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Veröffentlicht 25. Juli 2018 von Marlene Heckl

Neue Freunde und Forschungspartner auf der ganzen Welt

Marlene Heckl und Nobelpreisträger Robin Warren bei #LINO18. Photo/Credit: Courtesy of Marlene Heckl

Vor einigen Jahren bekam ich einmal die Frage gestellt: „Mit welcher bedeutenden Persönlichkeit würdest du gerne einmal zu Abend essen?“ Meine Antwort war ganz klar: mit einem Nobelpreisträger! Ich hätte mir nie erträumen lassen, dass dies tatsächlich einmal Realität werden könnte und doch fand ich mich nun an einem Tisch mit J. Robin Warren, der mit seinem Kollegen Barry Marshall 2005 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Forschungen zum Bakterium Helicobacter pylori und dessen Rolle bei der Entstehung von Magenkrebs verliehen bekam. Im Rahmen der diesjährigen Lindauer Nobelpreisträgertagung, die vom 24. bis 30. Juni am wunderschönen Bodensee stattfand, hatten 600 junge Nachwuchswissenschaftler die Möglichkeit gleich 39 bedeutenden Laureaten zu begegnen und ja auch mit ihnen zu essen und ganz persönliche Gespräche zu führen. So erzählte mir der australische Pathologe Warren während des Bayerischen Abends, an dem es reichlich Bier, Leberkäse und andere bayerische Schmankerl gab, wie sein Mitarbeiter Marshall die Idee zu seinem berühmten Selbstversuch hatte. „Ich dachte am Anfang er wäre verrückt, als er mir erzählte er wolle ein ganzes Reagenzglas voll Bakterien trinken, um zu zeigen, dass sie eine Gastritis verursachen können.“ Zum Glück ging der Versuch glimpflich aus und Marshall konnte anschließend mit Antibiotika geheilt werden. Doch Warren gestand mir auch: „Manchmal muss man einfach ein bisschen verrückt sein, um gute Forschung zu leisten… und um den Nobelpreis zu gewinnen.“

 

Marlene Heckl (Mitte) mit anderen Nachwuchswissenschaftlern beim Bayerischen Abend. Photo/Credit: Courtesy of Marlene Heckl

Neben Partnerfrühstücken, Mittag- und Abendessen, gab es viele weitere Gelegenheiten, um einen echten Nobelpreisträger einmal persönlich zu treffen. Vormittags durften wir den Laureaten bei ihren spannenden Vorträgen lauschen, nachmittags gab es dann die Gelegenheit bei „Agora Talks“, „Science Walks“ und „Open Exchanges“ den Preisträgern persönliche Fragen zu stellen und auch mit ihnen über unsere Forschungsarbeiten zu diskutieren. In den „Master Classes“ hatten ausgewählte Nachwuchswissenschaftler zusätzlich die Möglichkeit ihre Forschung den Preisträgern vorzustellen und hilfreiches Feedback zu ihrer Präsentation zu bekommen. Laureat Peter C. Doherty, einer der Master Class Leiter und Referent über Wissenschaftskommunikation, klärte uns auf, wie wichtig es dabei ist, den Menschen eine Geschichte zu erzählen und nicht nur Fakten und Zahlen zu zeigen. „Ihr sollt die Zuhörer von eurer Forschung begeistern und sie in den Bann ziehen, dabei müssen Details auch mal weggelassen werden“.

Ein großes Thema der diesjährigen Tagung, das vor allem in einer Podiumsdiskussion angesprochen wurde, war außerdem der große Publikationsdruck in der Wissenschaft und die Frage, welchen Einfluss Journals mit Impact Factor und ohne Open-Access-Format auf die Forschung haben. Viele Preisträger äußerten sich kritisch und auch junge Kollegen sahen Notwendigkeit etwas am System zu ändern. Eine sehr lebendige und spannende Diskussion, da das Publikum aus Nachwuchswissenschaftlern hartnäckig reflektierte und nicht mit provokanten Fragen hinter dem Berg hielt.

Auch zwei der Medizinnobelpreisträger von 2017 waren dieses Jahr in Lindau anwesend: Michael Rosbash und Michael Young, die gleich zu Beginn ihre brandaktuellen Forschungen zum zirkadianen Rhythmus vorstellten. Natürlich musste ich da gleich mal nachhaken: Was empfehlen denn die Laureaten, um die innere Uhr beim Jetlag nicht ganz so stark durcheinanderzubringen? „Wir leiden und nehmen Medikamente dagegen, so wie ihr“, war die überraschend ehrliche und humorvolle Antwort der Experten. Die wohl am meisten gestellte Frage auf der Konferenz war aber sicherlich die nach dem Patentrezept für den Erhalt des Nobelpreises. Hartmut Michel, dem es 1988 gelang die höchste wissenschaftliche Auszeichnung in Stockholm verliehen zu bekommen, stellte dafür einen ganz simplen Drei-Punkte-Plan vor: „Erstens: Beantworte eine fast unmöglich zu beantwortende Frage der Biomedizin. Zweitens: Sei dir der Bedeutung einer zufälligen Entdeckung bewusst. Drittens: Entwickle eine große, neue Technologie“ – so einfach kann es also sein!

 

Nobelpreisträger Michael Young und Marlene Heckl bei #LINO18. Photo/Credit: Courtesy of Marlene Heckl

Im Großen und Ganzen kann man nur sagen, dass die Lindauer Nobelpreisträgertagung ein unvergessliches Erlebnis war, das seinem Motto „Educate. Inspire. Connect.“ mehr als gerecht wird. Nicht nur der Austausch mit so vielen inspirierenden Nobelpreisträgern ist gelungen, besonders die Möglichkeit mit gleichgesinnten jungen Wissenschaftlern aus aller Welt zusammenzutreffen und neue Freundschaften fürs Leben zu schließen, hat meine Erwartungen weit übertroffen. Die Zeit in Lindau endete mit einer wunderschönen Bootsfahrt auf die Blumeninsel Mainau, bei der die Nobelpreisträger noch einmal gebührend mit Standing Ovations gefeiert und verabschiedet wurden. Ich habe den Bodensee mit einer Menge bereichernder Erfahrungen, großartigen Ratschlägen, schönen Erinnerungen sowie neuen Freunden und künftigen Forschungspartnern überall auf der Welt im Gepäck verlassen. Falls ihr die Möglichkeit habt, euch selbst einmal für die Tagung vorschlagen zu lassen, kann ich euch nur ans Herz legen, eine der besten Wochen eures Lebens dort zu verbringen und den „Lindau Spirit“ hautnah zu erleben.

Marlene Heckl

Marlene Heckl, Lindau Alumna 2018, studies medicine at the Technical University of Munich and works as a freelance science journalist. She is currently doing her PhD at the Ludwig-Maximilians-Universität on the influence of tumour suppressor genes in gynaecological cancers and enjoys writing on science, medicine and health topics. With her blog „Marlenes Medizinkiste“ she contributes regularly to "DocCheck," the largest community of healthcare professionals in Europe, as well as to „Spektrum der Wissenschaft“.