Veröffentlicht 23. Juni 2015 von Stephanie Hanel
4 Young Scientists und ein großes Thema: Klimawandel
Die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus schlägt Wellen. Was für die wissenschaftliche Community längst gesetzte Fakten sind – die von uns Menschen gemachte Erderwärmung und ihre Folgen – wurde und wird immer noch von verschiedener Seite geleugnet. Die Verlautbarungen des Papstes sind nicht an und für sich revolutionär: Man müsse das gemeinsame Haus bewahren, unser Verhalten könne von außen betrachtet selbstmörderisch wirken und der Klimawandel sei eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit. Bemerkenswert in der Außenwirkung ist, dass der Papst diese Probleme so ernst nimmt, dass er dafür seine Autorität und sein Amt in die Waagschale wirft. Sowohl die Aktivitäten im Vorfeld, als er von Lobbyisten aller Seiten Besuch erhielt, als auch die Reaktionen nach Verkündigung der Enzyklika zeigen, dass sein Einsatz Symbolwert hat und der Sache dienlich ist. Eilige Versicherungen einiger PolitikerInnen überzeugen die ZuschauerInnen nur noch mehr davon: Die bisherigen Schritte sind zu klein, die Absichten zu halbherzig.
Die Young Scientists warten nicht auf die Politik, sie sind bereits mittendrin – im Thema und an der Erforschung und Lösung der Probleme.
Im Fall von Noel Baker (29), Ph.D. in Mechanical Engineering aus den USA, die am NASA Langley Research Center (Hampton, Virginia) arbeitet, führte das Engagement für Nachhaltigkeit und alternative Energieträger soweit, dass sie sich für eine Ingenieursausbildung entschied, um als Expertin an der Lösung der aktuellen Probleme mitwirken zu können. Ihr momentanes Forschungsgebiet ist die möglichst präzise Vorhersage über die zukünftige Klimaentwicklung.
„Mit meiner Forschung möchte ich die Ungenauigkeit solcher Vorhersagen reduzieren. Anhand von Satellitendaten der NASA und weiteren Klimamessungen kann ich dann die Qualität von Klimamodellen beurteilen. Auf dieser Grundlage werde ich hoffentlich verbesserte Prognosen abgeben können, die wiederum den betroffenen Regionen mehr Planungssicherheit geben sollen.“
Noel Baker hat die Probleme in ihrer Heimat direkt vor Augen. „Zum Beispiel die Region, in der ich wohne, in der Nähe des Langley Research Center der NASA in Hampton, Virginia: Der steigende Meeresspiegel, in Kombination mit absackenden Böden und einer weitgehend ungesicherten Küste, haben dort bereits zu einer sehr kritischen Situation geführt.“ Sie hofft auf interessanten Austausch zum Thema, beispielsweise bei einem Gespräch mit Steven Chu, der auf der Lindauer Nobelpreisträgertagung 2013 eine Lecture zum Thema „The Energy and Climate Change, Challenges and Opportunities“ gab.
Benjamin Wirth (28), Master of Science aus Deutschland, arbeitet am Leibniz Institute for Agricultural Engineering Potsdam im Bereich Erneuerbare Energien und Abwasser-Technologien: „In meiner Forschung konzentriere ich mich auf eine alte, neu entdeckte Technik, um aus Biomasse und nassen Biomasseabfällen hochwertigen Kohlenstoff sowohl für die Ackerböden als auch für die Energiegewinnung zu erzeugen. Dieses Verfahren nennt man ‚hydrothermale Karbonisierung‘, das bedeutet soviel wie ‚wässrige Verkohlung bei erhöhter Temperatur‘.“
Auch Wirth sieht es als dringlichste Erfordernis, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu verringern und die Erderwärmung zu bremsen:
“Die globale Erwärmung ist eine Realität, gleichzeitig nimmt der Kohlenstoffgehalt in den Böden ab. Deshalb ist es unverzichtbar, dass wir einerseits fossile Brennstoffe einsparen und andererseits wertvollen Kohlenstoff auf anderem Wege herstellen – für die Ackerböden, zur Energiegewinnung, für neuartige Materialien, oder alles gleichzeitig.“
Benjamin Wirth freut sich auf den interdisziplinären Austausch und die Gelegenheit, Beziehungen für zukünftige gemeinsame Forschungsprojekte zu knüpfen.
Beide Young Scientists liegen mit ihren Anliegen und den Zielen ihrer Forschung übrigens durchaus im Trend. In einer nicht repräsentativen Umfrage gab eine Mehrheit der an der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung teilnehmenden Young Scientists an, das vordringlichste Problem, das die Wissenschaftscommunity angehen sollte, wären Klimawandel und Umweltschutz, gefolgt von Frieden, Energieversorgung und Armutsbekämpfung. Auch wenn es von Haus aus schwierig ist, diese Themen sinnvoll voneinander abzugrenzen, wird der Schwerpunkt deutlich.
Mallory Ladd (27), Chemikerin aus den USA, arbeitet am Oak Ridge National Laboratory, University of Tennessee, und erklärt, dass die Arktis ein dramatisches Beispiel für die Folgen der Erderwärmung ist – hier ist die Erwärmungsrate zweimal so hoch wie im globalen Mittel. Ihre Doktorarbeit befasst sich mit der Veränderung des quantitativen und qualitativen Anteils von Stickstoff im arktischen Alaska. “Mein Ziel ist, ein genaues und gleichzeitig wenig fehleranfälliges Verfahren der Massenspektrometrie zu entwickeln, mit dem man die leichtgewichtigen Bodenbestandteile bestimmen kann, meist Stickstoffverbindungen wie Aminosäuren, Aminozucker und so weiter, und ihre Varianz über verschiedene Klimazonen hinweg beschreiben kann.“ Mallory Ladd möchte sich gerne mit Dr. Steven Chu über seine Zeit als U.S. Secretary of Energy und seine Gedanken über erneuerbare Energien unterhalten. Sie selbst sagt über den Klimawandel:
“Wir können es uns nicht mehr leisten so zu tun, als würde der Klimawandel uns alle nicht früher oder später ganz direkt und persönlich betreffen, und zwar in praktisch jedem Lebensbereich. Deshalb sollte die Wissenschaft immer mit am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um solche Themen geht, und man sollte ihr zuhören.“
Der Young Scientist Serge Alain Fobofou Tanemossu (28), Chemiker und gebürtig aus Kamerun, wird während der Lindauer Tagung als Podiumsgast an einer Master-Class von Kurt Wüthrich teilnehmen (NMR Spectroscopy and Magnetic Resonance Imaging – from Physics to Medical Diagnosis). Er arbeitet am Leibniz Institute of Plant Biochemistry, Halle (Saale) und forscht nach Stoffen in der Natur, die für die Herstellung von Medikamenten genutzt werden können: „In meiner Forschung suche ich nach pflanzlichen Wirkstoffen gegen HIV, Krebs, parasitäre Wurmerkrankungen und Alzheimer.” Fobofou Tanemossu freut sich aufs Netzwerken innerhalb der wissenschaftlichen Community in Lindau. Seiner Meinung nach sind die Erderwärmung und die an vielen Orten geführten Kriege die größten Probleme unserer Zeit.
“Es ist Aufgabe der Wissenschaftler, umweltfreundliche Lösungen für Themen wie Energiegewinnung und Ernährung zu finden.“
Und auch Serge Alain Fobofou Tanemossu hat eine politische Botschaft: „Die Politiker sollten sich darauf konzentrieren, dass unsere Umwelt erhalten bleibt und damit auch das Wohlergehen der Menschen.“
Papst Franziskus sagt, wir brauchen eine neue weltweite Solidarität, um unsere Probleme zu lösen. Young Scientist Noel Baker drückt es für die Wissenschaftlergemeinschaft so aus: „Wissenschaftler sollten sich als Vertreter der ganzen Menschheit sehen, nicht nur ihres Heimatlandes. Gemeinsam sollten wir dann versuchen, das Leben aller Menschen auf diesem Planeten zu verbessern.“
Lecture Steven Chus bei der kommenden 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung: „A Random Walk in Science“; Science Breakfast mit Steven Chu und anderen: „Feeding the 9.6 billion“ unter Moderation von Adam Smith, Chief Scientific Officer bei Nobel Media AB, Sweden.
Slider-Foto: Asian Development Bank (CC BY-NC-ND 2.0)