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Veröffentlicht 16. Juni 2016 von Stephanie Hanel

4 Young Scientists – und die große weite Welt der Physik

Nicht alle werden später einmal Nobelpreisträger/innen sein, aber spannend ist auch ihre Forschung – 400 Young Scientists machen sich demnächst auf die Reise nach Lindau. Mit im Gepäck: jede Menge neuer Forschungsansätze, erste spannende Ergebnisse und viele Zukunftsvisionen für ihre Wissenschaftler/innen-Karriere.

Wir stellen heute exemplarisch vor: Gabriela Barreto Lemos, Quantenphysikerin aus Brasilien, Charlotta Lorenz, Physikerin aus Deutschland, Tyler Shendruk, Biophysiker aus Kanada und Sidiki Zongo, Physiker aus Burkina Faso.

Gabriela Barreto LemosGabriela Barreto Lemos kann ohne Übertreibung als Shooting Star in ihrer Disziplin bezeichnet werden. Bereits 2014 machte die heute 33-Jährige mit einer Veröffentlichung in Nature als Erstautorin auf sich aufmerksam: „Quantum imaging with undetected photons“. Das Team um Professor Anton Zeilinger am Institute for Quantum Optics and Quantum Information in Wien, dem Barreto Lemos angehört, hatte es geschafft ein Bild mit Hilfe von Licht (Photonen) zu erzeugen, das aber paradoxerweise nicht mit dem abgebildeten Objekt in Kontakt war. In einem TED Talk erklärt sie den genauen Versuchsaufbau mit zwei Kristallen jeweils als Quellen zweier Photonen. Aber selbst wer ganz aufmerksam zuhört, wird bemerken, dass es sich um etwas handelt, das unsere normale Vorstellungskraft sprengt, so bestechend auch das Ergebnis ist. Zur Beruhigung: Auch Barreto Lemos sagt, dass ein Mensch, der bei Quantenphysik einfach sagt, das könne er oder sie sich vorstellen, damit den sicheren Beweis liefere, dass er es nicht verstanden hätte. Wer mehr erfahren möchte, dem sei als Einstieg der Artikel von Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Gibney in Nature empfohlen.

Was sagt die junge Forscherin über ihre wissenschaftliche Passion? „Quantenmechanik ist so schön, weil sie unsere Wahrnehmung der Welt in Frage stellt. In diesem Bereich forschen ist eine kreative Herausforderung und lässt uns unsere tägliche Umgebung in einem neuen Licht erscheinen.“ Die größte Herausforderung im wissenschaftlichen Alltag allerdings bedeutet für Barreto Lemos nach eigener Aussage, den richtigen Umgang mit dem dazu gehörenden Stress zu erlernen. Dass sie bereits in fünf verschiedenen Ländern gelebt hat, ist für sie hingegen eine gute Erfahrung gewesen. Sie sagt: „Ich denke, dass eine internationale Arbeitsumgebung sehr heilsam ist, weil man dann als Forschende mit vielen verschiedenen Arten zu Denken und zu Arbeiten konfrontiert ist, andere Fragestellungen und Lebenswege kennenlernt.“

Tyler ShendrukAuch Tyler Shendruk ist schon prominent öffentlich sichtbar geworden – mit seiner Forschung auf dem Titel des Biophysical Journals und als Schreibender Media Fellow der British Science Association. Der 33-jährige Kanadier Shendruk sagt: „Wissenschaftler stehen in der Verantwortung ihre Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“ und setzt diesen Anspruch auch auf seinem Blog um. Seiner Meinung nach macht das physikalische Verständnis der biologischen Systeme zurzeit riesengroße Fortschritte und so erwartet er, „eine Simulation des gesamten Lebenszyklus eines Bakteriums in meinem Wissenschaftlerleben zu sehen zu bekommen“.

Shendruk, der EMBO Long-term Fellow ist, gehört an der University of Oxford zum Team um Professorin Julia Yeomans, das theoretische und computergestützte Methoden einsetzt, um die Physik weicher Materie und biologischer Systeme zu erforschen. Auch Shendruk hat schon in mehreren Ländern geforscht und denkt, dass die Länder mit den besten Köpfen einen erheblichen Vorteil haben, und umgekehrt Wissenschaftler/innen, die die Möglichkeit zu reisen haben, mehr Chancen haben werden an wirklich interessanten Fragen zu arbeiten. Vom Mythos des vom Himmel gefallenen Genies hält er nicht viel – Shendruk fasst für sich zusammen, dass es oft viel banaler um großen Einsatz an Zeit und Hirnschmalz und auch einer gewissen Kompromissbereitschaft bedarf, und verweist auch auf die Konsequenzen für das Privatleben. Hier lassen wir ihn sich mit einem starken Ausspruch verabschieden: „Vergesst Künstliche Intelligenz und synthetische Biologie. Ich würde virtuelles Leben erschaffen.“

Charlotta LorenzCharlotta Lorenz arbeitet ebenfalls interdisziplinär – Ziel ihrer Arbeitsgruppe ist es ein physikalisches Modell zu erstellen, das möglichst adäquat die Vorgänge in einer biologischen Zelle beschreibt. Die 22-Jährige hat ihren Bachelor an der Universität Göttingen gemacht und gehört dort zur Forschungsgruppe „Nanoscale Imaging of Cellular Dynamics“. Lorenz war schon als Schülerin gleichzeitig Studentin an der Universität Oldenburg, im Rahmen der Hochbegabtenförderung. Ihre Begeisterung für die Physik kann ansteckend wirken, und man merkt ihren Worten an, dass sie offen für viele Wege ist. Gefragt danach, welche Projekte sie angehen würde, wenn sie die freie Wahl hätte, nennt sie die Weiterentwicklung des Quantencomputers, eine Proteinfaltungs-Simulation und eine Simulation, die die Klimaerwärmung abbildet, um das Problem besser angehen zu können.

Momentan ist Charlotta Lorenz Visiting Graduate Student an der University of California in Santa Barbara und berichtet über Arbeit und Eindrücke von dort auf ihrem Blog. Ihr Projekt in Santa Barbara ist „Cellular and cell-inspired network mechanics“ und wird von Professorin Megan T. Valentine betreut. Lorenz findet viele Bilder, um die Schönheit der Physik auszudrücken, sagt aber, dass „leider immer noch viele Menschen, die ich auf Veranstaltungen treffe, wenig begeistert reagieren, wenn ich mein Studienfach erwähne“. In Lindau wird das anders sein, versprochen.

Sidiki ZongoSidiki Zongo aus Burkina Faso studierte am African Institute for Mathematical Science (AIMS) in Südafrika. Der 33-Jährige arbeitet auf dem Gebiet der nichtlinearen Optik (NLO), die in der Physik ein Teilgebiet der Optik der elektromagnetischen Wellen ist. Zongo beschreibt sein Arbeitsgebiet so: „Nonlineare Optik und Fotonik sind zwei so aufregende, technisch fortgeschrittene Arbeitsgebiete, die sich in ständiger Weiterentwicklung befinden und markante Anwendung in unserem täglichen Leben finden, so dass ich mir wünschte, mehr Menschen würden etwas darüber wissen.“ Sidiki Zongo ist einer von acht ausgewählten Young Scientists aus Südafrika, die von Professorin Roseanne Diab, CEO der Association of Science of South Africa begleitet werden. Zu seinem persönlichen Weg in die Wissenschaft sagt er, dass nicht seine Eltern ihm Steine in den Weg gelegt hätten, aber das Umfeld, das daran zweifelte, ob er trotz fehlender Rahmenbedingungen eine so lange Zeit des Studiums würde durchhalten können: „Aber mit Mut und harter Arbeit konnte ich verhindern, dass andere Menschen mein Leben festlegen.“

Für Sidiki Zongo ist Science Migration ein zweischneidiges Schwert. Wie sollen junge Wissenschaftler/innen in seiner Heimat exzellente Forschung betreiben, wenn es an der nötigen technischen Forschungsausstattung mangelt? Wenn die Migration also nur in die eine Richtung funktioniert, werden sich aber wiederum die Bedingungen in den Herkunftsländern nicht verbessern: „Vor kurzem stand in der Zeitung, dass mehr afrikanische Wissenschaftler in den USA leben als Wissenschaftler in Afrika.“ Umso wichtiger, dass es Initiativen wie beispielsweise die für eine Laserstrahlungsquelle in Afrika gibt und letztes Jahr in Grenoble eine entsprechende Resolution verabschiedet werden konnte. Sidiki Zongo nahm an dieser Konferenz teil und traf den Direktor der European Synchotron Radiation Facilitiy (ESRF), Francesco Sette.

Wir wünschen allen Young Scientists viel Erfolg beim Netzwerken und Fachsimpeln in Lindau und freuen uns auf spannende Begegnungen!

Stephanie Hanel

Stephanie Hanel is a journalist and author. Her enthusiasm for the people behind science grew out of her work as an online editor for AcademiaNet, an international portal that publishes profiles of excellent female scientists. She is an interested observer of new communication channels and narrative forms as well as a dedicated social media user and science slam fan.