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Veröffentlicht 2. Juli 2012

Zeugs bauen, um Sachen zu messen

Schon während seiner Kindheit fand Nobelpreisträger John Mather eines immer am aufregensten: „Zeugs zu bauen, um Sachen zu messen“ („build stuff to measure things“). Das klingt nicht unbedingt so, als würde man dafür einen Nobelpreis bekommen. Aber die Rolle der Meßgeräte wird oft unterschätzt…

Gerade wenn es um Astronomie geht, spielen die Meßgeräte eine außerordentlich wichtige Rolle. Astronomen können ihre Untersuchungsobjekte nicht anfassen oder direkt analysieren. Dafür sind sie einfach viel zu weit entfernt. Ein paar der Planeten unseres Sonnensystems liegen in Reichweite und wir können Raumsonden dort hin schicken. Aber die Sterne werden noch für lange, lange Zeit unerreichbar sein; wenn nicht gar für immer. Die Sterne können wir nur ansehen. Alles was den Astronomen zur Verfügung steht, ist das Licht, das sie aussenden. Daraus müssen sie alle Informationen ableiten. Noch schwieriger wird die Sache in der Kosmologie. Hier müssen wir dem Licht nicht nur Informationen über die fernsten Himmelskörper entlocken, sondern auch noch über die Vergangenheit.

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John Mater hat seinen Vortrag heute mit einem passenden Vergleich begonnen. Kosmologie ist ein wenig so, als würde man ein Foto eines vollbesetzen Fußballstadiums machen. Darauf sieht man jede Menge Menschen: alte, junge, große, kleine, und so weiter. Und aus diesem Bild muss man nun die Geschichte der Menschheit ableiten…

Natürlich haben wir mittlerweile auch Computer, die uns eine direktere Analyse erlauben. Mit Computer kann man die Entstehung von Galaxien simulieren oder herausfinden, was passiert, wenn zwei Galaxien zusammenstoßen. Solche Prozesse dauern in der Realität ein paar Milliarden Jahren und sind deswegen nicht direkt beobachtbar. Aber so gut die Computer und die Simulationen auch sind: Wir müssen trotzdem noch bestätigen, dass sie auch tatsächlich die Realität beschreiben. Der Abgleich mit Beobachtungsdaten ist unerläßlich. Und dazu braucht man Telesekope. Oder, mit den Worten von John Mater, „Zeugs, das Sachen misst“. Die Astronomen benutzen Teleskope übrigens nicht, um Dinge zu vergrößern. Das nutzt bei den unvorstellbar weit entfernten Sternen nichts. Teleskope sind im Prinzip nichts anderes, als vergrößerte Augen. Unsere Pupille hat einen Durchmesser von ein paar Millimetern. Durch diese kleine Öffnung kann nur wenig Licht auf die Sehnerven fallen. Mit unseren Augen sehen wir also nur vergleichsweise helle Lichtquellen. Benutzt man aber einen großen Teleskopspiegel, dann hat man eine viel größere Fläche, um Licht aufzufangen. Mit Teleskopen sieht man die Sterne nicht größer. Aber man sieht viel mehr Sterne!

Es geht in der Astronomie allerdings nicht nur darum, größere Augen zu bauen. Es geht auch daraum, andere Augen zu entwickeln. Denn im Universum gibt es noch mehr zu sehen, als nur das normale Licht. Die Himmelskörper strahlen im kompletten elektromagnetischen Spektrum und wir brauchen unterschiedliche Teleskope, um all das sehen zu können, was es zu sehen gibt. Da ist zum Beispiel die Mikrowellenstrahlung aus dem All. Die wollte Mather schon während seiner Doktorarbeit untersuchen. Damals schlug das Forschungsprojekt fehl. Man müsste das ganze nochmal mit einem Weltraumteleskop wiederholen, meinte Mather. Das tat er dann 17 Jahre später auch und erhielt für seine Arbeit schließlich den Nobelpreis für Physik des Jahres 2006.

Es ging damals darum, das „Licht des Urknalls“ zu sehen; die Strahlung, die aus einer Zeit stammt, als das Universum nur wenige hunderttausend Jahre alt war. Die Urknalltheorie sagte voraus, dass diese Strahlung zwar sehr gleichförmig aus allen Richtungen des Himmels kommen müsste – aber nicht völlig gleichförmig. Es muss kleine Unterschiede geben, um die heute beobachtbaren Strukturen zu erklären. Und genau diese Inhomogenitäten konnte der COBE-Satellit, an dessen Konstruktion Mather beteiligt war, messen.

Zur Zeit ist Mather mit der Arbeit an einem anderen großen Auge beschäftigt: Dem James Webb Space Telescope (JWST). Dieses Teleskop soll – wenn alles nach Plan läuft – im Jahr 2018 ins Weltall geschickt werden. Es gilt als Nachfolger des höchst erfolgreichen Hubble-Weltraumteleskops. Aber das JWST wird ein ganz anderes Kaliber sein. JWST wird einen sieben Mal größeren Spiegel haben als Hubble. Damit das Teleskop vom Sonnenlicht abgeschirmt ist, steht es hinterm einem Sonnenschirm, der in etwa so groß ist, wie ein ganzer Tennisplatz. So ein riesiges Teil passt natürlich in keine Rakete. Es muss zusammengefaltet werden. Das ist noch relativ einfach. Kompliziert wird es dann im All, wenn es wieder auseinander gefaltet werden muss. So soll das aussehen:

Es ist fraglich, ob das JWST tatsächlich 2018 ins All fliegt. Es ist in der Vergangenheit schon öfter Opfer von Einsparungsmaßnahmen geworden. Aber bei einer Sache bin ich mir sicher: Wenn es ins All fliegt, dann werden die Beobachtungsdaten die es liefert, irgendwann die Grundlage eines Nobelpreises sein!