkeit von Wissenschaft durch Aktionen fördern, die zur Beobachtung von Licht und Farben in der Natur ermutigen und diese unterstützen.“ Dabei darf ein spektakuläres Naturphänomen auf keinen Fall fehlen: das Polarlicht. Dank eines geomagnetischen Sturms über den Polgebieten waren kurz vor der Sonnenfinsternis Polarlichter sogar in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu sehen und sorgten in Skandinavien für eine wahre Polarlicht-Orgie.

Polarlicht, Foto: Carsten Frenzl, CC BY 2.0
Polarlicht, Foto: Carsten Frenzl, CC BY 2.0
Polarlicht in Deutschland mit für diese Breiten typischer roter Färbung, März 2015, Foto: Michael Pollak, CC BY 2.0
Polarlicht in Deutschland mit für diese Breiten typischer roter Färbung, März 2015, Foto: Michael Pollak, CC BY 2.0

Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen in der Magnetosphäre hauptsächlich auf Sauerstoff- und Stickstoffatome in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren. Bei der nach kurzer Zeit wieder erfolgenden Rekombination wird Licht ausgesandt. Beobachter heute können sich über diese schöne Erscheinung freuen. Das war allerdings nicht immer so: Im Mittelalter galten Polarlichter in Europa als Vorboten kommenden Unheils – die in den Breiten Mitteleuropas meistens blutrote Farbe der Erscheinung könnte ein Grund für diese Annahme gewesen sein. Gefährdet sind zu Zeiten erhöhter Polarlichtaktiviät allerdings Satelliten und Flugzeuge – aufgrund der elektromagnetischen Felder, die die Elektronik an Bord schädigen können.

„Lichtverschmutzung“ hingegen ist ein relativ neues Schlagwort und ein junges Forschungsgebiet. Es beinhaltet die zunehmende Erhellung des Nachthimmels, die besonders Astronomen beklagen, Veränderung der inneren Uhr beim Menschen, die medizinisch relevant sein können, aber auch den Einfluss auf Pflanzenwachstum, die Vermehrung der einen und den Rückgang anderer Tierarten und damit auch den Einfluss auf ganze Ökosysteme. Unter dem Titel „Verlust der Nacht“ machte sich deshalb auch ein interdisziplinäres Projekt daran, ökologische, gesundheitliche, kulturelle und sozioökonomischen Auswirkungen der zunehmenden Beleuchtung der Nacht zu untersuchen. Auf Grundlage der Ergebnisse werden moderne Beleuchtungskonzepte erarbeitet und sollen nachhaltige Techniken entstehen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Schon eine passendere kegelförmige und somit zielgerichtete Straßenbeleuchtung bedeutet einen großen Fortschritt im Vergleich zu herkömmlicher Beleuchtung. Ein weiterer Schritt wäre sensorgesteuerte Beleuchtung, die nur im Bedarfsfall einsetzt.

Foto: Olli Henze, CC BY-ND 2.0
Foto: Olli Henze, CC BY-ND 2.0

Ergänzt wird das Forschungsprojekt durch eine Smartphone-App (in mittlerweile 11 Sprachen) zur Messung der Lichtverschmutzung, die Freiwillige dazu nutzen können, die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit zu unterstützen: „Wir möchten die Änderung der Himmelshelligkeit über Jahre hinweg verfolgen“, erklärt Dr. Christopher Kyba vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin. „Deshalb wünschen wir uns, dass unsere Mitstreiter die Plätze in den kommenden Jahren erneut aufsuchen und observieren.“ Besonders viele Rückmeldungen kamen bisher aus Deutschland und den USA, aber auch aus Italien, Frankreich, Großbritannien und Asien.  Auch in den USA gibt es ähnliche Bürgerwissenschaftler-Projekte. Astronomen der nationalen Sternwarte in Tucson im US-Bundesstaat Arizona haben die „Globe at Night„- Initiative gestartet – im April 2015 läuft eine aktuelle Mess-Kampagne.

Tatsächlich können die meisten Menschen nur noch einen verschwindend geringen Teil der Sterne am Nachthimmel sehen, die tatsächlich zu beobachten wären. Die großen Städte bilden sogenannte Lichtglocken durch starke Beleuchtung der Zentren, aber auch von Industrieanlagen. Ausgedehnte lichtschwächere Objekte wie beispielsweise die Magellanschen Wolken oder den Orionnebel kennen viele Menschen nicht mehr aus eigener Anschauung. Und das ist auch die Erklärung für die Schließung vieler stadtnaher Sternwarten und die Einrichtung von Schutzzonen rund um große Teleskopanlagen, die sonst keine Zukunft mehr hätten. Für Hobbyastronomen und andere Sterngucker gibt es sogenannte Sternenparks – in Deutschland bisher an drei Standorten: In der Rhön, im West-Havelland und (vorläufig anerkannt) im Naturpark Eifel. Im Sternenpark Gülpe (Naturpark Westhavelland) soll man die Milchstraße noch ohne Streulicht mit bloßem Auge sehen können. In den USA gibt es neben den Dark Sky Parks auch Dark Sky Communities und Dark Sky Reserves und die Sternenparks sind so zahlreich, dass sie noch einmal in drei Kategorien unterteilt werden: Gold, Silber und Bronze.

The Southern Milky Way Above ALMA
Südliche Milchstraße über der Radioteleskopanlage ALMA in der Atacama-Wüste, Chile, ESO/B. Tafreshi/TWAN (www.twanight.org/), CC BY 2.0

Ein medizinisches Phänomen, bei dem Kunstlicht aber hilfreich sein kann, ist die Winterdepression, eine von der Jahreszeit abhängige emotionale Störung. Das Gegenmittel heißt hier Lichttherapie. Zu den für eine Depression typischen Symptomen wie bedrückte Stimmung, Reduzierung des Energieniveaus und Ängstlichkeit kommen atypische Symptome wie Verlängerung der Schlafdauer, Kohlenhydratheißhunger und Gewichtszunahme hinzu. Ursache dafür sind die im Gegensatz zu den Sommermonaten längeren Dunkelphasen, die zu verringerten Serotonin- und erhöhten Melatonin-Werten führen. Während Serotonin stimmungsaufhellend wirkt, wird Melatonin eine depressiogene Wirkung zugeschrieben. In einer Studie aus dem Jahr 2013 vertreten die beteiligten Forscher die Hypothese, dass diese jahreszeitlichen Schwankungen in früheren Zeiten gar keinen Krankheitswert gehabt haben müssen, sondern ganz im Gegenteil zum Überleben der Gruppe beigetragen haben könnten. Denn vermehrter Schlaf und Gewichtszunahme stünden hier für die Schonung und den Aufbau der eigenen Ressourcen. Problematisch wird dieser Mechanismus erst in der modernen Gesellschaft, in der Aktivität unabhängig von der Jahreszeit gefordert wird. Die Lichttherapie kann jeder zuhause mit einer sogenannten Tageslichtlampe durchführen, bevorzugt in den frühen Morgenstunden. Oder – in den nordischen Ländern – die geselligere Variante: Ein Licht-Café besuchen. Die moderne Form gemeinsam dem Licht zu huldigen!

Licht-Café in Stockholm, Schweden, Foto: Martin S Stockholm, Wikimedia
Licht-Café in Stockholm, Schweden, Foto: Martin S Stockholm, Wikimedia

Copyright Slider-Foto: John Fowler, CC BY 2.0

Stephanie Hanel

Stephanie Hanel is a journalist and author. Her enthusiasm for the people behind science grew out of her work as an online editor for AcademiaNet, an international portal that publishes profiles of excellent female scientists. She is an interested observer of new communication channels and narrative forms as well as a dedicated social media user and science slam fan.