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Veröffentlicht 21. Februar 2017 von Forschungszentrum Jülich

#LiNo16: Ein enormer Motivationsschub für Neutrinoforscherin Zara Bagdasarian

Zara Bagdasarian   Picture/Credit: Gabriele Weiland
Zara Bagdasarian, Picture/Credit: Andrea Pesce

Interview mit Zara Bagdasarian, Postdoc am Institut für Kernphysik des Forschungszentrums Jülich, über die 66. Lindauer Nobelpreisträgertagung

Einmal im Jahr treffen in Lindau am Bodensee Nobelpreisträger auf junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und diskutieren mit ihnen über aktuelle Fragen der Forschung. Die 66. Tagung im Juni 2016 war der Physik gewidmet; zu den Teilnehmern und Teilnehmerinnen zählten ca. 30 Nobelpreisträger und 400 Nachwuchsforscher – Studierende, Doktoranden und Postdocs – aus insgesamt 80 Ländern. Hinzu kamen Ehrengäste aus Politik und Forschung, darunter Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka und der österreichische Bundespräsident Dr. Heinz Fischer. Mit dabei war auch Dr. Zara Bagdasarian, eine junge Physikerin, die aus Georgien stammend am Jülicher Institut für Kernphysik, Bereich Experimentelle Hadronenphysik, als Postdoc tätig ist.

 

Sie haben sich erfolgreich für eine Teilnahme an der Lindauer Nobelpreisträgertagung 2016 beworben. Was haben Sie sich von der Tagung erhofft?

Zara Bagdasarian: Ich wusste, dass in Lindau auch die beiden Wissenschaftler sein würden, die 2015 den Nobelpreis für Physik erhalten haben, und zwar auf dem Gebiet, auf dem ich selbst auch forsche: der Neutrinophysik. Bei Neutrinos handelt es sich um Elementarteilchen, deren Existenz in den 1930er Jahren von Wolfgang Pauli zum ersten Mal postuliert wurde. 1956 ließen sie sich dann tatsächlich experimentell nachweisen. Allerdings wurde angenommen, sie seien masselos. Der Beweis von Neutrinooszillationen, die zeigen, dass Neutrinos einen Masse haben, gelang erst Ende der 1990er Jahre in zwei verschiedenen Experimenten jeweils dem Japaner Takaaki Kajita, Professor an der Universität Tokio, und dem Kanadier Arthur B. McDonald, Professor an der Queen’s University in Ontario. Die wollte ich gerne kennenlernen!

 

Ihr eigenes Forschungsprojekt liegt ebenfalls in diesem Bereich. Womit beschäftigen Sie sich genau?

Zara Bagdasarian: Meine Forschungsarbeit ist Teil des „Borexino-SOX“-Experiments – einer internationalen Kollaboration zur Erforschung von Neutrinos, an der Forscher aus Italien, den USA, Russland, Frankreich und Deutschland beteiligt sind. Durchgeführt werden die Experimente in Italien am Gran Sasso National Laboratory. Es geht darum, die Existenz einer bestimmten Art von Neutrinos, sogenannten sterilen Neutrinos, nachzuweisen.

 

Auf der Tagung in Lindau waren über 500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Hatten Sie denn überhaupt die Gelegenheit, mit den beiden Neutrinophysikern zu sprechen?

Zara Bagdasarian: Ja, da hatte ich Glück! Neben Takaaki Kajita saß ich beim Dinner und konnte mich den ganzen Abend lang mit ihm und seiner Frau unterhalten. Diese Abendessen sind immer so organisiert, dass jeweils ein Nobelpreisträger mit zwölf Nachwuchswissenschaftlern an einem Tisch sitzt. Wir haben über den Alltag in der Forschung gesprochen. Er hat berichtet, dass er einerseits immer sehr viel Spaß an seiner Arbeit hatte, es aber gleichzeitig eine Herausforderung war, genügend Zeit für die Familie zu finden. Vielleicht liegt das auch am japanischen Arbeitsethos; sein normaler Arbeitstag dauert von 9 bis 20 Uhr. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wurde übrigens im Laufe der Veranstaltung öfter angeschnitten. So hat ein amerikanischer Nobelpreisträger erzählt, wie er jeden Abend gegen 19.00 Uhr nach Hause kam, um mit seinen Kindern zu Abend zu essen, und oft danach ins Labor zurückfuhr. ‚Never forget the people in your life! Invest in family and friends: At the end of the day you need them more than anything else’ – so lässt sich die Essenz der verschiedenen Diskussionen zusammenfassen.

 

Zara Bagdasarian and Nobel Laureate Takaaki Kajita at the 66th Lindau Nobel Laureate Meeting, 27.06.2016, Lindau, Germany, Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings
Zara Bagdasarian und Nobelpreisträger Takaaki Kajita während der 66. Lindauer Nobelpreisträgertagung , 27.06.2016, Lindau, Deutschland, Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings

 

Und Arthur B. McDonald?

Zara Bagdasarian: Mit ihm habe ich unter anderem über Frauen in der Wissenschaft gesprochen. Er hat mich ermutigt, aktiv auf Mädchen zuzugehen und Vorträge in Schulen zu halten, um junge Frauen für die Naturwissenschaften zu gewinnen.

 

Rahmenbedingungen für Forscher und Forscherinnen waren ein Thema – welche weiteren Fragen wurden debattiert?

Zara Bagdasarian: Was immer wieder betont wurde, war die Bedeutung der Grundlagenforschung. Beispielsweise warten gegenwärtig alle auf die Anwendungen des Quantencomputers, aber ohne Grundlagenforschung ist der nicht zu haben. In der Vergangenheit ist es öfter vorgekommen, dass grundlegende Forschungsergebnisse erst Jahrzehnte später zu Innovationen geführt haben. Ein berühmtes Beispiel ist Einsteins Relativitätstheorie, die – 1905 veröffentlicht – heute für die Konstruktion von Navigationssystemen genutzt wird. Ein anderes Thema, das ebenfalls viel diskutiert wurde, waren aktuelle Forschungsfelder in der Physik. So waren sich alle einig, dass der nächste Nobelpreis für Physik auf dem Gebiet der Gravitationswellen verliehen wird.

 

Wie lautet Ihr persönliches Fazit der Veranstaltung?

Zara Bagdasarian: Für mich hat die Tagung einen enormen Motivationsschub gebracht. Ich möchte in der Forschung bleiben und hoffe, eines Tages eine eigene Arbeitsgruppe zu leiten. Gleichzeitig will ich aber auch eine Familie gründen. Mein Mann ist ebenfalls Physiker – wir haben uns in Jülich kennengelernt – und für uns ist es wichtig, Arbeit und Familie vereinbaren zu können.

 

Die Fragen stellte Kristin Mosch.

Forschungszentrum Jülich

These two interviews were conducted by the Forschungszentrum Jülich, member of the Helmholtz Association of German Research Centres and nominating institution for the Lindau Nobel Laureate Meetings.