Veröffentlicht 28. Juni 2014 von Martin Ballaschk
Expectations: Ganz anders als eine Fachkonferenz
Forschungsgeschichte, internationale Vergleiche und ein Austausch über sein eigenes Fachgebiet, erhofft sich Biologiedoktorand Martin Ballaschk.
„Inspiration, Bekanntschaften und viel Arbeit“ – so lassen sich meine persönlichen Erwartungen an die 64. Nobelpreisträgertagung in Lindau zusammenfassen. Einige meiner Kollegen und Freunde waren bereits in Lindau und haben begeistert von der Tagung berichtet. Vor allem deren anregende und motivierende Atmosphäre hatte es ihnen angetan. Lindau muss ganz anders sein als eine typische Fachkonferenz. Auch wenn man sicher vieles lernen kann, steht hier die Wissenschaft als Lebensphilosophie und eine der wichtigsten Kulturtechniken im Mittelpunkt.
Besonders gespannt bin ich auf eine Begegnung mit Kurt Wüthrich, der 2002 den Chemie-Nobelpreis für seine Beiträge zur Nutzung der NMR-Spektroskopie für biologische Makromoleküle bekam. Mit NMR kann man die Spins der Atomkerne manipulieren und viel über die interne Struktur von Molekülen erfahren. Zusammen mit Nobelpreisträger Richard Ernst und Anil Kumar hat er das erste zweidimensionale NOESY aufgenommen, ein äußerst nützliches Experiment, mit dem man Abstände zwischen Wasserstoffatomen messen kann. Dieser Typ von Experiment gehört zum Standardsatz eines jeden NMR-Spektroskopikers, der wie ich mit Proteinen arbeitet. Über die Entstehungsgeschichte dieser Experimente weiß ich aber nur wenig.
Die Geschichten hinter der Forschung sind ebenso interessant wie die Forschung selbst, und so werde ich versuchen, Wüthrich ein paar davon zu entlocken. Wer hatte zuerst die Idee für das NOESY? War damals schon abzusehen, dass das Experiment die NMR-Spektroskopie zu einer ernstzunehmenden Methode für die Strukturbiologie machen würde? Wie reagierten Kollegen zuerst auf die Entwicklung?
Solche Hintergründe, die man nur selten nachlesen kann, verdeutlichen, dass das Forschen meistens nicht in vorhergesehenen Bahnen verläuft und für uns Forschende ein recht emotionales Thema ist. Man gibt sich seinen Ideen hin und muss sie mit einem gewissen Wahnsinn verfolgen. Der oft frustrierende Alltag im Labor und die Widrigkeiten der institutionalisierten Wissenschaft können durch die Faszination Wissenschaft nicht immer wettgemacht werden. Wie fast jeder Doktorand hatte ich während meiner Doktorarbeit ausgedehnte Durststrecken; es wollte einfach nichts funktionieren. Lindau bestätigt mir hoffentlich, warum es sich lohnt, immer weiter zu machen.
Vielleicht lerne ich in aber auch, dass mir die Beobachterperspektive besser passt – ausnahmsweise bin ich primär als Blogger und ’nur‘ sekundär als Wissenschaftler eingeladen. Im eigenen Blog übe ich diesen Rollentausch bereits seit vier Jahren. Als Teil des deutschsprachigen Blog-Teams werde ich nun also über die Veranstaltungen, die Menschen und die Ereignisse in der Tagung berichten. Ein solches Live-Blogging wird sicher herausfordernd und ich hoffe, auf viele gute Gesprächspartner – auch unter den Nachwuchswissenschaftlern. Das wird eine spannende Zeit: Themen aufsaugen, Stimmungen wahrnehmen und dann sogleich darüber schreiben.
Ich möchte mich außerdem gerne mit vielen der 600 Nachwuchsforscher aus rund 80 Ländern austauschen und etwas über die Forschungsbedingungen in den verschiedenen Ländern erfahren. Und natürlich freue ich mich auf fachlichen Austausch, schließlich bin ich immer noch Wissenschaftler.
Fazit
Viele meiner Erwartungen decken sich sicher mit denen anderer Besucher, mit der Ausnahme, dass ich für das Lindau-Blog schreibe. Ich hoffe, die Ikonen der Forschung lebensnah zu sehen, mich mit vielen Menschen fachlich auszutauschen, aber auch über Rahmenbedingungen und Zukunftswünsche. Wie alle anderen will ich vor allem etwas von der inspirierenden Atmosphäre mitnehmen, die bei meinen Kollegen die Augen leuchten lassen, wenn sie von Lindau berichten.