Veröffentlicht 12. Juli 2010 von
Energie und Nachhaltigkeit – Eine Diskussion auf Plastikmüll
Der letzte Tag des Lindauer Meetings findet traditionell nicht in Lindau, sondern auf der Insel Mainau statt. Den Weg dorthin verbringt man auf einem schönen Schiff, und es könnte eine Vergnügungsfahrt sein, wäre da nicht das ernsthafte Ziel auf der Insel, eine Paneldiskussion zum Thema Energie und Nachhaltigkeit sowie eine Ausstellung zum Thema Energie. Auf dem Podium waren die beiden Nobelpreisträger Carlo Rubbia, Nobelpreis Physik 1984, und Yuan Tseh Lee, Nobelpreis Chemie 1986, sowie der Direktor des Potsdam Instituts für Klimaforschung Hans Joachim Schellnhuber, sowie Georg Schütte, deutscher Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Moderiert wurde die Diskussion von dem Journalisten Geoffrey Carr.
In der Diskussion stand zunächst die Endlichkeit der Ressourcen, die angesichts einer weiter rapide anwachsenden Weltbevölkerung umso schneller Realität werden wird. Deshalb werde ein Großteil der heute lebenden Menschen miterleben, dass nicht nur die natürlichen Vorkommen von Öl und Gas aufgebraucht sein werden, sondern auch die Versorgung mit Uran stagnieren wird.
Hans-Joachim Schellnhuber, Carlo Rubbia, Jeff Carr, Bettina Bernadotte, Yuan Lee, Georg Schütte
Und auch wenn ich nicht glaube, dass jeder von uns über seinen Verhältnissen lebt, muss ich Lee zustimmen: Als Gesellschaft tun wir das. Seiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll von Entwicklungsländern und bereits entwickelten Ländern zu reden. Viel mehr sollte man von Über-Entwickelten Ländern und solchen Ländern, die auf dem Weg dahin sind, überentwickelt zu werden, reden. Wenn alle Menschen einen Energiebedarf hätten wie der Durchschnitts-Amerikaner, dann bräuchten wir 5,4 Erden, um diesen Bedarf zu stillen. Das brachte die Frage auf, wie man denn die Wünsche und Ansprüche der Menschen ändern könne. Denn in einem Punkt war sich Schellnhuber vollkommen sicher: die sozialen und politischen Dimensionen des Klimawandels in Folge des zu großen Energieverbrauchs sind noch komplett ungelöst, aber mindestens genauso wichtig, wie die Suche nach technischen Lösungen.
Dass die Konferenz in Kopenhagen am Ende gescheitert ist und Fortschritte um Nachhaltigkeit schwierig sind, liegt laut Schellnhuber auch daran, dass ein Problem wie der Klimawandel sich nicht monokausal erklären und lösen lässt. Immerhin versuchte er es mit einem eingängigen Bild: „Wenn Sie sich um die globale Temperatur genauso viele Sorgen machen würden, wie um ihre Körpertemperatur, wäre schon viel gewonnen. Nur zwei Grad mehr und Sie leiden an Fieber. Das ist vielleicht ein Argument.“
Doch selbst, wenn in den Ländern der ersten Welt, die Jahrzehnte lang den höchsten Energieverbrauch hatten und immer noch haben, Einsicht einziehen sollte, so bleibt es immer noch schwer zu vermitteln, weshalb sich nun die Entwicklungsländer einschränken sollten. Zumal in diesen Ländern Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimawandel und Co erst weit hinter den zentralen Problemen wie Bekämpfung von Hunger und Armut, Aufbau einer Infrastruktur oder Aufbruch in die Wirtschaft kommt. Bevor man sich um “Luxus-Probleme” wie die Umwelt kümmern kann, muss also erst einmal eins gesichert sein: Ein Mindestmaß an Sicherheit für die Menschen sowie ausreichend Essen auf den Tellern.
Denn, wer ständig darum kämpfen muss, nicht zu verhungern oder wer dauernd Angst davor haben muss, in einem der zahllosen Bürgerkriege umgebracht zu werden, der wird seine Zeit kaum in den Umweltschutz investieren. Und um solche Probleme könnte man sich durchaus kümmern. Laut Schellnhuber würde ein Drittel der Fläche, die heute zur Produktion von Nahrungsmitteln genutzt wird, ausreichen, um 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Wenn man nur die vielfältigen Subventionen der Wirtschaftsmächte und Co streichen würde. In diesem Sinne könne Wissenschaft alleine oder eine einzelne Gesellschaft die Probleme nicht lösen. Wir benötigen ein globales Problembewusstsein.
Gleichzeitig muss aber intensiv geforscht werden. Schütte wünschte sich dringend mehr Forschungsstrategien – “wenn man bedenkt, dass wir potenziell nur 40 Jahre Zeit haben, können wir es uns es da leisten, einige Forschungsbereiche zu vernachlässigen, oder müssen wir alle fördern”? Vor allem aber spielten alle auf dem Panel den Ball oder die Bälle bevorzugt dem jungen Publikum zu und verdeutlichten ihnen, ihre Verantwortung. Sie seien die Zukunft und sie finden hoffentlich realistische Lösungen. Rubbia meint damit vor allem “billige Energie”, denn es werde immer die günstigste Energieform sein, die am häufigsten verwendet werden wird.
Was bei mir dann aber doch für etwas Stirnrunzeln sorgt, ist die Frage danach, inwieweit eine Veranstaltung, auf der das Thema Nachhaltigkeit auf einem zentralen Panel diskutiert wird, sich auch selbst um Nachhaltigkeit bemüht. Dass gut 1000 Teilnehmer zum Großteil mit einem Flugzeug zu einem Ort reisen, um dort darüber zu debattieren, kann man befremdlich finden. Aber letztlich gestehe ich zu, dass es für Treffen im echten Leben bislang keinen Ersatz gibt, allen Fortschritten und meiner eigenen Technikgläubigkeit zum Trotz. Und solche Treffen können ja durchaus etwas bewegen und sich lohnen.
Aber dann sitzen diese 1000 Leute vor dem Panel auf Plastikstühlen, die mit genauso vielen Einweg-Kabelbindern aus Plastik zusammengebunden sind. Und an die Konferenztaschen aus Plastik, die an alle Nachwuchswissenschaftler ausgegeben wurden, sollte man in dem Zusammenhang auch lieber nicht denken. Denn am Ende ist Plastik Öl in einer anderen Form. Wie wäre es also auf Einwegzeug zu verzichten und etwa anstatt der Plastiktaschen auf eine Alternative aus Stoff zu setzen, und beim Verbinden der Stühle könnte man auch wiederverwendbare Alternativen nutzen. Sicher kein Muss, aber es wäre ein gutes Zeichen. Ah, da fällt mir noch ein, was Schellnhuber sagte: Wir vergessen immer das Recycling als eine Energiequelle. – Ob die Taschen und Stühle und Kabelbinder vielleicht aus recyceltem Plastik waren?
Ein kurzer Nachtrag: Übrigens hat das Bundesumweltamt im Jahr 2008 zusammen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit einen Leitfaden für umweltgerechte Tagungen und Konferenzen herausgegeben der dabei helfen kann solche Dinge nicht aus den Augen zu verlieren. Danke an @CaeVye für den Hinweis.
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