Veröffentlicht 28. Juni 2015 von Florian Faehling
Laufen – eine Liebeserklärung
Als Student oder Wissenschaftler benutzt man im Alltag vor allem Eines: den Kopf. Ob im Labor oder in der Bibliothek, stunden-, tage-, ja wochenlang werden die grauen Zellen malträtiert und der Rest des Körpers bleibt unbewegt. Vielleicht deshalb sehen einige Wissenschaftler und Intellektuelle körperliche Aktivität als zweitrangig (oder -klassig) an.[i] Das habe ich selbst früher auch getan, wurde aber eines Besseren belehrt. Jetzt bin ich der festen Überzeugung: Laufen ist der ideale Sport, gerade für Wissenschaftler! Das versuche ich an drei Punkten zu illustrieren: Laufen hilft beim Denken, stärkt wichtige Charakterzüge und bringt Menschen zusammen.
Laufen entspannt den Kopf und verhilft zu neuen Ideen
Alan Turing war ein genialer Mathematiker, Wegbereiter der Informatik, herausragender Kryptoanalytiker im 2. Weltkrieg und ein passionierter Läufer[ii]. Auf die Frage, warum er laufe, antwortete er einmal: “I have such a stressful job that the only way I can get it out of my mind is by running hard”[iii]. Jeder, der sich nach einem langen Tag im Labor zu einer kurzen Runde durchringt, kann das wohl unterschreiben. Beim Laufen ruht der Kopf aus und die Bewegung gibt wieder Kraft. Dabei sind die Gedanken keineswegs ausgeschaltet – dem Magazin The Chronicle of Higher Education erzählten Forscher, dass sie sogar „Heureka“ Momente beim Laufen erleben[iv].
Außerdem ist Laufen immer und überall möglich und damit ideal für den oft unplanbaren Forscheralltag. Wenn die Zellkulturen also mal etwas länger brauchen und das Kino schon zu hat – ein Lauf ist immer noch drin.
Laufen lehrt Ausdauer
Langstreckenlauf und Wissenschaft haben etwas gemeinsam. Das meint Wolfgang Ketterle, der 2001 als jüngster Physiker den Nobelpreis erhielt und 2014 den Boston Marathon (2:44h) lief. In einem Interview[v] erklärte er, dass Laufen und Wissenschaft ähnliche Charaktereigenschaften voraussetzen: Ausdauer, Geduld und Ehrgeiz. In der Wissenschaft dauere es oft Jahre, bestimmte Dinge zu untersuchen und es gehe nicht immer schnell voran. So sei es auch mit regelmäßigem Training. Für mich persönlich ist dabei Ausdauer der wichtigste Punkt. Beim berühmten Kilometer 35 des Marathons fühlt sich jeder schlecht und man wünscht sich nichts sehnlicher, als stehen zu bleiben. Hat man es dann aber geschafft, ist die Freude riesig und man versteht, dass die schweren Zeiten dazu gehören. So lehrt der Marathon eine wichtige Lektion für den wissenschaftlichen Alltag[vi].
Beim Laufen lernt man Menschen kennen
Schließlich: Laufen ist sozial. Das mag überraschend klingen, denkt man doch es sei ein Einzelsport. Weit gefehlt! Am besten ist es bei Wald-und-Wiesen-Läufen zu beobachten: Das nonverbale Verständnis unter Läufern. Man benötigt keinen Small Talk zum Gesprächsbeginn, denn das Laufen liefert ein gemeinsames Ziel. So kommen auch Menschen zusammen, die sich sonst nie getroffen hätten. Man lernt sich dann oft auf ganz andere Weise kennen und der wissenschaftliche Austausch kann beginnen. Insbesondere bei so intensiven Tagungen wie dem Nobel Laurate Meeting ist ein gemeinsamer Lauf ein Segen.
Last but not least
Soweit meine persönliche Liebeserklärung an die wohl schönste Sportart der Welt[vii]. Die wichtigste Sache fehlt aber noch: Laufen macht einfach Spaß! Und so freue ich mich schon, in Lindau meine Laufschuhe auszupacken und spannende Leute, neben all den großartigen Vorträgen und Diskussionen, auch bei Runden am Bodensee näher kennen zu lernen.
Slider photo: Elvert Barnes (CC BY-SA 2.0)
[i] Beispiel: “ I hate all sports as rabidly as a person who likes sports hates common sense”. H. L. Mencken, Heathen Days.
[ii] Seine Marathonbestzeit lag mit 2:46h nur 10 min über der olympischen Bestzeit 1948: http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/Extras/Turing_running.html
[iii] http://www.turing.org.uk/scrapbook/run.html
[iv] http://chronicle.com/article/Eureka-Running-Jogs-the/124164/
[v] http://www.runnersworld.com/celebrity-runners/im-a-runner-wolfgang-ketterle-phd
[vi] …,fürs Leben und für die Ehe (Anmerkung meiner Frau).
[vii] Cave: Bisher konnte diese Tatsache leider noch nicht durch randomisierte Doppelblindstudien belegt werden.