Veröffentlicht 13. Januar 2022 von Perparim Limani
Neues Medikament zur Krebsbehandlung auf gutem Weg
Eine Master Class im Rahmen der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung 2014 (Physiologie/Medizin) war für Lindau Alumnus Perparim Limani ein wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung eines neuen Ansatzes zur Behandlung von Krebserkrankungen.
Unser neues Therapiekonzept zur Bekämpfung von Tumoren haben wir gemeinsam mit Prof. Pierre-Alain Clavien, Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie und Schweizer Zentrum für Leber- und Pankreaskrankheiten am Universitätsspital Zürich (USZ), in Kooperation mit den Kolleg*innen aus der Onkologie entwickelt. Dieses Projekt war Basis meiner Doktorarbeit. Wichtig war dabei auch die enge Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Chemienobelpreisträger Jean-Marie Lehn im Hinblick auf den Einsatz des Moleküls Inositol Trispyrophosphat (ITPP). Nachdem er mit seiner Gruppe dieses Molekül entwickelt hatte, war Professor Lehn auf der Suche nach Mediziner*innen, die Anwendungsmöglichkeiten erproben.
Sauerstoffzufuhr als zentraler Punkt
Ein zentraler Ansatzpunkt unserer Idee ist die Sauerstoffzufuhr zum Tumor. Im Frühstadium läuft die Versorgung des Tumors mit Sauerstoff über direkte Diffusion. Reicht diese nach einer Größenzunahme der Tumoren nicht mehr aus, kommt es zu einer Hypoxie. Daraufhin verändert der Tumor seinen Phaenotypen und seinen Mechanismus – es bilden sich Metastasen. Die Innovation unseres Ansatzes besteht nun im Einsatz von ITPP als allosterischer Effektor am Hämoglobin, dadurch gelangt mehr Sauerstoff in die Tumoren und deren Umgebung. Bisherige Therapien setzen eher darauf, die Sauerstoffzufuhr zu verringern. In unseren präklinischen Studien konnten wir zeigen, dass die Nutzung des von Jean-Marie Lehn entwickelten ITPP das Tumorwachstum signifikant hemmt – und so die Ausgangssituation der Patient*innen in der Phase I Studie vor dem Beginn der Standardtherapie wie Chemotherapie, Operation oder Bestrahlung verbessern könnte. Die Teilnehmer*innen erhielten fünf bis neun Infusionen mit ITPP und wurden medizinisch überwacht. Sie konnten danach mit einer günstigeren Grundvoraussetzung in die Behandlung starten, da die Krebszellen sich weniger aggressiv verhielten.
Input aus Lindau
Zwar stand ich durch mein Projekt schon vorher in Kontakt mit Jean-Marie Lehn und seinen Kolleg*innen, doch meine Teilnahme an seiner Masterclass während der 64. Lindauer Tagung lieferte noch einmal wichtige Impulse für unsere Arbeit. Der Austausch mit Mediziner*innen und Biolog*innen verschiedener Forschungsgebiete aus der ganzen Welt war sehr hilfreich, etwa um Tiermodelle zu diskutieren, das Setting zu optimieren und die Auswahl der Patient*innen für die klinischen Studien zu besprechen.
Von Prof. Jules A. Hoffmann konnte ich wertvolle Hinweise zu Methoden für die Arbeit im Labor mitnehmen, mit Prof. Ferid Murad diskutierte ich Aspekte der Biochemie. Außerdem konnte ich mein wissenschaftliches Netzwerk erweitern. Mit vielen Alumni bin ich über Social Media verbunden und verfolge ihre Arbeit. Ganz konkret konnte ich über einen anderen Teilnehmer beispielsweise ein diagnostisches Gerät testen und so unkompliziert feststellen, dass es für meine Arbeit nicht das passende war.
Das ist auch mein Tipp für zukünftige Nachwuchswissenschaftler*innen, die nach Lindau kommen: Genießt das vielfältige Programm und die Einblicke in die Arbeit von Nobelpreisträger*innen sowie Forscher*innen aus aller Welt. Das gleiche Motto gilt eigentlich auch für die tägliche Arbeit. Ich würde keinen Karriereplan verfolgen, sondern Freude aus der Arbeit ziehen. Man weiß in der Forschung sowieso vorher nicht, welche Ergebnisse man genau erhalten wird, da man immer wieder Neuland betreten muss – das ist nun mal das Prinzip von Wissenschaft. Mit dieser Einstellung werde ich auch im Frühjahr 2022 die Phase II der klinischen Studien unseres neuen Therapieansatzes beginnen, die Entwicklung von neuen Medikamenten ist nun mal in der Regel ein langer Weg.