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Published 14 June 2014 by Vincenzo Hiemer

Teaching Spirit 2014: “Begeistern und begeistern lassen!”

Auch in diesem Jahr findet das Teaching Spirit Programm wieder im Rahmen der Lindau Nobel Laureate Meetings statt. Der teilnehmende Lehrer Markus Ehrengruber im Interview über seine Leidenschaft fürs lehren.

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Markus Ehrengrubers Steckenpferd: die Vogelkunde. Bild: (c) Beat Bühler

 

Seit 2011 ist „Teaching Spirit“ fester Bestandteil der Lindauer Nobelpreisträgertagungen. Das Impulsprogramm lädt ausgezeichnete Lehrer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum jedes Jahr dazu ein, die Nobelpreisträgertagungen hautnah zu erleben und sich neue Inspiration von den Meistern ihres Faches zu holen. Die teilnehmenden Lehrer werden von den Partnerorganisationen der Nobelpreisträgertagungen nominiert. 2014, zum 64. Lindau Nobel Laureate Meeting, werden 22 Biologielehrer nach Lindau kommen.

Einer von ihnen ist Dr. Markus Ehrengruber. Er unterrichtet Biologie an der Kantonsschule Hohe Promenade in Zürich und wurde von der Internationalen Bodenseekonferenz für die Teilnahme an “Teaching Spirit” nominiert. Im Interview mit Vincenzo Hiemer spricht er über die Faszination der Biologie und die Herausforderung, die Neugier seiner Schüler immer wieder neu zu entfachen.

Vincenzo Hiemer: Herr Dr. Ehrengruber, verraten Sie es uns, warum haben Sie sich für die Biologie entschieden?

Markus Ehrengruber: Ich interessiere mich seit meiner frühen Kindheit für die Natur, insbesondere Tiere. Mein Vater – ein Mathematiker, am Universitätsspital von Bern tätig – versuchte zwar, mich wegen der unsicheren Aussichten für einen Arbeitsplatz vom Biologiestudium abzuhalten und vom Medizinstudium zu überzeugen, aber meine Mutter, von Beruf medizinisch-technische Assistentin und zudem eine engagierte Naturschützerin, hat mich in meiner Studienwahl immer voll unterstützt.

VH: Warum ist es so wichtig für Sie, junge Menschen für Wissenschaft und Forschung zu begeistern?

ME: Erstens ist der Naturschutz (über)lebenswichtig. Damit Tier- und Pflanzenarten nicht durch den Menschen ausgelöscht werden, Ökosysteme nicht kollabieren und die Biosphäre weiter funktioniert, reicht nicht nur das Verständnis ökologischer Zusammenhänge. Es braucht auch die emotionale Bindung, die Liebe zur und Faszination durch die Natur! Zweitens ist die Biologie aufregend und spannend. Als Forscher entdeckt man neue, bisher unbekannte Mechanismen und Zusammenhänge, die in der Natur ablaufen. Diese kann sich der Mensch zum Beispiel in der Medizin oder Nahrungsmittelproduktion sogar zunutze machen.

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Bei Ausflügen in die Natur, können die Schüler diese am eigenen Leib erfahren. (c) A. Pfenninger

 

VH: Was bedeutet „Teaching Spirit“ überhaupt? Wie leben Sie das im Alltag?

Markus Ehrengruber: Begeistern und begeistern lassen! Den Schülern und Schülerinnen die Faszination der Biologie nicht nur durch das vermitteln der Theorie näher bringen, sondern auch einen emotionalen Zugang zur Natur finden!

ME: Ich verwende in den normalen Unterrichtslektionen viel Anschauungsmaterial und Situationen aus dem Alltag, leite jedes Jahr eine interdisziplinäre Arbeitswoche, organisiere während dem Semester die wöchentlichen Freifachkurse „Sezieren und präparieren“ und „Vogelkundliche Exkursionen“ sowie in den Sommerferien 10- bis 11-tägige Naturerlebnisreisen in die Sümpfe und Wälder Ostpolens. Besonders interessierte Schüler und Schülerinnen unterstütze und fördere ich während ihrer Facharbeit im 12. Schuljahr bis zur Teilnahme bei „Schweizer Jugend forscht“ und anderen Wettbewerben, öffentlichen Präsentation und sogar wissenschaftlichen Publikation ihrer Resultate in deutsch- und englischsprachigen Fachzeitschriften. Im Unterricht versuche ich, den Bogen vom Molekül – vor allem von der DNA – zum gesamten Organismus zu spannen. Hier ist meine sechzehnjährige Tätigkeit in der Grundlagenforschung in Neurobiologie, Gentechnik, Virologie und Immunbiologie sowie mein ausgeprägtes Hobby, die Ornithologie sehr hilfreich. Vom Persönlichen her ist mir ein direkter und fairer Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern wichtig. Ich habe viel Freude im Umgang mit den jungen Menschen und lasse mich gerne vom Wissensdurst insbesondere der jüngsten, 11-12 Jahre alten Gymnasiasten anstecken. So bin ich im Unterricht authentisch und locker und erzähle ich auch gerne aus meiner eigenen Erfahrung.

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Ist die Neugier groß genug, liegt die nächste Entdeckung nicht weit. (c) A. Pfenninger

 

VH: Was erhoffen Sie sich von der Teilnahme bei „Teaching Spirit“ im Rahmen der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung?

ME: Das persönliche Kennenlernen von Nobelpreisträgern. Diese haben an vorderster Front wichtige Aspekte der Biologie entdeckt und sind für mich Vorbilder.

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Um den Schülern ein Gefühl für ihre Ernährung zu geben, wird das Kaninchen auch schon mal direkt in der Schule zubereitet. (c) D. Grüter

 

VH: Gibt es denn eines dieser Vorbilder, auf das Sie sich ganz besonders freuen, wenn Sie nach Lindau kommen?

ME: Werner Arber, eindeutig! Ich habe während meiner eigenen Forschung elf Jahre lang und tausende Male seine wichtigste Entdeckung, die Restriktionsenzyme verwendet. Außerdem ist er ein Schweizer Nobelpreisträger, den ich im Biologieunterricht jedes Jahr meinen Schülern vorstelle. Zudem scheint Werner Arber keine Berührungsängste zu haben, ist er doch erster nicht römisch-katholischer Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Er steht als moderner Biologe in direktem Kontakt mit der teilweise starren katholischen Kirche und hat sich somit quasi in die „Höhle des Löwen“ gewagt. Das verdient Respekt!

VH: Herr Ehrengruber, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Spaß beim Besuch der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung!

Markus Ehrengruber wird am Impulsprogramm “Teaching Spirit” im Rahmen der 64. Lindauer Nobelpreisträgertagung teilnehmen. Dieses Jahr  werden 22 von Partnerorganisationen ausgezeichnete Biologielehrer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum nach Lindau kommen, wo sie unter anderem den Vorträgen der Nobelpreisträger beiwohnen, ausgesuchte Workshops zur Wissenschaftspädagogik besuchen und den Bayerischen Abend mit den Tagungsteilnehmern verbringen werden.

Vincenzo Hiemer