Veröffentlicht 7. August 2014 von Fabiola Gerpott
Crowdfunding: Forschen Sie noch oder spenden Sie schon?
Wie Crowdfunding als Weg der Forschungsfinanzierung funktionieren kann.
Julia Bischoffberger hat eine Vision: Sie möchte im Rahmen ihrer Promotion die Sprache Guarasuñe’e in Amazonien dokumentieren. Die notwendige Feldforschungsreise in das abgelegene bolivianische Dorf bringt allerdings hohe Reisekosten mit sich und die Beantragung von Finanzmitteln über institutionelle Wege gestaltet sich schwierig. Dazu kommen die Kosten für Unterbringung und technische Ausrüstung – insgesamt etwa 7000 Euro kalkuliert Julia Bischoffberger für das Projekt ein. Die Nachwuchsforscherin erprobt gerade eine ungewöhnliche Form der Mittelbeschaffung: Sie startete einen Aufruf über die Plattform sciencestarter.de mit einer umfangreichen Beschreibung des Vorhabens. Der Finanzierungsaufruf läuft noch 16 Tage, 18 Unterstützer wollen bis jetzt etwas über 1.500 € zur Verfügung stellen. Wird die benötigte Projektsumme nach Ablauf der Frist nicht erreicht, verschwindet der Aufruf wieder von der Webseite. Finden sich genügend Unterstützer, so kann Julia Bischoffberger mit ihrem Team loslegen: Die Reise nach Amazonien wäre in diesem Fall garantiert.
Wie funktioniert Crowdfunding?
Das Beispiel von Julia Bischoffberger veranschaulicht die Grundidee von Crowdfunding in der Wissenschaft. Auf der einen Seite gib es einen oder mehrere Forscher mit einer interessanten Studienidee. Auf der anderen Seite sind viele Menschen bereit, kleinere Summen für einen (subjektiv als sinnvoll erachteten) Zweck zu investieren. Crowdfunding-Plattformen bringen beide Seiten zusammen und zielen darauf ab, durch die Summe vieler kleinerer Unterstützungsbeiträge die Realisierung größerer Projekte zu ermöglichen. Dabei werden Vorhaben nur dann umgesetzt, wenn die Finanzierung durch eine ausreichende Zahl an Unterstützern sichergestellt ist. Der Zeitraum für die Suche nach Investoren über die Plattform ist ebenfalls begrenzt, um eine zeitnahe Entscheidung über die Durchführung zu gewährleisten.
Über die Online-Plattform können Forscher ihr Projekt vorstellen, die Höhe der benötigten Mittel auflisten und mit dieser Darstellung um Unterstützer werben. Interessenten haben die Möglichkeit, die verschiedenen Vorhaben zu durchstöbern und in Ruhe alle Projekthintergründe zu lesen. Wenn sie eine Idee für gut befinden, können sie entweder einen selbst gewählten Betrag spenden, das heißt ohne jegliche Gegenleistung Geld zum Gelingen des Projekts beitragen. Zum anderen ist es möglich, als Unterstützer einen Gegenwert vom Projektinitiator zu erhalten, beispielsweise das Produkt (bei einer kleineren Erfindung) oder eine Nennung im Vorwort einer Veröffentlichung. Die emotionale Bindung an das Projekt (z. B. weil man selbst in dem Feld forscht) ist neben dem wahrgenommenen Nutzen für den Spender selbst bzw. für die Gesellschaft einer der Hauptgründe der Investoren von Crowdfunding Projekten. (Für Interessierte: Diese Masterthesis bietet eine gut zu lesende Zusammenfassung der Motivation von Crowdfundern).
In Deutschland gibt es im Bereich des Wissenschafts-Crowdfunding bis jetzt nur die im November 2012 gegründete Plattform sciencestarter.de. Amerika ist hier deutlich weiter: Die bekannte Webseite experiment.com listet eine Vielzahl laufender und realisierter Projekte auf. Warum funktioniert das Prinzip in den USA deutlich besser? Und wie sieht die Zukunft von Wissenschafts-Crowdfunding in Deutschland aus?
Finanzierungsalternative mit Einschränkungen
Zunächst scheinen die Rahmenbedingungen für Wissenschafts-Crowdfunding in Deutschland nicht schlecht: 47% der Befragten einer repräsentativen Umfrage sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit nicht ausreichend in Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung eingebunden ist. Bei der Investition in Crowdfunding-Projekte ist diese mangelnde Einbindung aufgehoben: Der Unterstützer kann durch seinen Beitrag selbst entscheiden, welche Bereiche der Forschung weiter ausgebaut werden sollen und den Projektfortschritt bei einer Realisierung kontinuierlich verfolgen. Trotzdem ist die Resonanz für Wissenschafts-Crowdfunding in Deutschland bislang geringer als in den USA.
Zunächst ist in Amerika die Idee des Crowdfundings grundsätzlich weiter verbreitet als hierzulande. Damit ist es auch für wissenschaftsorientierte Plattformen leichter, das Interesse potenzieller Investoren auf sich zu ziehen. Zudem ist die Spendenkultur für Universitäten in den USA ausgeprägter, so dass Science Crowdfunding schnell zu einer akzeptierten Alternative für Direktspenden wurde. Nicht zuletzt sind die Vorbehalte der Forscher gegenüber der „Vermarktung“ ihrer Ideen über Online-Formate in Amerika gering: Dem „public impact“ (das heißt der öffentlichkeitswirksamen Reichweite von Forschung) wird dort ein sehr viel höherer Stellenwert beigemessen. Deutsche Wissenschaftler werden bei häufigem Erscheinen in den Medien an ihren Fakultäten oftmals kritisch beäugt, ganz nach dem Motto: Verlieren sie dabei nicht Zeit für Forschung? In den USA wird dagegen ganz selbstverständlich bei Berufungen und Leistungsbewertungen darauf geachtet, ob der Wissenschaftler die eigene Arbeit der Öffentlichkeit vermitteln kann. Diese Vermarktungskompetenz kommt dem Crowdfunding-Potenzial wissenschaftlicher Studien zu Gute: Je besser die „Geschichte“ des Projekts erzählt wird, desto höher die Funding-Wahrscheinlichkeit.
In Deutschland hat Wissenschafts-Crowdfunding damit erstens ein Vermarktungsproblem und zweitens ein Verbreitungsproblem.
Die Chancen der Finanzierung wissenschaftlicher Projekte über Crowdfunding sind vor allem für Forscher gut, die in der Wissenschaftskommunikation (sowohl off- als auch online) kompetent sind und Vorhaben verfolgen, die einfach erklär- und nutzbar sind. In der Vergangenheit haben gerade Nachwuchsforscher positive Erfahrungen mit der Sammlung von Geld über Online-Plattformen machen können – sie sind oftmals gar nicht berechtigt, über institutionelle Wege finanzielle Mittel zu beantragen, so dass Crowdfunding für sie eine hilfreiche Alternativroute darstellt. Dieser Gruppe fällt es oftmals auch leichter, die für Crowdfunding-Projekte wichtige Online-Vermarktung über soziale Medien, Blogs, Videoplattformen und vergleichbare Wege vor Projektbeginn und projektbegleitend durchzuführen. Auch sie kämpfen aber mit den Vorbehalten der Wissenschaftscommunity gegenüber der Mittelgabe durch Dritte: Kann die Unabhängigkeit der Wissenschaftler bei derartigen Finanzierungsformen sichergestellt werden?
In Bezug auf die Verbreitung der Projektideen zur Suche nach Finanzgebern über Online-Plattformen zeigt sich in Deutschland das Problem, dass das vergleichsweise niedrige im Markt befindliche Investitionsvolumen und die kleine Gruppe aktiver Crowdfunder die Zahl der Plattformen beschränken, die ausreichend Anbieter und Investoren auf sich ziehen. Auf der größten deutschen (für alle Projektarten offenen) Crowdfunding-Plattform startnext.de werden beispielsweise zahlreiche Vorhaben vorgestellt, die hohe Ähnlichkeiten mit Forschungsprojekten oder wissenschaftlichen Ausgründungen haben. Die Notwendigkeit einer spezifischen Webseite, die sich ausschließlich auf das Crowdfunding von Forschungsprojekten konzentriert, lässt sich damit nur mit einer systematischen Zielgruppenansprache begründen. Dazu müsste eine ausreichende Zahl potenzieller Unterstützer diese Webseite kennen und aktiv verwenden. Ein Vergleich des momentanen Nutzungsgrads von nicht spezifischen Crowdfunding-Seiten wie startnext.de und der wissenschaftsorientierten Plattform sciencestarter.de legt nahe, dass Forscher über ersteren Weg zumindest einen höheren Verbreitungsgrad unter potenziellen Investoren erreichen können. Ob sich dieser auch in einer höheren Finanzierungswahrscheinlichkeit für wissenschaftliche Projekte niederschlägt oder ob an dieser Stelle spezifische Plattformen einen Vorteil erreichen, wird sich in Zukunft zeigen.
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