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Veröffentlicht 26. Februar 2015 von Susanne Dambeck

„Mein Gott, es ist voller Planeten!“

Forscher gehen von mindestens 50 Milliarden Planeten allein in unserer Milchstraße aus. Mit diesem abgewandelten Zitat aus „2001: Odyssee im Weltraum“ kommentierte die Presse vor ein paar Jahren Hochrechnungen von Wissenschaftlern rund um das Kepler Weltraumteleskop.
Schätzungsweise 500 Millionen von ihnen ziehen demnach ihre Bahnen innerhalb der sogenannten „habitablen Zone“: Damit beschreiben Forscher einen Abstand zwischen Planet und dem jeweiligen Heimatstern, bei dem flüssiges Wasser möglich wäre. Vor zwanzig Jahren erst wurde der erste Exoplanet entdeckt – ein Planet also, der einen anderen Stern als unsere Sonne umkreist. Heute finden die Astronomen fast täglich neue Exemplare.

Diese Flut neuer Planeten verdanken die Forscher vor allem dem Kepler-Weltraumteleskop. Es beobachtet und vermisst ca. 150.000 Sterne in den Sternbildern Schwan und Leier. Das fliegende Teleskop hat dabei eine ungewöhnliche Bahn. Es kreist nicht um die Erde, sondern „folgt“ der Erde auf ihrem Weg um die Sonne. Für das Aufspüren ferner Planeten verwendet Kepler eine indirekte Methode, die sogenannte Transitmethode: Wenn ein Planet vor seinem Stern vorüberzieht, verdunkelt sich dieser ein wenig. Am besten klappt diese Methode bei großen Planeten, die auf einer engen Bahn um ihren Stern kreisen.

Das Sichtfeld des Kepler-Weltraumteleskops in den Sternbildern Schwan, Leier und Drache. Credit: USGOV/NASA, PD
Das Sichtfeld des Kepler-Weltraumteleskops in den Sternbildern Schwan, Leier und Drache. Credit: USGOV/NASA

Auf diesem Weg haben die Forscher bereits viele ferne Welten gefunden, die scheinbar wenig mit unserem Sonnensystem zu tun haben: Sie finden beispielsweise riesige Planeten, die wahrscheinlich felsig sind, viel größer als unsere Erde. Solche „Super-Erden“ können auch Rote Zwerge umkreisen – kleine, kühle Sterne, die sehr häufig sind. Haben solche Planeten einen kleinen Orbit, wird die Schwerkraft ihres Sterns sie in einer gebundenen Rotation festklammern. Die eine Planetenhälfte ist dann immer sehr heiß, die andere Hälfte sehr kalt. Eine mögliche Wasseroberfläche würde dann auf der einen Seite ständig kochen und wäre auf der anderen zu Eis erstarrt. Auf der Erde haben jedoch die „Schwarze Raucher“ in der Tiefsee gezeigt, dass Leben auch an unwirtlichen Stellen möglich ist. Warum nicht auch in den Übergangszonen zwischen heißer und kalter Hälfte?

Der neueste spektakuläre Fund von Kepler ist ein Planetensystem mit einem geschätzten Alter von 11,2 Milliarden Jahren: Fünf erdgroße Planeten umkreisen bei Kepler-444 einen sehr alten Stern. „Dieser Fund verändert unseren Blick auf das Universum grundlegend“, erklärt Studienleiter Tiago Campante von der Universität Birmingham. Dies bedeute nämlich, dass fast während der gesamten letzten 13,8 Milliarden Jahre – das ist das geschätzte Alter des Universums – Planeten in Erdgröße entstanden sind.

Fünf Planeten, deren Größen vergleichbar sind mit der der Erde, umkreisen den Stern Kepler-444 im Sternbild Lyra. Mit 11,2 Milliarden Jahren ist das Planetensystem das älteste bekannte, das Planeten von erdähnlicher Größe enthält. Credit: Tiago Campante, Peter Devine
Fünf Planeten, deren Größen vergleichbar sind mit der der Erde, umkreisen den Stern Kepler-444 im Sternbild Leier. Mit 11,2 Milliarden Jahren ist das Planetensystem das älteste bekannte seiner Art. Credit: Tiago Campante, Peter Devine

Ob sich auf einem Planet Leben entwickeln kann, hängt jedoch von mehr ab als nur vom Abstand von seinem Heimatstern. Dieser Stern muss außerdem langlebig sein, also mehrere Milliarden Jahre leuchten, damit Leben überhaupt eine Chance bekäme. Ferner braucht ein Planet eine Oberfläche, und er muss recht schwer sein, um eine Gasatmosphäre halten zu können – Planeten ohne Atmosphäre können kein flüssiges Wasser auf der Oberfläche halten. Idealerweise sollte ein Planet auch eine stabile Achsenneigung haben, diese stabilisiert das Klima; bei der Erde erledigt der Mond diesen Job. Im Wunschkonzert der Planetenforscher käme noch ein flüssiger Metallkern vor, der für ein Magnetfeld sorgen könnte, das wiederum kosmische Strahlung von der Oberfläche ablenkt. Dies sind nur ein paar wenige Voraussetzungen für außerirdisches Leben. Vielleicht braucht die Suche danach deshalb so lange.

Künstlerische Darstellung des Planeten Kepler-22b als sogenannte "Super-Erde" mit Wasseroberfläche. Credit: NASA/Ames/JPL-Caltec
Künstlerische Darstellung des Planeten Kepler-22b als sogenannte „Super-Erde“ mit Wasseroberfläche. Credit: NASA/Ames/JPL-Caltec

Ein ganzer Forschungszweig widmet sich den ganz großen Fragen: Gibt es dort draußen Leben? Und, wenn ja, wie können wir es entdecken? Die Forscher kennen einen Trick, um eines Tages Antworten auf diese Fragen geben zu können. Wenn ein Planet vor seinem Heimatstern vorbeizieht, ist das nicht nur die perfekte Gelegenheit, ihn zu entdecken. Mit größeren Teleskopen könnte man das Licht des Sterns in jenem Moment einfangen, in dem es durch die Planetenatmosphäre scheint. Mit diesen Daten können Forscher bestimmen, welche Gase in der Atmosphäre vorhanden sind. Das gelingt über den sogenannten „spektralen Fingerabdruck“, das sind die Lichtfarben, die durch die vorhandenen Gase verändert werden. Die Forscher suchen nun in erster Linie nach Leben, das dem irdischen Leben ähnelt – für völlig andere Lebensformen haben sie noch keine Ansatzpunkte. Sie würden also in der Planeten-Atmosphäre nach Sauerstoff und Wasser suchen, sowie nach Sauerstoff-reduzierenden Gasen wie Methan.

Dr. Lisa Kaltenegger modelliert die Atmosphären am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Foto: LindaBG
Dr. Lisa Kaltenegger modelliert die Atmosphären von Exoplaneten am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Foto: LindaBG

Lisa Kaltenegger ist Astronomin und hat sich auf Exo-Atmosphären spezialisiert. Momentan modelliert sie noch Atmosphären, weil die Gashüllen felsiger Planeten meist extrem dünn sind. Um ferne Welten „durchleuchten“ zu können, brauchen die Forscher hochauflösendere Teleskope wie das geplante James-Webb-Weltraumteleskop oder bessere optische Teleskope auf der Erde. „Dann können wir endlich unsere Erde in einen Kontext stellen“, erklärt die österreichische Forscherin, die am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg eine Arbeitsgruppe leitet. „Ist die Erde ganz normal? Oder ist sie eine Ausnahme?“ Vielleicht können die Astronomen da draußen sogar einen Blick auf die Zukunft der Erde werfen. „Unsere Generation und die nächste werden diese neuen Welten um uns herum entdecken. Ob wir jetzt Leben finden oder nicht: Wir sind nicht mehr allein – wir wissen, es gibt Planeten um andere Sterne.“

Sind wir nun allein im Kosmos – oder nicht? Die Kepler-Ergebnisse führten diesen Monat auf der AAAS-Tagung in San José zu einer lebhaften Debatte: Soll das SETI-Projekt, das sich der Suche nach außerirdischer Intelligenz verschrieben hat, starke Radiosignale Richtung Sternbild Schwan schicken, wo viele Planeten in Erdgröße gefunden wurden? Berühmte Forscher wie Stephen Hawking mahnen seit Jahren, dass fremde Zivilisationen die Erde als Beute betrachten könnten und wir deshalb so unauffällig wie möglich sein sollten. David Brin, nicht nur Astronom sondern auch Science-Fiction-Autor, schlägt ein fünf- bis zehnjähriges Moratorium vor. In dieser Zeit solle das weitere Vorgehen breit diskutiert werden. Viele von Brins Geschichten spielen im „Uplift-Universum“, eine erdachte Welt voller fremder Lebensformen. Durch die Allgegenwart von Planeten in unserem Universum, die wir erst jetzt begreifen, ist plötzlich die Science-Fiction Welt von gestern die Forschung von heute geworden.

Foto-Mosaik des Saturnmonds Enceladus, aufgenommen von der Raumsonde Cassini. Dieser Mond hat flüssiges Wasser unter seinem Eismantel, obwohl er außerhalb der Habitablen Zone liegt. Zwar sind noch keine Exomonde entdeckt worden, aber es ist ziemlich sicher, dass sie existieren - und auch sie könnten flüssiges Wasser auf oder unter ihrer Oberfläche haben. Foto: NASA/JPL/Space Science Institute
Foto-Mosaik des Saturnmonds Enceladus, aufgenommen von der Raumsonde Cassini. Dieser Mond hat flüssiges Wasser unter seinem Eismantel, obwohl er außerhalb der habitablen Zone liegt. Zwar sind noch keine Exomonde entdeckt worden, aber es ist ziemlich sicher, dass sie existieren – und auch sie könnten flüssiges Wasser auf oder unter ihrer Oberfläche haben. Foto: NASA/JPL/Space Science Institute

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Susanne Dambeck

Susanne Dambeck is a science writer in English and German, and author of several nonfiction childrens' books. A political scientist by training, she has worked in politics, television and as a biographer. Apart from scientific findings, she is interested in people and in storytelling in different languages.