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Veröffentlicht 7. Dezember 2018 von Romesh Vaitilingam

Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften 2018 – Innovation, Klima, Wirtschaftswachstum

Dieser Blogbeitrag ist Teil einer Reihe von Artikeln über die Forschungen, die in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Die offizielle Nobelpreiszeremonie wird am 10. Dezember in Stockholm stattfinden.

Der diesjährige „Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel“, allgemeinhin als ‚Wirtschaftsnobelpreis‘ bezeichnet, wurde an William D. Nordhaus von der Yale University „für die Integration des Klimawandels in die langfristige makroökonomische Analyse“ und Paul M. Romer von der New York University (NYU) „für die Integration technologischer Innovationen in die langfristige makroökonomische Analyse“ vergeben.

Der bahnbrechende Beitrag von Nordhaus zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass er quantitative Techniken für die Analyse komplexer Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftswachstum und natürlicher Umwelt – sogenannte ‚integrierte Bewertungsmodelle‘ – entwickelt hat. Die jetzt prämierte Leistung von Romer war ebenfalls methodischer Art: Er zeigte auf, wie die Rolle von Wissen in der Entwicklung neuer Technologien zur Unterstützung langfristiger wirtschaftlicher Fortschritte analysiert werden kann. Beide Preisträger liefern grundlegende Erkenntnisse darüber, wie ein dauerhaftes, nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreicht werden kann, das zur Transformation der allgemeinen Lebensbedingungen der Menschen beiträgt.

Die zwei Laureaten waren schon länger als potenzielle Preisträger im Gespräch. Überraschend kam jedoch für viele, dass sie sich den diesjährigen Preis teilen. So sinnierte der führende Ökonom und Chefredakteur von VoxEU, Richard Baldwin, auf Twitter: „Vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen in diversen Komitees könnte ich mir denken, dass die Komiteemitglieder den Preis für ‚nachhaltiges Wachstum‘ vergeben wollten, aber niemanden gefunden haben, der auf dem Gebiet hervorragende Arbeit geleistet hat. Also entschieden sie sich für einen ‚Nachhaltigkeits‘- und einen ‚Wachstums‘-Kandidaten.“

William D. Nordhaus portraitiert von Peter Badge im Rahmen der Fotoserie „Nobel Heroes“, © Peter Badge/typos 1 in coop. with Lindau Nobel Laureate Meetings

Im offiziellen Statement haben die Mitglieder des Preisverleihungskomitees ihre Entscheidung wie folgt begründet: „Im Kern beschäftigen sich die Wirtschaftswissenschaften mit der Steuerung knapper Ressourcen. Die Natur diktiert die wesentlichen Einschränkungen für Wirtschaftswachstum und unser Wissen entscheidet darüber, wie gut wir mit diesen Sachzwängen umgehen. Die diesjährigen Preisträger haben die wirtschaftliche Analyse durch die Entwicklung von Modellen, die die Interaktionen zwischen Marktwirtschaft, Natur und Wissen erklären, erheblich erweitert.“

David Warsh, der in seinem Buch „Knowledge and the Wealth of Nations: A Story of Economic Discovery“ die Geschichte des Wachstumsverständnisses von Ökonomen dargestellt hat, kommentierte: „Was die Forscher aus Sicht der Preisverleiher in besonderer Weise verbindet, ist ihre gemeinsame Sorge um die Unfähigkeit der Märkte, gewünschte Ergebnisse zu liefern. Diese sogenannten ‚Marktstörungen‘ können negativ ausfallen, wie etwa im Falle von Treibhausgasemissionen, die das globale Klima nachteilig beeinflussen, oder positiv, wie es bei Wissensübertragungen geschieht, wenn technologisches Know-how vielen zugutekommt.“

John Cassidy, Wirtschaftskommentator der New Yorker, argumentierte ähnlich und verknüpfte Marktstörungen mit politischer Entscheidung: „Was Nordhaus und Romer eint, ist die Tatsache, dass beide analysiert haben, wie Marktwirtschaften manchmal nicht entsprechend den Vorhersagen funktionieren. Die beiden haben sich zwar auf unterschiedliche Bereiche konzentriert, aber beide haben das Problem von Markt-‚Externalitäten‘ oder Markt-‚Ausstrahlungen‘ untersucht, die als wesentliche Begründungen für Energiesteuern, Mengensteuerungsmechanismen, Forschungsförderungen und andere Arten staatlicher Interventionen dienen.“

Laureat des Preises der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften, Paul Romer, © Peter Badge/typos 1 in coop. with Lindau Nobel Laureate Meetings

Drei VoxEU-Kolumnisten beschäftigen sich eingehender mit den Vorstellungen der neuen Preisträger. In ‚How we create and destroy growth‘ skizziert Kevin Bryan von der Rotman School of Management der University of Toronto die Arbeiten der Laureaten und die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen: „Beide adressieren im Kern das langfristige Problem von Wirtschaftswachstum. Warum sind einige Orte und Zeiten reich, während andere arm sind, und welche Auswirkungen haben diese Unterschiede?”

Bryan stellt einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Innovation her und kommt zu dem Schluss: „Möglicherweise lässt sich der Klimawandel durch veränderte Anreize für grüne Innovationen bewältigen, anstatt Wirtschaftswachstum lediglich durch die Besteuerung von Kohlenstoff zu verteuern. Es ist eine besondere Leistung, über das bloße Problem des Klimawandels hinauszugehen und Lösungsansätze zu beschreiben, die wirtschaftliche Schäden minimieren. Dafür, dass sie uns diesen Weg aufgezeigt haben, sind die Nobelpreise für Romer and Nordhaus mehr als würdig!“

In ‚William Nordhaus and the costs of climate change‘ sagt Kenneth Gillingham, Yale-Kollege und Co-Autor des wegweisenden Umweltökonomen: „Seine Forschung kann in einem generelleren Sinne als fundamentaler Beitrag in Richtung auf eine Erweiterung der Wirtschaftsanalyse betrachtet werden, die die Ursachen und die Folgen unbeabsichtigter Effekte menschlicher Aktivitäten für den langfristigen Kurs des Wirtschaftswachstums und des Gesamtwohls beleuchtet. Dieses Forschungsprogramm hat sich mit den Bereichen Ressourcenknappheit und umweltökonomische Gesamtrechnungen befasst sowie insbesondere zukunftsweisende Ansätze zur Ökonomie des globalen Wirtschaftswandels geliefert.“

Und in ‚New ideas about new ideas‘ erläutert Chad Jones, Wachstumsforscher der Stanford University: „Romer entwickelte eine Theorie des endogenen Wachstums, die beschreibt, dass technologischer Wandel die Folge der Bemühungen von Forschern, Unternehmern und Erfindern ist, die auf wirtschaftliche Anreize reagieren. Alles, was ihre Bemühungen beeinflusst – beispielsweise in Form von Steuerpolitik, Förderung der Grundlagenforschung und Ausbildung – kann die Wachstumsperspektiven der Wirtschaft langfristig beeinflussen. Der maßgebliche Beitrag Romers besteht in seinem klaren Verständnis von der Ökonomie der Ideen und wie die Entdeckung neuer Ideen im Zentrum von Wirtschaftswachstum steht.”

Professor Per Krusell, Mitglied des Preiskomitees für Wirtschaftswissenschaften, im Interview mit der freien Journalistin Joanna Rose über den Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften 2018. © Nobel Media AB

William Nordhaus ist Sterling Professor für Volkswirtschaftslehre an der Yale University. Er ist in Albuquerque, New Mexico, geboren, studierte in Yale und wurde 1967 am Massachusetts Institute of Technology zum PhD in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Er ist seit 1967 an der Yale Fakultät tätig und wurde 1973 ordentlicher Professor.

Paul Romer, in Denver, Colorado, geboren, machte seinen Bachelor in Mathematik und promovierte an der University of Chicago in Wirtschaftswissenschaften. Er ist Gründungsdirektor des NYU Stern Urbanization Project. Er lehrte in Stanford, war Chefökonom der Weltbank und gründete Aplia, eine Online-Lernplattform, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Schüler und Studenten zu unterstützen.

Die beiden Preisträger des Jahres 2018 mischen sich an vorderster Front in aktuelle globale politische Debatten ein. In einem Beitrag für Wall Street Journal drängte Romer die Regierungen, Wissenschaft und Innovation stärker zu unterstützen. Und die Bekanntmachung der Auszeichnung für ihn und Nordhaus erfolgte in derselben Woche, in der das „Zwischenstaatliche Expertengremium für Klimaänderungen“ der Vereinten Nationen seinen Sonderbericht zur Erderwärmung vorgelegt hat.

Die Lindauer Nobelpreisträgertagungen gratulieren den neuen Laureaten und hoffen, sie bei der 7. Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften (25.–29. August 2020) persönlich begrüßen zu dürfen.

Romesh Vaitilingam

Romesh Vaitilingam is a writer and media consultant, and a member of the editorial board of Vox. He is the author of numerous articles and several successful books in economics, finance, business and public policy, including The Financial Times Guide to Using the Financial Pages (FT-Prentice Hall), now in its sixth edition (2011). As a specialist in translating economic and financial concepts into everyday language, Romesh has advised a number of government agencies and international institutions, including the European Central Bank, the European Bank for Reconstruction and Development and the UK's Department for International Development. His work also involves consultancy for the economic research community, notably advising the Royal Economic Society, the Centre for Economic Performance at LSE and the Centre for Economic Policy Research on the management and development of their public profile; and training economists in communication skills. In 2003, he was awarded an MBE for services to economic and social science.