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Veröffentlicht 5. März 2019 von Neysan Donnelly

Das Periodensystem der Elemente: Eine Würdigung

Am heutigen Tag feiert das Periodensystem von Dmitri Iwanowitsch Mendelejew seinen 150. Geburtstag – eine herausragende Leistung, deren Einfluss auf unser Verständnis der uns umgebenden Welt und ihrer Bestandteile nicht hoch genug bewertet werden kann.

Wissenschaftler sortieren die Dinge gerne – seien es Organismen, Proteine oder physikalische und biologische Prozesse. Damit lässt sich nicht nur die Welt verstehen und unser bisheriges Wissen erklären, sondern auch ein Gerüst schaffen, in dem bereits existierende Erkenntnisse durch neue ergänzt werden können. Ein Klassifizierungssystem jedoch sticht durch seine schiere Genialität und seine Auswirkungen auf unser Verständnis der physikalischen Welt in der Geschichte der Wissenschaft besonders hervor: das Periodensystem der Elemente, das dieses Jahr seinen 150. Geburtstag feiert und das Ergebnis eines längeren Solitär-Spiels des sibirischen Chemikers Dmitri Mendelejew ist.

Nach jahrelangen Versuchen, die Elemente zu ordnen, entwickelte Mendelejew eine neue Strategie: angeblich schrieb er die Namen der chemischen Elemente zusammen mit ihrem jeweiligen Atomgewicht auf Karten. Drei Tage und drei Nächte blieb er wach und spielte mit den Karten ‚Chemie-Solitär‘. Wie sah das System aus? Wie passten all die Karten zusammen? Schließlich nickte er am vierten Tag ein und hatte einen Traum. Und plötzlich ging ihm ein Licht auf – eine Tabelle, in der alle bekannten Elemente in einer Weise angeordnet sind, die ihr Atomgewicht und ihre chemischen Eigenschaften widerspiegelt.

Frühes Periodensystem der Elemente aus dem Jahr 1871, © Wikimedia Commons

Im öffentlichen Diskurs gelten das Periodensystem, wie wir es heute kennen, und seine zugrundeliegenden Prinzipien im Allgemeinen als das alleinige Werk von Mendelejew. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man mehr als 50 Elemente entdeckt und isoliert. Noch aber war kein übergeordnetes System erdacht worden, um die Elemente bestmöglich zu klassifizieren und ihre Beziehungen untereinander darzustellen. Die ersten Versuche in diese Richtung unternahm J.W. Döbereiner, der Elemente basierend auf ihrem Atomgewicht in kleine Gruppen von drei Mitgliedern zusammenfasste. Später stellten andere Wissenschaftler größere Gruppen zusammen. Eine Herausforderung in Bezug auf eine wirklich systematische Darstellung der chemischen Elemente bestand jedoch darin, dass die Berechnung des Atomgewichts in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht in einheitlicher Weise erfolgte. Ein frühes Periodensystem, das auf einem von Stanislao Canizzaro entwickelten vereinheitlichten System basierte, war das von A.-E.-B. de Chancourtois. Seine ‚tellurische Schraube‘ erlaubte die Gruppierung der Elemente in einer Weise, dass Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften untereinander standen. Ein anderer Wissenschaftler, dem große Fortschritte bezüglich der Entschlüsselung des Codes der chemischen Elemente gelangen, war der britische Chemiker John Newlands, der die Elemente nach zunehmendem Atomgewicht anordnete. Newlands kam dem eigentlich Kern des Problems tatsächlich recht nahe, als er erkannte, dass den Eigenschaften der Elemente eine Periodizität zugrunde liegt.

Ein Wissenschaftler stand ganz kurz vor der Konstruktion ‚unseres‘ Periodensystems – der Deutsche Julius Lothar Meyer. Auch er listete die Elemente in seiner Tabelle nach Atomgewicht auf und stellte fest, dass die Charakteristika der Elemente eine Periodizität aufweisen. De facto ähnelte sein System dem von Mendelejew in erstaunlicher Weise. Wäre Meyers Periodensystem nicht erst ein Jahr nach Mendelejew veröffentlicht worden, wäre sein Name heute wohl wesentlich bekannter.

Eine Briefmarke aus der UdSSR zum 100. Jahrestag des Periodensystems der Elemente nach Dmitri Mendeleev. © iStock/Veronika Roosimaa

Stattdessen wurde diese Ehre dem aus Sibirien stammenden und mit 16 Geschwistern aufgewachsenen Mendelejew zuteil. Nach Abschluss seines Studiums in Sankt Petersburg lehrte er an der Universität und schrieb – so heißt es – selbst ein Chemielehrbuch, da er keines auftreiben konnte, das ihm für seine Zwecke passend erschien. Etwa um diese Zeit herum entwickelte sich auch seine Leidenschaft für die Klassifizierung der chemischen Elemente.

Mendelejews Periodensystem hätte sicherlich nicht solchen Ruhm erlangt, wäre es lediglich eine Systematik der bereits bekannten Elemente gewesen. Seine Stärke liegt vielmehr auch in seiner Prognosekraft. Wie Meyer ließ auch Mendelejew absichtlich Platz für weitere, noch nicht entdeckte Elemente. Anders als Meyer machte er jedoch detaillierte Angaben zu den Eigenschaften dieser Elemente, die sich, wie er behauptete, basierend auf den Grundprinzipien seines Systems vorhersagen ließen. In der Tat stellte sich Jahre später, als diese Elemente entdeckt wurden, heraus, dass seine Prognosen äußerst präzise waren. Noch erstaunlicher ist, dass eine ganze Klasse von Elementen, die Edelgase, noch nicht einmal bekannt waren, als Mendelejew sein Periodensystem formulierte. William Ramsay, der sie entdeckte und für diese bahnbrechende Leistung 1904 den Nobelreis für Chemie erhielt, erkannte, dass in Mendelejews frühem Periodensystem Platz für diese Elemente war. Mendelejew stimmte ihm zu und fügte sie in einer späteren Version in das System ein. Belegt wurde diese Stärke des Periodensystems auch durch die Tatsache, dass Mendelejew selbst erkannte, dass sich die Eigenschaften verschiedener Elemente besser beschreiben ließen, wenn sie von der Position, die sie entsprechend ihrem bekannten Atomgewicht einnahmen, auf eine neue Position verschoben wurden.

Das vollständige Periodensystem, wie wir es heute kennen, erhielt seine endgültige Form erst durch weitere wichtige Beiträge anderer Wissenschaftler, zu denen insbesondere H.G.J. Mosely gehörte, dessen Methode zur präzisen Messung der Atomzahl bestehende Unklarheiten bezüglich der Position bestimmter Elemente im Periodensystem zu lösen half.

Hätte all dies Mendelejew nicht den Nobelpreis für Chemie einbringen müssen? Erstaunlicherweise kam es nicht dazu, obwohl er mit seiner Nominierung im Jahr 1905 und 1906 kurz davor stand. Doch beide Male hatte er das Nachsehen, vielleicht weil seine Entdeckung zu diesem Zeitpunkt bereits zu lange zurücklag.

Neysan Donnelly

Neysan Donnelly arbeitet als Projektmanager und Wissenschaftsautor im Rheinland. Er schloss seine Doktorarbeit beim Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München ab.