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Veröffentlicht 19. Dezember 2014 von Stephanie Hanel

Dauerbrenner Dunkle Materie

Neue Forschungsdaten erhellen unseren Blick auf den Urknall – doch die Dunkle Materie bleibt weiter im Verborgenen.

Planck 2014
Astronomen-Tagung in Ferrara, Italien, Dezember 2014

Anfang Dezember tauschten sich führende Astronomen im italienischen Ferrara über die Messergebnisse des Weltraumobservatoriums Planck aus – am 22. Dezember will die Europäische Weltraumorganisation alle Daten dieser Mission online zugänglich machen. Sie scheinen die Inflations-Theorie zu bestätigen. Eine der Hypothesen zur Natur der Dunklen Materie, namentlich sterile Neutrinos, aber werden immer unwahrscheinlicher.

Die einen nennen die Suche nach der Dunklen Materie einen „Wettlauf des Wunschdenkens“, andere legen ihre gesamte wissenschaftliche Laufbahn für sie in die Waagschale, wieder andere gehen zurück zu den Ursprüngen ihrer Disziplin und fordern eine Überprüfung der Grundannahmen der Physik. Was ist das für ein „Stoff“, der sich so hartnäckig allen Versuchen gefunden zu werden widersetzt? Wie kann es sein, dass circa 25% der Masse des Universums nicht nachweisbar sind – und anscheinend vorerst auch bleiben? Die Frage nach der Natur der Dunklen Materie gehört zu den Kernfragen der Kosmologie.

Doch einen forschungshistorischen Schritt zurück: Wie kam es überhaupt zur Annahme der Existenz von Dunkler Materie?

Da die beobachtete Geschwindigkeit von Sternen, mit denen diese das Zentrum ihrer Galaxie umkreisen, nach außen hin nicht etwa abnimmt, wie es dem Standardmodell der Kosmologie entspräche, sondern höher ist als sich mit der sichtbaren Materie erklären lässt, griffen die Forscher, die diese Anomalien entdeckten, zu der Erklärung, dass es auch noch unsichtbare Materie, die sogenannte Dunkle Materie geben müsse. Die ersten Entdecker dieser Abweichungen von den Gravitationsgesetzmäßigkeiten waren der Niederländische Astronom Jan Hendrik Oort, 1932, und der Schweizer Physiker Fritz Zwicky, 1933. Sie konnten sich mit ihrer Hypothese allerdings nicht durchsetzen.
Als die US-amerikanische Astronomin Vera Rubin ab den 1960er Jahren erneut auf diese Problematik stieß und ihre Analyse der Umlaufgeschwindigkeiten von Spiralgalaxien ebenfalls ergab, dass diese viel höher ist als sie sein dürfte (galaxy rotation problem), wurde die Dunkle Materie in Folge zum zentralen Gegenstand der Forschung. Interessanterweise ist Rubin selbst aber nicht glücklich mit der Erklärung durch Dunkle Materie, sondern favorisiert die Position einer Minderheit, die sogenannte MOND (Modified Newtonian dynamics)-Hypothese: „Wenn es nach mir ginge, würde ich lieber erfahren, dass Newtons Gesetze geändert werden müssen, um die Schwerkraftwirkung bei großen Distanzen korrekt zu beschreiben. Das ist ansprechender als ein Universum, erfüllt mit einer neuen Art subatomarer Teilchen.“

The microwave sky as seen by Planck
„The microwave sky“, eingefangen von Planck, Copyright siehe Bild

Darüber hinaus wird noch ein weiterer Effekt mit der Existenz der Dunklen Materie erklärt, es ist der sogenannte Gravitationslinseneffekt: Die Verzerrung des Lichts einer entfernten Galaxie wird durch die Masse in einem Galaxienhaufen im Vordergrund erzeugt. Aus der Verzerrung lässt sich die Massenverteilung bestimmen, dabei tritt eine Diskrepanz zwischen beobachteter Materie und bestimmter Masse auf. Aufgrund dessen gelangte man zu dem Anteil an Materie, die man bisher nicht bestimmen konnte.

Nun gibt es eine Vielzahl an möglichen Formen der Dunklen Materie, auf die die Forschung setzte oder noch setzt. Und je nachdem wie die aktuellsten Messergebnisse ausfallen, werden einzelne von ihnen wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher. Im Oktober dieses Jahres machte die Meldung, ob womöglich der Sonne Dunkle Materie entströme, Furore. Wissenschaftler hatten aus Auffälligkeiten in den Beobachtungsdaten eines Sonnenteleskops auf Axione rückgeschlossen – ebenfalls hypothetische Teilchen, die einen wesentlichen Bestandteil der Dunklen Materie ausmachen könnten. Der Koautor der entsprechenden Studie warnte aber sofort, dass sie zwar ein ungewöhnliches Resultat erzielt hätten, das sie mit keiner konventionellen Methode erklären könnten, aber die Erfahrung zeige, dass die meisten Hypothesen auf Dauer keinen Bestand hätten.

Planck cruising
Planck Teleskop, Copyright: ESA – D. Ducros

Aktuell im Fokus des Interesses: Die Planck-Mission der ESA, die von 2009 bis 2013 die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung kartierte, also die Strahlung, die kurz nach dem Urknall ausgesendet wurde. Die Kartierung umfasst sowohl die Temperatur als auch die Polarisation des Mikrowellenhintergrunds und bekräftigt laut Expertenmeinung das Standardmodell der kosmischen Evolution. Dennoch bestätigen auch die neuesten Planck-Daten, dass 26 Prozent der gesamten Materie- und Energiedichte im Universum auf Dunkle Materie entfallen könnten.

Die These, dass es im jungen Universum einen kurzen, aber sehr starken Wachstumsschub gegeben haben könnte – die sogenannte Inflation – erhärtet sich zunehmend. Bereits die vorläufigen Daten hatten auf eine Phase schneller Expansion hingewiesen. Was die Dunkle Materie betrifft, müssen wir uns wohl mit folgendem Fazit zufrieden geben: „Die Kosmologen wissen immer noch nicht was diese Dunkle Materie ist, aber die Planck-Ergebnisse haben ihr Wissen verbessert, was es nicht ist.“

Stephanie Hanel

Stephanie Hanel is a journalist and author. Her enthusiasm for the people behind science grew out of her work as an online editor for AcademiaNet, an international portal that publishes profiles of excellent female scientists. She is an interested observer of new communication channels and narrative forms as well as a dedicated social media user and science slam fan.