Veröffentlicht 30. Juni 2015 von Stephanie Hanel
Gene Editing: Zwischen Faszination und Erschrecken über ungeahnte Möglichkeiten. Wohin soll der Weg gehen?
Noch während über ein Moratorium debattiert wird, schlagen die Meldungen aus China ein: Dort ist man einen Schritt weiter. Ist es der entscheidende Schritt? Nicht nur das interessierte Publikum dürfte vom Tempo überrannt sein – kaum jemand weiß so richtig, was Gene-Editing ist, da hört man schon, dass chinesische Wissenschaftler bereits erste Experimente an menschlichen Embryonen durchgeführt haben. Zwar wurden dafür nicht lebensfähige Embryonen benutzt, die im Rahmen künstlicher Befruchtungen entstanden – eine Grenze ist damit dennoch überschritten. Der federführende Wissenschaftler Junjiu Huang gibt eine nüchterne Erklärung ab: „Wir wollten der Welt unsere Daten zeigen, damit jeder weiß, was wirklich passiert bei diesem Modell, statt nur darüber zu reden, was wohl passieren würde, ohne dass jemand Daten hat.“
Doch zunächst einen Schritt zurück – was ist Gene-Editing? Und was sagt eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf diesem Gebiet dazu? Jennifer Doudna, die die sogenannte CRISPR/Cas 9 Methode entscheidend mitentwickelt hat, ist eine derer, die dringend eine Diskussion anraten: Welcher Missbrauch ist möglich und wofür wollen Wissenschaft und Gesellschaft sie nutzen. Doudna erlebt dabei das klassische Dilemma einer Verantwortlichkeit für einen Durchbruch, dessen rein wissenschaftlicher Fortschritt eine auch gesellschaftliche Herausforderung bedeutet. Zwar konnten Biologen schon länger das Genom manipulieren – eine Revolution ist CRISPR, weil es, zumindest theoretisch, eine so einfache und kostengünstige Möglichkeit darstellt. „Die Grundlage ist ein Enzym namens Cas9, das mit Hilfe eines kurzen RNA-Schnipsels, der so genannten guide RNA, an seine Ziel-DNA geleitet wird. Dort schneidet es die DNA, wobei Gene zerstört oder gewünschte Sequenzen eingefügt werden können“.
Eine Hoffnung die Entwicklung zu verlangsamen, um eine breit angelegte Diskussion führen zu können, gibt es: Das chinesische Team erzielte keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Stoppen aber lassen dürfte sich die weltweite Forschung kaum mehr. Das US National Health Institute hat zwar die Förderung für solche Projekte eingefroren, aber die Verlockungen dürften zu groß sein. Denn krankmachende Gene schlicht zu entfernen und in der Zukunft beispielsweise erblich bedingte Krankheiten komplett aus der Vererbungskette zu löschen, ist zweifelsfrei eine große Vision.
Was das aber zu Ende gedacht bedeuten könnte, kennen wir aus Science Fiction. Die Schicksalsfrage lautet dann: Krankheiten heilen versus Menschen bereits als Embryos zu optimieren.
Entsprechend gespannt erwarteten die Zuhörer heute die Diskussion zum Thema „Human genetic alteration: does the pause have a purpose?“ mit Elisabeth Blackburn, Michael Bishop, Richard J. Roberts und dem Young Scientist Simon Elsässer.
Kurz zum Forschungshintergrund der Diskussionsteilnehmer: Blackburn erhielt zusammen mit Carol Greider und Jack Szostak 2009 den Nobelpreis in Medizin unter großer medialer Anteilnahme, da ihre Entdeckung der Telomerase mit der Entdeckung des biologischen „Jungbrunnen“ assoziiert wurde, denn die Länge der Telomere steht in Verbindung zum Alterungsprozess. J. Michael Bishop ist einer der Entdecker des zellulären Ursprungs der retroviralen Krebsgene und dieses Jahr zusammen mit Harold Varmus in Lindau, mit dem er 1989 den Nobelpreis in Medizin erhielt. Weiter auf dem Podium: Richard J. Roberts, Medizin-Nobelpreisträger von 1993, der einen Vortrag zum Thema Golden Rice und dem Verhängnis einer seiner Meinung nach falschen politischen Diskussion zum Thema Gentechnik bei Lebensmitteln halten wird (A Crime against Humanity). Und last but not least Simon Elsässer, der auf dem Gebiet der Epigenetik forscht und sein Lab am Karolinska Institutet in Stockholm, Schweden, betreibt.
Eines wurde durch die Statements der Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler schnell klar – sie selbst sehen keine der bereits diskutierten Zukunftsvisionen auch nur in Reichweite. Die Technik sei viel zu schlecht, die Fehlerraten und Probleme zu hoch. Doch dann scheiden sich die Geister. Während Simon Elsässer meint, der Versuch an den Embryonen hätte nicht stattfinden sollen – denn es war klar, dass nichts Vernünftiges dabei herauskommen konnte – sieht Bishop darin keinen Grund, einen solchen Versuch nicht zu unternehmen. Blackburn hält die Technik nicht für so einen großen Durchbruch, wie es dargestellt wird und beantwortet die Frage, ob die Methode nicht Tür und Tor für den Missbrauch bietet, damit, dass einem vor Menschen mit verbrecherischen Absichten auch keine gesetzlichen Regelungen schützen. Roberts hält diese Technik nur für medizinische Zwecke für legitim und vermutet, dass es neue Methoden geben wird, die Wissenschaft sich also auf diesem Gebiet im Übergang befände. Bei der Diskussion über den Sinn eines Moratoriums gibt Roberts zu bedenken, dass die Entwicklung so rasch voranschreitet, die Institutionen zu langsam reagieren und die wissenschaftliche Community deshalb dringend den Dialog mit den chinesischen Wissenschaftlern suchen sollte – es wäre gefährlich die Entwicklung dort einfach zu ignorieren. Internationaler Austausch zum Thema wird also dringend benötigt. Bishop könnte sich auch ein Internationales Abkommen vergleichbar dem, das aus der Stammzellen-Diskussion hervorging, vorstellen.
Alle Beteiligten der Podiumsdiskussion denken, dass der Hype um CRISPR aus der Tatsache resultiert, dass diese Methode so einfach und kostengünstig ist. Dafür aber eben auch zu ungenau – und die daraus entstehenden „off-target-Effekte“ sind noch nicht verstanden. Elsässer plädiert dafür, so lange es so viele Unwägbarkeiten gibt, beim Maus-Modell zu bleiben.
Die Wissenschaftscommunity sollte für Transparenz sorgen und die Presse sachlich über die neue Technik und ihre Begrenzungen berichten, um Ängste abzubauen. In diesem Sinne werden wir weiter zum Thema berichten.