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Published 22 March 2018 by Melissae Fellet

Unbekannte Risiken: Wie kann synthetische Biologie reguliert werden?

Die synthetische Biologie nutzt Werkzeuge aus der Gentechnik, um lebende Organismen mit besonderen Funktionen zu entwerfen und zusammenzubauen. Picture/Credit: artoleshko/iStock.com

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In der schnelllebigen Welt der synthetischen Biologie sind Entdeckungen eng mit ihren gesellschaftlichen Auswirkungen verknüpft. Mit Methoden aus der Gentechnik entwerfen, kreieren und konstruieren Forscher in diesem Wissenschaftszweig – zuweilen von Grund auf neue – lebende Organismen mit einer speziellen Funktion. Gymnasiasten können mit Hilfe eines im Handel erhältlichen Baukastens nach Bananen riechende Bakterien herstellen, eine Firma produziert anhand von synthetisch erzeugter Hefe im großen Umfang Medikamente gegen Malaria und Forscher haben eine Mikrobe entwickelt, die das Verhalten von Bienen verändert.

Zwar handelt es sich hierbei um spielerische und praktische Anwendungsmöglichkeiten, doch die Instrumente der synthetischen Biologie lassen sich möglicherweise auch anderweitig einsetzen. Da die Risiken, die eine unkontrollierte Freisetzung eines synthetischen Organismus für die Umwelt, die öffentliche Gesundheit und die nationale Sicherheit bergen kann, unbekannt sind, ist es nur schwer vorstellbar, auf welche Weise sich die Produkte der synthetischen Biologie regulieren lassen.

Das hält Forscher und Sozialwissenschaftler jedoch nicht davon ab, es zu versuchen: An einer Veranstaltung zum Thema Technologische Entwicklung und Risikobeherrschung in der synthetischen Biologie auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science nahmen Mitte Februar etwa 120 Personen teil. In politischen Diskussionen über gentechnisch veränderte Organismen deuten sich mögliche Streitpunkte bezüglich der Regulierung dieses Wissenschaftszweiges an und Forscher können einen wichtigen Beitrag zu diesen Diskussionen leisten.

 

Risiken: Unbekannt

Bei der Veranstaltung beschrieb der Biochemiker Andrew Ellington von der Universität Texas in Austin eines seiner Projekte, das Auswirkungen auf die zukünftige nationale Sicherheit haben könnte. Ellington und seine Mitarbeiter wollten eine Mikrobe, die das Verhalten von Bienen verändert, entwickeln. Die Forscher stellten sich vor, falls ihnen dies gelänge, Afrikanisierte Honigbienen mit maßgeschneiderten Probiotika zu füttern, um sie weniger aggressiv zu machen, oder bestäubenden Bienen Probiotika zu verabreichen, die sie dazu animieren sollen, sich vom Nektar pestizidfreier Pflanzen zu ernähren, um einen Völkerkollaps zu verhindern.

Ellington und seine Arbeitsgruppe stellten gentechnisch veränderte Mikroben her, die L-Dopamin produzierten, ein chemisches Signal im Gehirn, das Auswirkungen auf das Lernen hat. Anschließend fütterten sie Bienen mit den gentechnisch veränderten Mikroben und versetzten ihnen gleichzeitig mit der Abgabe eines speziellen Geruchs einen Stromschlag. Bienen mit den gentechnisch veränderten Mikroben in ihrem Darm fuhren bei dem Geruch ihren Stachel aus und lernten den Stromstoß etwas schneller zu antizipieren als normale Bienen. Sie schienen sich außerdem länger an den Zusammenhang zwischen Geruch und Stromschlag zu erinnern als normale Bienen.

Ellington kündigte an, mit seiner Arbeitsgruppe diese Dopamin produzierenden Mikroben als mögliche Therapie der Parkinson-Erkrankung an Mäusen – und schließlich am Menschen – testen zu wollen. Die Überlegung, solche Mikroben, die das Verhalten beeinflussen können, am Menschen zu testen, wirft jedoch große gesellschaftliche Fragen auf: Könnten diese gentechnisch erzeugten Organismen eine mögliche Sicherheitsbedrohung sein? Welche Risiken bestehen für Gesundheit und Umwelt, sollten diese Organismen außer Kontrolle geraten?

Risiken, die von Nanomaterialien, gentechnisch erzeugten Kulturpflanzen und chemischen Waffen im Falle ihrer Verbreitung durch die Luft, das Wasser oder den Boden ausgehen, werden bereits über verschiedene Regulationen analysiert. Dabei wird berücksichtigt, welche Auswirkungen sie auf Gesundheit und Umwelt haben. Diese Systeme sind effektiv, vorausgesetzt man versteht die Gefahren, kennt die Risiken einer Exposition und kann die Organismen und Substanzen kontrollieren.

Herkömmliche Risikobewertungen sind jedoch nach Aussage von Igor Linkov, Leiter des Risk and Decision Science Team des Corps of Engineers der US-Streitkräfte, auf die synthetische Biologie nicht anwendbar. Synthetisch erzeugte Organismen sind häufig so konstruiert, dass sie die an ihnen vorgenommenen genetischen Veränderungen an ihre Nachkommen weitergeben. Das bedeutet, dass es bei einer unkontrollierten Freisetzung zu einer Verbreitung genetischer Informationen kommen könnte, mit Auswirkungen auf andere Tierarten.

 

Lektionen aus der Geschichte gentechnisch veränderter Organismen

 Anhaltspunkte dafür, welche Elemente für die effektive Regulierung synthetischer Biologie wichtig sein könnten, finden sich in der Geschichte genetisch veränderter Organismen. Jennifer Kuzma von der North Carolina State University, die sich mit der Verwaltung neuer Technologien beschäftigt, verfolgte im Jahr 2014 die Entwicklung von Richtlinien bezüglich gentechnisch veränderter Insekten und Pflanzen zurück und stellte fest, dass das dabei vorlegte Tempo keine Zeit für eine Beteiligung der Öffentlichkeit ließ. Umwelt- und Verbraucherverbände reagierten darauf, indem sie Druck auf die Politik ausübten und sie auf diese Weise zwangen, Maßnahmen zu ergreifen, die den Regulierungsprozess in neue Bahnen lenkten.

Zuweilen verhindern Hürden im Rahmen eines solchen Regulierungsprozesses jedoch auch, dass neue Produkte ihren Weg zum Verbraucher finden. Thomas Bostick, Chief Operating Officer bei Intrexon, war dabei, als das Unternehmen versuchte, einen gentechnisch veränderten Lachs auf dem US-amerikanischen Markt zu etablieren. Der AquAdvantage-Lachs enthält ein Gen, das bewirkt, dass er sein Schlachtgewicht bereits in der Hälfte der Zeit eines normalen Lachses erreicht, dabei aber 75 % weniger Futter benötigt und auch ohne Impfungen oder Antibiotika gesund bleibt. Dieser gentechnisch erzeugte Lachs könnte zudem in binnenländischen Betrieben produziert werden, wodurch sich Krankheiten und Parasiten vermeiden ließen, die aus den offenen Käfigen typischer Lachsfarmen in sie umgebende marine Ökosysteme gelangen.

 

 

Der größere dieser gentechnisch veränderten Lachse produziert ein Wachstumshormon, das dafür sorgt, dass er doppelt so schnell wie seine Schwester das Schlachtgewicht erreicht. Picture/credit: AquaBounty Technologies

 

Die 20 Jahre dauernde Entwicklung dieses Lachses wurde jedoch nach Ansicht von Bostick größtenteils durch die im Rahmen des Regulierungsprozesses ausgefochtenen Kämpfe verzögert. Obwohl die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) den AquAdvantage-Lachs als sicher eingestuft hat, kann dieser noch nicht in den Geschäften verkauft werden. In den Jahren 2016 und 2017 hat ein Gesetzentwurf, der ausdrücklich die Kennzeichnung des AquAdvantage Salmon als gentechnisch veränderten Organismus vorschreibt, die FDA dazu veranlasst, die Einfuhr gentechnisch veränderter Lachse zu blockieren. Jetzt wartet die FDA darauf, dass das Landwirtschaftsministerium der USA eine Entscheidung bezüglich der Kennzeichnungsvorschriften trifft, denn erst dann können Regelungen verabschiedet werden, die den Verkauf des Lachses in den Geschäften erlauben. Das Regulierungssystem müsse also bezüglich der Anerkennung von Innovationen flexibel sein, so Bostick.

 

Risikobeherrschung durch Partizipation und Antizipation

Kuzma stellte verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Risikobewertung für Anwendungsbereiche der synthetischen Biologie vor. Zunächst muss der politische Prozess einen Mittelweg einschlagen, der die Erkenntnisse und Vorgehensweisen der Wissenschaft berücksichtigt, gleichzeitig aber auch die wertorientierten Bedenken der Bürger anerkennt. Außerdem sind für das System Partizipation und Antizipation erforderlich.

Es existieren verschiedene Modelle für Gesetzgebungsverfahren, die auf die synthetische Biologie anwendbar wären. Kuzma beschreibt ein Modell, das sie gemeinsam mit Christopher Cummings von der Nanyang Technological University in Singapur entwickelte und das Politiker bei der Bewertung der Risiken der synthetischen Biologie unterstützen könnte. Die Forscher befragten 48 Wissenschaftler, die in der synthetischen Biologie tätig sind, zu Fallstudien von vier Forschungsprojekten: Biomining mit Hilfe von gentechnisch stark veränderten Mikroben in situ, „Cyberplasma“ zur Umwelterfassung, Wiederbelebung der Wandertaube und gentechnisch erzeugte pflanzenassoziierte Mikroben zur Bindung von Stickstoff in Nicht-Leguminosen.

Die Befragten gaben für jede Fallstudie an, inwieweit Erkenntnisse in Bezug auf die folgenden acht Kategorien vorlagen: (1) Risiken für die menschliche Gesundheit, (2) Risiken für die Umwelt, (3) mangelnde Beherrschbarkeit, (4) Irreversibilität, (5) Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Technologie auf dem Markt etabliert, (6) fehlender Nutzen für die menschliche Gesundheit, (7) fehlender Nutzen für die Umwelt und (8) erwartetes Ausmaß der öffentlichen Besorgnis.

Anschließend stellten die Forscher die durchschnittliche Bewertung für die einzelnen Kategorien der jeweiligen Fallstudien in einem achteckigen Schaubild grafisch dar, um die Beziehung zwischen den Kategorien aufzuzeigen. Ein Defizit in der Kategorien Risiken für die Umwelt bzw. Risiken für die menschliche Gesundheit legt weitere Forschung auf diesem Gebiet nahe, während geringe Gesundheitsrisiken und starke öffentliche Besorgnis eine Informationskampagne rechtfertigen könnten. Das gleiche Instrument lässt sich möglicherweise auch dafür einsetzen, bereits früh während der Regulierungsentwicklung die Sichtweise beunruhigter Bürger einschätzen zu können.

Mit der Frage, wie sich die synthetische Biologie regulieren lässt, sollten aber nicht nur Sozialwissenschaftler ringen. Es liege auch in der Verantwortung der Forscher weltweit, die politischen Auswirkungen ihrer Arbeit sowie die damit verbundenen Unsicherheiten zu vermitteln, heißt es in einem Bericht des globalen Wissenschaftsakademie-Netzwerks IAP aus dem Jahr 2012. „Der wissenschaftlichen Fachwelt kommt die Aufgabe zu, sich an Diskussionen über die Auswirkungen der synthetischen Biologie, die diesbezüglichen Bedenken sowie die Risikobeherrschung zu beteiligen, angefangen von der Konzeption der Forschung über die Finanzierung bis hin zur Durchführung“, meint Katherine Bowman von den National Academies of Science, Engineering, and Medicine.

Melissae Fellet

Melissae Fellet, PhD and Lindau Alumna 2009, is a freelance science writer based in Missoula, MT. She completed her doctoral work at Washington University in St. Louis, and writes regularly about chemistry, materials science, and engineering. Her work has been published in New Scientist, Chemical & Engineering News, and Chemistry World.