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Veröffentlicht 8. November 2019 von Kit Chapman

Nobelpreis für Chemie 2019: Wie Batterien unsere Welt elektrifizierten

John Goodenough, M. Stanley Whittingham und Akira Yoshino erhielten 2019 den Nobelpreis für Chemie „für die Entwicklung von Lithiumionenbatterien“. Damit legten die drei Nobelpreisträger den Grundstein für unsere elektrifizierte, mobile moderne Welt.

Am Morgen des 9. Oktober putzte sich John Goodenough gerade die Zähne, als sein Kollege ins Badezimmer kam. Soeben war ein Anruf auf dem Handy eingegangen: Goodenough war der Nobelpreis für Chemie 2019 verliehen worden. Zum ersten Mal erfuhr ein Nobelpreisträger von seiner Auszeichnung dank genau der bahnbrechenden Erfindung, für die er die Auszeichnung erhielt.

Goodenough wurde gemeinsam mit Stanley Whittingham und Akira Yoshino für seine Rolle bei der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien geehrt – den kleinen wissenschaftlichen Wunderwerken, die den Strom ins Taschenformat brachten und das Zeitalter der mobilen Technologie einläuteten.

Batterien gibt es bereits seit 200 Jahren. Sie bestehen aus Zellen, die Elektrizität in Form chemischer Energie speichern. Aufgebaut sind sie aus drei Teilen: zwei Platten, die als Anode und Kathode bezeichnet werden, und einem dazwischen liegenden Elektrolyten. Wird die Batterie an einen Stromkreis angeschlossen, findet eine Reihe chemischer Reaktionen statt, die je nach den Metallen und dem Elektrolyten, die zum Einsatz kommen, variieren. Diese Reaktionen führen dazu, dass sich negativ geladene Elektronen an der Anode sammeln und positiv geladene Ionen zur Kathode bewegen. Die Elektronen möchten zur Kathode wandern, werden aber durch den Elektrolyten blockiert. Die einzige Möglichkeit ihn zu umgehen besteht darin, entlang des elektrischen Stromkreises zu fließen, wodurch ein Strom erzeugt wird, der bewirkt, dass die Batterie ein Gerät mit Energie versorgen kann.

Das Problem bei der Standardbatterie ist, dass sie, sobald die Reaktionen abgelaufen sind, keine weiteren Elektronen erzeugen kann – sie ist leer. An dieser Stelle kommen wiederaufladbare Batterien ins Spiel. Sie können den Elektronenfluss umkehren und die Anode und Kathode wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzen, so dass die Batterie erneut verwendet werden kann. Die erste wiederaufladbare Batterie, entwickelt im Jahr 1859, bestand aus Bleiplatten, zwischen denen sich Schwefelsäure als Elektrolyt befand. Diese Batterien sind noch heute weltweit im Einsatz, vor allem in Kraftfahrzeugen. Da Blei-Säure-Batterien jedoch groß, sperrig und schwer sind, eignen sie sich nicht für tragbare elektronische Geräte. Man benötigte also eine völlig neue Art leistungsstarker, leichter Batterien.

Lithium-Batterie mit LixCoO2 als Kathode

Lithium bietet hierfür die idealen Voraussetzungen: Es ist das leichteste Metall im Periodensystem (noch leichter sind nur die Elemente Wasserstoff und Helium) und besitzt eine hohe Energiedichte. 1976 entwickelte der britische Chemiker M. Stanley Whittingham, der damals für Exxon Mobil tätig war, die erste wiederaufladbare Batterie mit einer Lithiumanode. In seiner Batterie bewegten sich Lithiumionen durch den Elektrolyten und fügten sich selbst in eine Titandisulfid-Kathode ein. Dieser Vorgang war reversibel, sodass Whittinghams Batterie tausende Male ohne Leistungsverlust wiederaufgeladen werden konnte. Das Beste an den Lithium-Ionen-Batterien war jedoch, dass sie im Vergleich zu den Blei-Säure-Alternativen gewichts- und volumenmäßig etwa zehn Mal mehr Energie speichern konnten.

Leider wies Whittinghams Konstruktion ein großes Manko auf. Die chemischen Reaktionen führten dazu, dass sich nadelartige Strukturen aus metallischem Lithium, sogenannte Whisker, bildeten, die sich durch den Elektrolyten erstreckten. Diese Whisker konnten so groß werden, dass sie die Kathode berührten, was in einem Kurzschluss resultierte, der den Elektrolyten entzündete und einen Brand auslöste. Außerdem waren Whittinghams Batterien für eine Massenproduktion zu teuer und explodierten bei Erschütterung leicht.

Goodenough jedoch war von Whittinghams Erfindung inspiriert. Für den amerikanischen Physiker von der Universität Oxford war weltverändernde Technologie nichts Neues: in den 1950er Jahren hatte er das Random Access Memory (RAM) entwickelt, den Kurzzeitspeicher des Computers. Anstatt seine Batterie in geladenem Zustand zu konstruieren, entschied sich Goodenough für die Entwicklung einer ungeladenen Batterie. In den 1980er Jahren entwarf seine Arbeitsgruppe eine Kathode aus Lithiumkobaltoxid-Schichten – eine stabile Struktur, die die Lithiumionen nach Art eines Sandwiches effektiv an Ort und Stelle hielt. Goodenoughs Mitarbeiter stellten fest, dass sich etwa die Hälfte der Lithiumionen so laden ließ, was in einer Batterie resultierte, die eine Spannung von 4V erzeugen konnte – fast doppelt so viel wie mit Whittinghams Konstruktion.

Was der Batterierevolution aber noch fehlte, war jemand, der bereit war, die Konzepte zur Marktreife zu führen. Der für das japanische Unternehmen Asahi Kasei tätige Akira Yoshino und sein Team ließen Goodenoughs Kathode unverändert, verwendeten aber statt der zur Gänze aus Metall bestehende Anode eine Anode auf der Basis von Erdölkoks, in dessen Gitter sie Lithiumionen einarbeiteten. Als Ergebnis enthielt die Batterie keinerlei metallisches Lithium mehr, was die Entstehung der gefährlichen Whisker verhinderte. Yoshino entwickelte zudem weitere Sicherheitsmaßnahmen. Die Batterie wurde mit einer dünnen, porösen Membran ausgestattet, um die Anode und die Kathode zu trennen. Im Falle einer Überhitzung der Batterie schmilzt die Membran und verschließt die beiden Kammern. Schließlich installierte Yoshino eine kleine Aluminiumkappe, die abplatzt, wenn sich im Inneren der Batterie Gas bildet. Nun endlich war die Lithium-Ionen-Batterie soweit, tragbare elektronische Geräte Wirklichkeit werden zu lassen.

 

Lithium-Ionen-Batterie mit Ionentransferzelle

1991 brachte Sony Yoshinos Batterie auf den Markt. Mit den zunehmenden Verbesserungen – die Batterie wurde schmaler, hielt länger und ließ sich schneller aufladen – stieg auch die Anzahl ihrer Anwendungsmöglichkeiten. Heute versorgen Lithium-Ionen-Batterien die moderne Welt mit Strom und kommen unter anderem in Mobiltelefonen, Laptops und Elektroautos zum Einsatz – und natürlich in elektrischen Zahnbürsten. De facto sind sie mittlerweile so verbreitet, dass Chemiker derzeit nach Alternativen zu Lithium suchen, da dessen weltweite Vorkommen wahrscheinlich bald erschöpft sein werden.

Wenn der Nobelpreis wahrlich weltverändernde Leistungen auszeichnen soll, so kann man sich wohl kaum würdigere Preisträger als Goodenough, Whittingham und Yoshino vorstellen. Alle drei arbeiten weiterhin in ihren Laboren, auch wenn Goodenough mit seinen 97 Jahren der älteste Nobelpreisträger aller Zeiten ist. „Ich wollte ein Entdecker sein“, sagte er der Fachzeitschrift Chemistry World. „Und die Wissenschaft ist ein ziemlich guter Ort, um auf Entdeckungsreise zu gehen.“

Kit Chapman

Kit Chapman is an award-winning science journalist and communicator. Formerly an editor for Chemistry World, Kit has also written for Nature, New Scientist, The Daily Telegraph and BBC Science Focus among others. His first book, Superheavy: Making and Breaking the Periodic Table, is a finalist for the 2020 AAAS and Subaru SB&F Prize for Excellence in Science Books.