Veröffentlicht 16. Juli 2010 von Markus Pössel
Hubbles Nachfolger
John Mathers Arbeit ist eng mit dem Urknall verbunden — nach der Pionierarbeit von Penzias und Wilson, die erstmals die kosmische Hintergrundstrahlung nachwiesen, ein "elektromagnetisches Echo" des frühen, heißen Universums, war es der COBE-Satellit, der zwei ganz entscheidende Eigenschaften dieser Strahlung mit großer Genauigkeit festhielt: den Umstand, dass es sich tatsächlich um eine so genannte Wärmestrahlung handelt, also um eine Strahlung, wie sie zwangsläufig von Materie ausgesendet wird, deren Temperatur über dem so genannten absoluten Nullpunkt liegt, und (dazu später mehr) das Vorhandensein winziger Strahlungsfluktuationen, in denen sich die Verklumpungstendenzen der Materie im frühen Universum offenbaren — Tendenzen, denen wir die Entstehung von Galaxien, Galaxienhaufen, Sternen und damit letztlich auch unserer selbst verdanken.
Mather war der "Projektwissenschaftler" für den COBE-Satelliten, also der wissenschaftliche Leiter der Mission, der die Anforderungen der Wissenschaftler mit der Arbeit der Ingenieure zu koordinieren hatte, die den Satelliten gebaut haben. Außerdem war er der Chefwissenschaftler ("Principal Investigator", PI) für eines der Instrumente des Satelliten: das "Far IR Absolute Spectrophotometer" FIRAS (wörtlich das "Absolute Spektro-Fotometer für den fernen Infrarotbereich"), mit dem gemessen wurde, wie die Intensität der Hintergrundstrahlung von der Wellenlänge abhängt — das war der schon erwähnte Nachweis, dass es sich um eine Wärmestrahlung handelt, genau so, wie es die kosmologischen Urknallmodelle vorhersagen. Für die COBE-Messungen erhielten Mather und sein Kollege George Smoot (PI eines weiteren COBE-Instruments, mit dem die Fluktuationen gemessen wurden) den Physik-Nobelpreis 2006.
Mit dem Begriff "Urknall", "Big Bang", ist Mather allerdings nicht so zufrieden. In seinem Vortrag am Montag vormittag gab er der Bezeichnung "HorrendousSpace Kablooie" den Vorzug, vorgeschlagen von Calvin aus Jim Watterson’s Cartoon Calvin & Hobbes. In einem späteren Gespräch habe ich von Mather erfahren, dass ihm ein Freund die Originalzeichnung dieses Comic-Strips zu einem seiner Geburtstage geschenkt hat.
Das gleiche Gespräch ergab noch eine weitere interessante Querverbindung: Mather hatte in seinem Vortrag erwähnt, heutzutage könne bereits ein motivierter Schüler mit einer Satellitenschüssel die kosmische Hintergrundstrahlung nachweisen und ihre Temperatur messen. Auf meine Nachfrage hin erzählte er, dass sich diese Bemerkung auf die Berliner Gymnasiasten Timo Stein und Christopher Förster bezieht, die für dieses Projekt 2008 im Bundeswettbewerb von Jugend forscht den ersten Preis im Bereich Geo- und Raumwissenschaften bekommen hatten. Timo Stein, so Mather, hätte ihn vor Jahren angeschrieben und ihm von seiner Projektidee erzählt, und Mather hätte ihm daraufhin eine lange E-Mail mit Fragen zurückgeschickt, die Timo würde beantworten müssen, um sein Projekt zum Laufen zu bringen. Die beiden blieben in Kontakt, und Timo ist dieses Jahr nun bereits zum zweiten Mal Sommerpraktikant am Goddard Space Flight Center, wo Mather arbeitet.
Der Titel dieses Blogbeitrags hat durchaus einen Doppelsinn. Nicht nur, dass Mather, Smoot und ihre Kollegen selbst in die Fußstapfen des amerikanischen Astronomen Edwin Hubble treten, der erste Anzeichen dafür fand, dass unser Weltall sich ausdehnt, und damit den Urknallmodellen den Weg ebnete. Mather ist der Projektwissenschaftler für das James Webb Space Telescope (JWST), und auch dieses Teleskop ist ein Nachfolger von Hubble, genauer: Nachfolger des berühmten Hubble-Weltraumteleskops. In diesem NASA-Bild ist zu sehen, wie das JWST später aussehen soll:
Das Teleskop ist ein NASA-Gemeinschaftsprojekt mit der europäischen Weltraumagentur ESA und der kanadischen Weltraumagentur. Von deutscher Seite aus sind z.B. EADS Astrium und mein Heimatinstitut beteiligt, das Max-Planck-Institut für Astronomie.
Das JWST soll im Infrarotbereich deutlich weiter in die Ferne (und damit in die Vergangenheit) sehen, als es das Hubble getan hat, und dabei die frühesten Objekte nachweisen (Sterne, Galaxien, Schwarze Löcher), die nach dem Urknall entstanden sind. Außerdem soll es die Entwicklung von Galaxien verfolgen und in Staubwolken hineinsehen, in denen sich neue Sterne bilden. In größerer Nähe zur Erde soll das JWST gefrorene Objekte am Rande unseres Sonnensystems nachweisen, die uns helfen könnten, zu verstehen, wie das Sonnensystem dereinst entstanden ist. Seiner Beschäftigung mit der Geschichte des Kosmos ist Mather also auch mit dem neuen Projekt treu geblieben — wenngleich er wohl nie wieder so tief in die Vergangenheit vordringen wird wie damals auf den Spuren des Urknall-Echos.