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Veröffentlicht 2. Juli 2019 von Meeri Kim

Die Grenzen der Laserintensität neu definieren

Donna Strickland bei ihrem Vortrag auf der 69. Lindauer Nobelpreisträgertagung. Photo/Credit: Julia Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings

Zwei Vorträge von Donna Strickland und Gérard Mourou, zwei der letztjährigen Nobelpreisträger für Physik, bildeten den Auftakt des ersten vollen Programmtages der 69. Lindauer Nobelpreisträgertagung. Die beiden Physiker teilten sich die Hälfte des Nobelpreises 2018 für ihre gemeinsame Arbeit über die Erzeugung hochintensiver, ultrakurzer Laserpulse, die heute in vielfältigen medizinischen und industriellen Anwendungen – von der Augenchirurgie bis zur Datenspeicherung – genutzt werden.

Die bahnbrechende Forschung, die zu den kürzesten und intensivsten Laserpulsen geführt hat, die die Menschheit je erzeugt hat, bildete die Grundlage für die Dissertation Stricklands, die von Mourou als Mentor begleitet wurde. Ungefähr im selben Alter wie viele der jungen Nachwuchswissenschaftler der Lindauer Tagung war sie an der Entwicklung einer Technik beteiligt, die das Gebiet der Laserphysik maßgeblich revolutionieren sollte.

„Hier stehe ich also, um Ihnen etwas über die Arbeit für die Dissertation zu erzählen, die mir den Nobelpreis eingebracht hat. Warum war ich die Studentin von Gérard Mourou, die diese Arbeit tun durfte?”, begann Strickland ihren Vortrag. „Das hing damit zusammen, dass ich die einzige in seiner Gruppe war, die versuchte, hochgeordnete, nichtlineare Optik zu betreiben und dafür brauchte ich einen extrem intensiven Laser.”

Zu Beginn ihres Dissertationsprojekts gab ihr Mourou ein Theoriepapier aus dem Jahr 1973 des Stanforder Physikers Stephen Harris mit dem Titel „Generation of Vacuum-Ultraviolet and Soft—X-Ray Radiation Using High-Order Nonlinear Optical Polarizabilities” an die Hand. Darin wurden die Möglichkeiten untersucht, kohärente Strahlung in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums als den zur damaligen Zeit üblichen Lasern im sichtbaren und Infrarotbereich zu erhalten. Harris schlug vor, die Röntgen- und Ultraviolettstrahlung mit Harmonischen höherer Ordnung zu erreichen.

In diesem Zusammenhang brachte Strickland die Idee ein, die neunte Harmonische eines Nd:YAG-Lasers zu messen, der auf ein Nickelplasma einwirkt. Für ein derartiges Experiment benötigte sie einen kurzen Laserpuls mit ausreichender Energie. Allerdings hatte die Entwicklung immer intensiverer, kurzer Laserpulse bis Mitte der 1980er Jahre in eine Sackgasse geführt: Alles jenseits der Leistungsgrenze von einem Terawatt hatte die Zerstörung des Verstärkungsmaterials zur Folge.

Das änderte sich grundlegend, als Strickland und Mourou ein neues Verfahren mit der Bezeichnung Chirped Pulse Amplification (CPA) entwickelten, um dieses Problem zu umgehen und kurze Laserpulse auf ein nie dagewesenes Niveau zu verstärken, ohne dabei die optischen Komponenten zu zerstören.

Nobelpreisträgerin für Physik Donna Strickland mit #LINO19 Nachwuchswissenschaftlern. Picture/Credit: Julia Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings

„Wir wollten diesen sehr kurzen, intensiven Puls, den ich gerne als Laserhammer bezeichne, für unsere Anwendung oder unser Experiment. Aber wir wollten ihn einfach nicht im Laserverstärker”, beschrieb sie die herausfordernde Aufgabe. „Wenn man also mit einem kurzen Puls beginnt und ihn mit einem guten und sicheren Verfahren verlängert, kann man ihn verstärken. Und schließlich komprimiert man ihn.”

Bei der ursprünglichen Implementierung des CPA-Verfahrens wurde ein kurzer Puls im Nanojoule-Bereich von einem modengekoppelten Nd:YAG-Laser in eine Singlemode-Faser eingekoppelt und auf eine Dauer von rund 300 Pikosekunden verlängert. Der Puls wurde linear in der Faser gechirpt und dann von einem Nd:glass regenerativen Verstärker verstärkt. Zum Schluss passierte der Puls einen Doppelgitterkompressor für eine Enddauer von 2 Pikosekunden und eine Endenergie von 1 Millijoule.

Dieser experimentelle Prozess war allerdings alles andere als ein Kinderspiel. Strickland erzählte, wie sie den 2,5 Kilometer langen Lichtwellenleiter, den die nahe gelegene Firma Corning Glass großzügigerweise gespendet hatte, zerbrach: „Als ich das Licht durch die optische Faser schickte, kam es nicht heraus. Und als ich nach der Ursache suchte, stellte ich fest, dass ich den Lichtwellenleiter fast in der Mitte zerbrochen hatte … also nutzte ich nur die 1,4 Kilometer, die mir zur Verfügung standen.”

Aber natürlich gelang Strickland und Mourou schließlich der Nachweis, dass die CPA-Technik  hervorragend funktionierte, und konnten 1985 ihre bahnbrechende Arbeit zu diesem Thema veröffentlichen. Die Technik wurde zum Standard aller hochintensiven Laser, die danach konstruiert wurden. Auch heute bauen andere Forschungsgruppen ihre Versuche, noch leistungsstärkere Laserpulse zu erzeugen, weiterhin auf dieser Arbeit auf.

Als nächstes betrat Mourou die Bühne, um die Forschung in hochintensiver Laserphysik zu beschreiben, die nach der Entwicklung des CPA-Verfahrens kam. Er warf auch einen Blick in die Zukunft dieses Forschungsgebiets. Von Anwendungen in der Quantenoptik, die es ermöglichen, Atome mit Laserlicht zu verlangsamen und zu kühlen, bis hin zur relativistischen Optik, bei der Laser-Materie-Wechselwirkungen vom relativistischen Charakter der Elektronen dominiert werden, beschrieb er seine anhaltende Faszination für das Licht und dessen Vielfältigkeit.

„Was mich am Licht immer besonders beeindruckt hat, ist die Vielzahl der Dinge, die man damit machen kann”, sagte er. „Und das haben wir mindestens einer Sache zu verdanken, nämlich dem ersten funktionstüchtigen Laser, der von Ted Maiman entwickelt wurde.”

Nobelpreisträger Gérard Mourou bei seinem Vortrag. Picture/Credit: Julia Nimke/Lindau Nobel Laureate Meeting

Obwohl er mit dem CPA-Verfahren bereits zu einem enormen Durchbruch auf dem Gebiet beigetragen hat, will Mourou diese Forschungsrichtung weiterverfolgen und innovative Wege finden, die Laserintensität zu erhöhen: von den derzeit erreichten 1024 oder 1025 W/cm2 auf enorme 1029 W/cm2. Die Erhöhung der Pulsenergie eines Lasers kann sehr kostenintensiv sein. Deshalb hebt Mourou hervor, dass die Verkürzung der Laserpulsdauer die bessere Abkürzung auf dem Weg zu einer höheren Pulsspitzenleistung ist.

Während CPA ursprünglich mit schwachen Laserpulsen nachgewiesen wurde, haben sich Forscher unlängst die Fähigkeit zunutze gemacht, Petawatt-Pulse und selbst Laserpulse mit mehreren zehn Joule Energie zu komprimieren. Die Wechselwirkung dieser ultrakurzen Pulse mit einem relativistischen Plasmaspiegel — der sich formiert, wenn ein Puls eine feste Oberfläche ionisiert — führt zu weiterer Komprimierung und ermöglicht ein ganzes Bündel an neuen Attosekunden- und Zeptosekundenapplikationen.

„Man könnte sie für sehr bedeutende Anwendungen in der Astrophysik nutzen, denn dann könnte tatsächlich diese Höchstenergieteilchen erzeugt werden, die man heute noch nicht herstellen kann und die nur irgendwo im Kosmos erzeugt werden”, erläuterte Mourou. „Darüber hinaus könnte man versuchen, einige der Vorgänge nachzuvollziehen, die sich in Gammablitzen ereignen. Hier könnten wir möglicherweise den Kosmos gewissermaßen mit Zeptosekundenpulsen kompaktifizieren und ihn auf dem Labortisch studieren.“

Mourou beendete seinen Vortrag mit einem Projekt, dem seine besondere Leidenschaft gilt: der Nutzung dieser hochintensiven Laser, um die Auswirkungen nuklearer Abfallprodukte abzufedern. Obwohl diese spezielle Anwendung wahrscheinlich noch einige Jahre entfernt ist, zeigt sich Mourou überzeugt, dass Laser die Lebensdauer von Tausenden von Jahren für solche Abfallprodukte auf Minuten verkürzen könnten – mit einem Prozess, der als Transmutation bezeichnet wird. Mourou und sein Kollege Toshiki Tajima möchten einen hochgeschwindigkeitslaser-gestützten Beschleuniger entwickeln und einen Neutronenstrahl erzeugen, der in Atome eindringen und die Zusammensetzung ihrer Kerne verändern kann.

Meeri Kim

Meeri N. Kim, PhD works as a science writer who contributes regularly to The Washington Post, Philly Voice and Oncology Times. She writes for The Washington Post’s blog “To Your Health,” has a column for Philly Voice called “The Science of Everything” and her work has also appeared in The Philadelphia Inquirer, Edible Philly and LivableFuture. In 2013, Meeri received a PhD in physics from the University of Pennsylvania for her work in biomedical optics.