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Veröffentlicht 26. November 2019 von Ben Skuse

Nobelpreis für Physik 2019: Anhaltspunkte für einige unserer fundamentalsten Fragen zum Universum

Wie sind wir dorthin gekommen, wo wir sind? Sind wir alleine im Universum? Dies sind zwei der grundlegendsten Fragen, die sich über Jahrhunderte jeder Mensch – vom führenden Astronomen bis zum Schulkind – beim Blick in die Sterne schon einmal gestellt hat. Und doch waren diese Fragen bis vor relativ kurzer Zeit noch rein philosophischer Natur. James Peebles, Michel Mayor und Didier Queloz wurde nun für ihre streng wissenschaftlichen Beiträge und quantitativen Ergebnisse zum Verständnis der Entwicklung des Universums und des Platzes, den unsere Erde darin einnimmt, der Nobelpreis für Physik 2019 verliehen. Der Preis ging dabei zur Hälfte an Peebles für „theoretische Entdeckungen in der physikalischen Kosmologie“; Mayor und Queloz teilten sich die andere Hälfte für „die Entdeckung eines Exoplanten im Umlauf um einen sonnenähnlichen Stern“.

Peebles, Professor emeritus an der Universität Princeton, kann als einer der wichtigsten Begründer der physikalischen Kosmologie gelten – einer Disziplin, die die Gesetze der Physik auf das gesamte Universum anwendet. Seine ersten entscheidenden Beiträge zu diesem Forschungsgebiet waren durch die Entdeckung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (cosmic microwave background, CMB) im Jahr 1965 motiviert, für die Arno Penzias und Robert Wilson 1978 den Nobelpreis erhielten. Noch im Jahr der Entdeckung entwickelten Peebles, sein Mentor Robert Dicke und zwei andere Kollegen eine grundlegende Erklärung für die Hintergrundstrahlung: das allmählich verlöschende Nachleuchten des Urknalls. Weiterhin extrapolierten sie die von Penzias und Wilson nachgewiesene Temperatur der Hintergrundstrahlung bis beinahe zum Beginn des Universums zurück und kamen auf eine Temperatur des „Urfeuerballs“ von mehr als 10 Milliarden Grad Celsius. Damit war die physikalische Kosmologie geboren.

1966 wartete Peebles mit detaillierten Berechnungen dazu auf, wie und in welchen Mengen Protonen und Neutronen und schließlich Atomkerne im frühen Universum entstanden. Er zeigte, dass beim Urknall nur die einfachsten Elemente gebildet werden konnten, was der bestehenden Meinung der vorangegangenen Jahrzehnte widersprach. Seine fortgesetzte Beschäftigung mit dem Thema Hintergrundstrahlung lieferte fundierte Erkenntnisse darüber, wie viel Materie beim Urknall entstand und wie diese Materie dann zu Galaxien und Galaxienhaufen verklumpte. Außerdem untermauerten diese frühen Arbeiten die Annahme, dass dunkle Materie einen Hauptbestandteil des Universums darstellt.

Peebles leistete zu beinahe jedem Rätsel des Weltalls wichtige Beträge. Er entwickelte beispielsweise die Theorie der kosmologischen Inflation – eines Zeitraums exponentieller Ausdehnung zu Beginn des Urknalls – weiter, die als Grund für das heutige Aussehen des Universums angeführt wird. Weiterhin half er die aktuelle rasche Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums zu erklären, indem er sich Albert Einsteins kosmologischer Konstante zuwandte, die heute für gewöhnlich als dunkle Energie bezeichnet wird und bei der es sich um einen antigravitativen Effekt handelt, der im gesamten Weltraum zu finden ist und dessen Ausdehnung bewirkt. Diese Arbeiten legten den Grundstein für die Entwicklung des Standardmodells der Kosmologie – ΛCDM (Lambda Cold Dark Matter).

Mit Blick auf seine wissenschaftlichen Leistungen kann Peebles ohne Übertreibung als einer der wichtigsten Erzähler der Geschichte unseres Universums, wie wir es heute verstehen, gelten. Sein Einfluss ist möglicherweise sogar noch grundlegender, da er uns gezeigt hat, wie sich diese Geschichte mithilfe der physikalischen Kosmologie, anhand derer dunkle Materie und dunkle Energie erforscht werden, besser verstehen lässt und sogar der Versuch unternommen werden kann, Antworten auf die Frage nach dem Beginn des Universums zu finden.

Nicht weniger bedeutsam für die Menschheit als die Frage, wie es uns hierher verschlagen hat, ist die Frage, ob wir alleine im Universum sind. Um sie auch nur ansatzweise beantworten zu können, mussten Astronomen und Astrophysiker wissen, ob unser Sonnensystem einzigartig oder eines von zahllosen Planetensystemen in der Milchstraße ist.

Der erste Planet, der einen sonnenähnlichen Stern umkreist und außerhalb unseres Sonnensystems gefunden wurde, befindet sich im Sternbild Pegasus. Es umkreist einen Stern namens 51 Pegasi, der mit bloßem Auge nur sichtbar ist, wenn es wirklich dunkel ist. Die vier Sterne, die den Platz des Pegasus bilden, sind jedoch leicht zu identifizieren.

Noch bis 1994 waren keinerlei sonnenähnliche Sterne umkreisende Exoplaneten bekannt (wenngleich man 1992 zwei einen Pulsar umkreisende Planeten gefunden hatte). Durch Michael Mayor und Didier Queloz änderte sich diese Situation am 6. Oktober 1995 schlagartig, als sie die Entdeckung eines einen Hauptreihenstern (51 Pegasi) umkreisenden Exoplaneten bekanntgaben.

Zum Zeitpunkt dieser Entdeckung arbeiteten die Forscher am Observatoire de Haute-Provence in Frankreich. Dort konstruierten sie einen individuellen Spektrographen zur präzisen Messung des Sprektrums des einfallenden Sternenlichts. Mithilfe des auf den Namen ELODIE getauften Spektrographen untersuchten sie, ob bei einem der 142 unterschiedlichen Sterne als Hinweis für den Gravitationssog eines Planeten eine winzige Wackelbewegung auftrat, die sich als periodische Verschiebung der Spektrallinien des beobachteten Sterns erfassen ließ.

Der nur 50 Lichtjahre von der Erde entfernte Stern 51 Pegasi zeigte als einziger diese typische Verschiebung. Nach rascher Bestätigung durch andere Observatorien wurde nachgewiesen, dass die Bewegung durch einen den Stern in einer engen Bahn umkreisenden Jupiter-ähnlichen Planeten namens 51 Pegasi b hervorgerufen wurde. Dieser umrundete seinen Zentralstern mit großer Geschwindigkeit einmal alle vier Tage.

Zwar weist 51 Pegasi b keine Bedingungen auf, unter denen Leben entstehen kann, doch die Entdeckung dieses Planeten führte in eine neue Ära der Exoplanetenentdeckung. In Verlauf dieser Zeit wurde Mayors und Queloz‘ Technik verfeinert und man entwickelte andere Verfahren zum Aufspüren von Exoplaneten. Bis November 2019 war laut dem Exoplanet Catalog der NASA die Entdeckung von 4093 Exoplaneten bestätigt worden.

Aufgrund der großen Vielseitigkeit und Vielzahl dieser Exoplaneten waren die Astronomen gezwungen, ihre Modelle der Planetenentstehung abzuändern. Präzisere Informationen über diese Himmelskörper haben gezeigt, dass, obgleich unwirtliche Gasriesen wie 51 Pegasi b häufig sind, auch terrestrische Welten im Überfluss existieren – einige verfügen über eine Atmosphäre und Wasser, und ein paar wenige erfüllen alle Voraussetzungen für eine potentielle Bewohnbarkeit und möglicherweise sogar Leben.

Die diesjährigen Physiknobelpreisträger Peebles, Mayor und Queloz haben anderen Astronomen den Weg bereitet, um zwei der fundamentalsten Fragen der Menschheit das Universum betreffend zu beantworten. Diejenigen, die schlussendlich die Antwort darauf geben werden, wie der Beginn des Universums aussah und ob wir darin alleine sind, verdanken dies diesen drei außergewöhnlichen Forschern.

Ben Skuse

Benjamin Skuse ist professioneller freiberuflicher Autor für vielfältige Wissenschaftsbereiche. Zuvor promovierte er in Angewandter Mathematik an der Universität Edinburgh und erhielt einen MSc in Wissenschaftskommunikation. Heute lebt er in West Country/Großbritannien. Er hat sich zum Ziel gesetzt, verständliche, fesselnde und überzeugende Artikel für alle Leser zu schreiben - unabhängig von der Komplexität der Themen. Seine Artikel sind bereits in New Scientist, Sky & Telescope, BBC Sky at Night Magazine, Physics World und vielen anderen Publikationen erschienen.