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Veröffentlicht 17. Juni 2016 von Marco Zeiger

Spicy Energy Storage: Energiespeicherung mit Kohlenstoffnanozwiebeln

In der allgemeinen Bevölkerung wird Energie normalerweise nicht als fundamentale physikalische Größe definiert, sondern eher kalorisch wahrgenommen. Es ist die Rede vom Energiegehalt der Schokolode gemessen in Kalorien, welche man abends vor dem Fernseher isst. Es ist die Rede von der Energie, welche man nach einem erholsamen Urlaub getankt hat. Doch meistens wird über Energie gesprochen, wenn sie zur Neige geht. Der Akku des Mobiltelefons ist leer, der Akkubohrer bringt keine Leistung mehr oder das Auto muss aufgetankt werden. Es ist selbstverständlich geworden, täglich das Smartphone an der Steckdose einfach wieder aufzuladen. Der benutzte Strom, eine Form von elektrischer Energie, wird in einem Kraftwerk gewonnen und an die einzelnen Haushalte geliefert. Dabei werden jedoch meistens große Mengen an fossilen Energieträgern, wie z.B. Steinkohle verbrannt. Bei der Verbrennung des Kohlenstoffs mit Sauerstoff werden neben der nutzbaren Wärmeenergie auch Kohlenstoffdioxid und andere giftige Stoffe freigesetzt, welche für die globale Erwärmung und den Treibhauseffekt verantwortlich gemacht werden.

Im Zuge der Energiewende sollen nun vermehrt erneuerbare Energieträger nutzbar gemacht werden. Dazu zählen vor allem Wind- und Sonnenenergie. Diese Energieträger liegen uns zwar in unlimitierten Mengen vor, sind aber zeitlich nicht konstant nutzbar. Die Sonne scheint z.B. nur tagsüber und der Wind weht typischerweise im Herbst mehr als im Sommer. Angenommen, man würde ausschließlich Sonnenenergie ohne Zwischenspeicherung nutzen, dann müsste man nach Sonnenuntergang wieder auf Kerzenlicht umsteigen und man könnte sein Mobiltelefon nur am Tag aufladen. Diese zeitlichen Unregelmäßigen in der Energiegewinnung müssen also durch Energiezwischenspeicherung abgefangen werden. Tagsüber wird also ein Teil der Sonnenenergie vom Nutzer verbraucht und der andere Teil mittels Energiespeichern für die Nacht vorgehalten.

 

Ladeverhalten von Batterie und Superkondensator: Superkondensatoren können in Sekunden bis Minuten vollständig geladen werden, wohingegen Batterien bis zu mehrere Stunden benötigen. Im Gegenzug können Batterien weitaus mehr Energie speichern. Graphik: Marco Zeiger.
Ladeverhalten von Batterie und Superkondensator: Superkondensatoren können in Sekunden bis Minuten vollständig geladen werden, wohingegen Batterien bis zu mehrere Stunden benötigen. Im Gegenzug können Batterien weitaus mehr Energie speichern. Graphik: Marco Zeiger.

Im Bereich der elektrochemischen Energiespeicherung haben sich vor allem Batterien, meistens Lithium-Ionen-Batterien als der Standard etabliert. Mit einer relativ hohen Speicherkapazität werden sie heute in den meisten elektrischen Geräten verwendet und sogar für Elektroautos. Dennoch haben Batterien einige Nachteile, wie die relativ geringe Leistung und Langzeitstabilität, welche eine Anwendung zur dynamischen Energiezwischenspeicherung problematisch machen. Geringe Leistung bedeutet, dass Batterien im Vergleich zu anderen Technologien relativ lange Ladezeiten besitzen. Das bedeutet, dass man typischerweise mindestens 30 min warten muss um mit seinem Akkuschrauber die letzten Teile am neu erworbenen Kleiderschrank zu montieren. Und selbst an Stromschnelltankstellen muss man 45 min warten, bis die Fahrt mit modernen Elektroautos weitergeht.

Viel schneller, in nur wenigen Sekunden bis Minuten, können sogenannte Doppelschichtkondensatoren, welche zu den Superkondensatoren zählen, auf- und entladen werden. Diese Technologie beruht im Vergleich zu Batterien auf rein physikalischen Prozessen. Hochporöse Kohlenstoffe, wie z.B. Aktivkohle, werden typischer Weise als Elektroden verwendet. Zwischen den Elektroden befindet sich ein Elektrolyt mit gelösten Ionen (positiv oder negativ geladene Teilchen), im einfachsten Fall Kochsalz (Natriumchlorid-NaCl). Durch eine angelegte Spannung zwischen den Elektroden und die daraus entstehende Ladungstrennung von Na+ und Cl- bilden diese Ionen in den Poren der Aktivkohle eine elektrische Doppelschicht aus, worüber Energie gespeichert werden kann. Dieser Prozess ist im Vergleich zu einer Batterie enorm schnell und kann bis zu 100.000 Mal wiederholt werden ohne merklichen Verlust. Das klingt natürlich zu schön um wahr zu sein und man fragt sich warum Batterien überhaupt der Standard in der heutigen elektrischen Energiespeicherung sind. Das Problem ist die relativ geringe Menge an Energie, die in Doppelschichtkondensatoren gespeichert werden kann. Das heißt einfach ausgedrückt, dass man seinen Akkuschrauber möglicherweise in 2 min Laden, aber dafür auch nur ein paar Minuten benutzen kann. Oder anders ausgedrückt: der Akkuschrauber müsste mit einem rucksackgroßen Doppelschichtspeicher-Modul ausgeliefert werden.

 

Ungeladener (A) und aufgeladener (B) Doppelschichtkondensator mit porösen Kohlenstoffelektroden. Graphik: Marco Zeiger.
Ungeladener (A) und aufgeladener (B) Doppelschichtkondensator mit porösen Kohlenstoffelektroden. Graphik: Marco Zeiger.

Der Idealfall wäre also die Kombination aus einer Batterie und eines Doppelschichtkondensators. Elektrische Geräte könnten in wenigen Minuten aufgeladen werden, verfügen aber dennoch über eine Speicherkapazität von mehreren Stunden. Am Saarbrücker Lehrstuhl für Energie-Materialien und am Leibniz-Institut für Neue Materialien verfolgen wir genau diesen Ansatz, indem wir die Elektrodenmaterialien von Doppelschichtkondensatoren mit denen von Batterien vereinen, sodass wir die Vorteile von beiden nutzen können. Für diese Anwendung haben sich vor allem Kohlenstoffnanomaterialien, im Vergleich zur handelsüblichen Aktivkohle, bewährt. Darunter versteht man Kohlenstoffe, welche in mindestens einer Dimension kleiner als 100 nm sind. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines menschlichen Haares ist etwa 100-1.000 Mal größer. Zu diesen Materialien zählen unter anderem Graphen (eine Lage von Kohlenstoffatomen), Kohlenstoffnanoröhren (zu einer Röhre aufgerolltes Graphen), Fullerene (Graphen zu einer Kugel geformt) und Kohlenstoffnanozwiebeln (Fullerene mit mehreren Schalen).

 

Übersicht über verschiedene Kohlenstoffmaterialien (A) und eine Kohlenstoffnanozwiebel (B). Graphik: Marco Zeiger.
Übersicht über verschiedene Kohlenstoffmaterialien (A) und eine Kohlenstoffnanozwiebel (B). Graphik: Marco Zeiger.

Insbesondere beschäftige ich mich mit Kohlenstoffnanozwiebeln, welche sehr einfach hergestellt werden können, eine hohe elektrische Leitfähigkeit besitzen und sehr kosteneffizient mit Batteriematerialien kombiniert werden können. Bei der Standard-Herstellungsmethode werden Nanodiamanten mit einem Durchmesser von nur 5 nm auf einer Temperatur von >1000 °C im Vakuum aufgeheizt. Ja, sie haben sich nicht verlesen! In unserer aktuellen Forschung verkohlen wir Diamant. Es handelt sich dabei aber nicht um Schmuckdiamanten, sondern um synthetisch hergestellte, winzig kleine Diamanten. Durch die Temperaturbehandlung wird die Diamantstruktur zu einer fulleren-artigen Struktur umgewandelt, sodass man 5-10 nm große Kohlenstoffpartikel mit einer zwiebel-artigen Schalenstruktur erhält. Daher der Name: Kohlenstoffnanozwiebel.

Batteriematerialien, typischerweise Metalloxide wie Manganoxid und Vanadiumoxid, oder auch funktionelle Gruppen wie Chinone können mittels einfacher Beschichtungsprozesse auf die hergestellten Kohlenstoffnanozwiebeln aufgebracht werden. Durch diese Hybridisierung auf Nanoebene können die Energiespeicherkapazität von Doppelschichtkondensatoren auf das 20-fache erhöht werden bei gleichbleibender Lade- und Entladezeit. Ohne Kohlenstoff wären die Metalloxide alleine nicht zu nutzen, da deren elektrische Leitfähigkeit zu gering ist. Kohlenstoff alleine besitzt eine zu geringe Energiespeicherkapazität. Beides zusammen ergibt daher eine ideale Symbiose.

Diese Entwicklung ermöglicht eine klare Verbesserung hinsichtlich der Speicherkapazität. Dennoch ist diese noch immer etwa um den Faktor 10 geringer als bei aktuellen Batteriesystemen. Hinzu kommt, dass solche Systeme sich bisher weitestgehend nur im Labormaßstab herstellen lassen und die Kosten nicht unerheblich sind. Sicherlich darf man sich darüber nicht wundern, wenn man Diamant in Kohle verwandelt um Kohlenstoffnanozwiebeln herzustellen, aber solche Systeme sind eher als Modelle zu verstehen um die Eigenschaften zu studieren und später auf billigere und einfacher herzustellende Materialien zu übertragen.

 

Kohlenstoffnanozwiebeln können mit Metalloxiden beschichtet oder mit funktionellen Gruppen wie Chinonen funktionalisiert werden um die Energiespeicherkapazität zu erhöhen. Graphik: Marco Zeiger.
Kohlenstoffnanozwiebeln können mit Metalloxiden beschichtet oder mit funktionellen Gruppen wie Chinonen funktionalisiert werden um die Energiespeicherkapazität zu erhöhen. Graphik: Marco Zeiger.

Die Kombination von Batterien und Doppelschichtkondensatoren hat ein enormes Potential, welches durch den aktuellen Stand der Forschung noch bei Weitem nicht ausgeschöpft ist. Im Labormaßstab lassen sich zwar bereits beeindruckende Ergebnisse erzielen, welche die Vorteile von Batterien und Doppelschichtkondensatoren vereinen. Jedoch ist es aktuell schwierig, diese Technologie in industriellem Maßstab zu etablieren, da zum einen Eigenschaften wie Langzeitstabilität noch optimiert werden müssen und zum anderen die Kosten noch zu hoch sind.

Marco Zeiger

Marco Zeiger, Lindau Alumnus 2016, studied Microfabrication and Nanostructures in the Department of Physics and Mechatronics at Saarland University, Germany. Between 2011 and 2013 he worked in the Metallic Microstructures Group of the INM – Leibniz Institute for New Material on antibacterial properties of copper and its application in touch surfaces. In 2013 he joined the INM Energy Materials Group working on the synthesis and characterization of nanodiamonds and carbon onions with the focus on electrochemical energy storage. Receiving his M.Sc., he began his PhD studies in 2014 on the development of carbon/metal oxide hybrid materials for redox-enabled energy storage devices.