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Veröffentlicht 5. Oktober 2020 von Daniela Thiel

Neuer Ansatz gegen Tumorerkrankungen

Charlotte Dahlem konnte im Sommer 2020 ihre Doktorarbeit an der Universität des Saarlandes einreichen. Photos/Credits: Jan Henrich/Universität des Saarlandes.

Charlotte Dahlem gehört zu den Wissenschaftlerinnen, die zur 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung 2021 eingeladen wurden. Im Sommer 2020 vollendete die Pharmazeutin ihre Doktorarbeit im Bereich der Pharmazeutischen Biologie an der Universität des Saarlandes, die nun mit dem Preis der Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung prämiert wurde. Ihre Promotion widmet sich dem Naturstoff Thioholgamide A, der die Basis für eine Doppelstrategie gegen Tumorerkrankungen legen könnte: Er hemmt das Zellwachstum des Tumors und sorgt zusätzlich dafür, dass die auch als „Fresszellen“ bezeichneten Makrophagen eine Tumorzellen-bekämpfende Aktivität zeigen. Denn Makrophagen können durch vom Tumor ausgesendete Botenstoffe beeinflusst werden und so die körpereigene Immunabwehr behindern und das Tumorwachstum fördern. Die Folge ist eine Verschlechterung der Prognose von betroffenen Patientinnen und Patienten. Das Preisgeld für den neuartigen Ansatz zur Lösung dieses Problems bei der Krebstherapie wird die Saarländerin für Forschungsaufenthalte, u.a. in Stockholm, nutzen.

Wir konnten mit ihr über ihre Forschung und die Erwartungen an die 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung sprechen.

Wie sind Sie auf diesen neuen Ansatz der Tumorbekämpfung als Thema für Ihre Doktorarbeit gekommen?

Wie so häufig war auch ein wenig Glück im Spiel, ein derartiges Projekt zu finden. Ich war in einer Arbeitsgruppe tätig, die sich sowohl mit Fragen rund um die Entstehung von Tumoren als auch der Makrophagenaktivierung in inflammatorischen Prozessen beschäftigt hat. So kam ich zu der Suche nach einem Naturstoff, der sowohl Tumorzellen als auch Makrophagen in der Tumormikroumgebung beeinflussen kann. Dafür habe ich die Wirkungen verschiedener Naturstoffe auf diese beiden Zelltypen untersucht und bin tatsächlich auf ein vielversprechendes Profil gestoßen: Beim Naturstoff Thioholgamide A (ThioA) konnte ich Hinweise darauf erkennen, dass er zum einen das Wachstum von Tumoren hemmt und zum anderen Makrophagen von einem Tumor-fördernden in einen Tumor-bekämpfenden Phänotyp umpolt. Dieser doppelten Wirkung konnte ich dann in meiner Doktorarbeit nachgehen.

Was waren die größten Herausforderungen bei dieser Forschungsarbeit?

Es handelte sich vor allem am Anfang um ein offenes Thema, bei dem die Fragestellung sehr weit gefasst war. Daher mussten auf Basis der aktuellsten Ergebnisse meiner Experimente immer wieder viele Zwischenschritte besprochen, umgeworfen und Strategien neu geplant werden. Das Projekt- und Zeitmanagement war dementsprechend eine sehr wichtige – und auch herausfordernde – Aufgabe. Aber es ist mir gelungen, innerhalb von drei Jahren, zwischen Juli 2017 und Juli 2020, die Arbeit und damit auch meine Promotion abzuschließen.

Worin bestand die Besonderheit in Ihrem Vorgehen bei der Erforschung des neuen Wirkstoffes?

Die Untersuchungen von anti-Tumorwirkungen neuer Substanzen beziehen meistens ausschließlich Tumorzellen ein. Dabei hat die Tumormikroumgebung, im Speziellen Makrophagen, einen entscheidenden Einfluss auf die Effektivität neuer Therapien. Daher haben wir unsere Suche auf Stoffe gerichtet, die in der Lage sind, nicht nur Tumorzellen, sondern auch Makrophagen positiv zu beeinflussen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Doktorarbeit war die Untersuchung dieser Stoffe an Zebrafisch-Modellen. Tumormodelle in Zebrafisch-Embryonen können wertvolle Erkenntnisse für die Erforschung neuer Wirkstoffe liefern und ermöglichen die Untersuchung neuer Substanzen, die zu Beginn nur in limitierter Menge zur Verfügung stehen. Bei einem Aufenthalt in Japan konnte ich mir Methoden im Umgang mit der Forschung an Zebrafischen aneignen. Auch bei meinen nächsten Forschungsaufenthalten, die hoffentlich zeitnah umgesetzt werden können, werde ich dieses Thema vertiefen.

Wie geht es jetzt weiter mit Ihrem Forschungsthema?

Mit meiner Doktorarbeit habe ich die Basis für einen möglicherweise neuartigen Ansatz in der Krebstherapie gelegt. Um die Wirkung von ThioA im Körper jedoch besser zu verstehen und um daraus eventuell eine Therapie zu entwickeln, müssen noch weiterreichende Studien erfolgen. Danach müsste der Wirkstoff natürlich in klinischen Studien erprobt werden. Es wird also noch dauern, bis der Naturstoff zum Einsatz kommen könnte.

Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen Pharmazie zu studieren und Wissenschaftlerin zu werden?

Mein Ziel war, in einem medizinisch/therapeutischen Beruf zu arbeiten, das war mir schon während der Schulzeit klar. Allerdings wollte ich nicht Medizin studieren und Ärztin werden. Medizinische Forschung fand ich allerdings total spannend und habe viel darüber gelesen – schließlich kann man auch durch wissenschaftliche Erkenntnisse Krankheiten bekämpfen und so Menschen helfen. Nach einem kurzen Abstecher in die Biochemie hat sich dann die Pharmazie als perfektes Umfeld für mich erwiesen. Dieses Themengebiet vereint eine breite naturwissenschaftliche Kenntnis mit einer medizinische Anwendung – für mich die optimale Kombination.

Worauf freuen Sie sich am meisten im Hinblick auf die 70. Nobelpreisträgertagung in Lindau?

Ich finde es immer sehr bereichernd, mich mit anderen Menschen, auch aus anderen Fachdisziplinen, auszutauschen und ihre Sichtweisen auf wissenschaftliche Fragestellungen kennenzulernen. Deswegen finde ich auch Forschungsaufenthalte an anderen Universitäten sehr spannend. Gerade die anstehende interdisziplinäre Tagung eignet sich perfekt für diesen Austausch. Und durch die zahlreichen Vorträge im Rahmen einer Lindauer Tagung erhält man auf jeden Fall Inspiration für die eigene Arbeit.

 

Charlotte Dahlem

Charlotte Dahlem studierte Pharmazie, aktuell gehört die Diplom-Pharmazeutin und Apothekerin als Doktorandin der Pharmazeutischen Biologie an der Universität des Saarlandes zum Team von Professorin Alexandra K. Kiemer.

Ihre Promotion konnte sie im Juli 2020 einreichen und im September 2020 den Preis der Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung für ihre Forschungsarbeit entgegennehmen.

Im Sommer 2021 wird sie an der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung teilnehmen.

 

Photo/Credit: Claudia Ehrlich/Universität des Saarlandes

Daniela Thiel

Daniela Thiel gehört zum Kommunikationsteam der Lindauer Nobelpreisträgertagungen.