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Veröffentlicht 30. Juni 2010 von Jessica Riccò

Schweigen im Walde bei Paul Crutzen

Am Montagnachmittag im Forum am See: Gut 30 junge Wissenschaftler haben sich in einem kleinen Raum zusammengefunden um Paul Crutzens Vortrag zum Klimawandel zu lauschen. Hinter mir hat es sich Dr. Susanne Hintschich bequem gemacht – heute ist sie zwar Physikerin, aber als Ex-Meteorologin und Wissenschaftsbegeisterte interessiert sie das Thema sowieso. Crutzen ist ja nun auch nicht mehr der Jüngste, hält seinen Vortrag im Sitzen und als er mit einem Babyfoto von sich anno dunnemals beginnt, fürchten die Anwesenden doch kurz einen weiteren "Käseigel"-Vortrag. Wär ja schade. Dann aber kommt Crutzen zum Thema und damit, in einem seinem Alter entsprechenden Tempo, in Fahrt. 

Es geht ihm um das Anthropozän, das von ihm mit diesem Begriff geprägte Erdzeitalter in dem wir momentan leben und das wir per Definition selbst geschaffen haben. Das Zeitalter in dem die Auswirkungen des Menschen auf die Natur mit natürlichen Einflüssen auf eine Stufe gestellt werden können. Wie solche Auswirkungen aussehen, ist ja hinlänglich bekannt: Kohlenstoffdioxid und Methan halten die Wärmestrahlung fest, vormals zerstörten FCKWs die Ozonschicht. Allein im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich die Viehpopulation weltweit vervierfacht, während die Meere längst schon überfischt werden. Im selben Zeitraum ist der Wasserverbrauch um das neunfache gestiegen. Fast die Hälfte der Menschen lebt in Großstädten. Wir verändern die Natur und das leider meist nicht zum Guten.

Crutzens Frage an die jungen Wissenschaftler lautet ganz naheliegend: Was können wir dagegen tun? Klimaskeptiker sitzen zum Glück nicht im Saal, sodass man hier immerhin keine Zeit an Spinner verschwenden muss. Den Ausstoß der Treibhausgase verringern sollte man, das ist ja klar. Und Crutzen präsentiert, bevor es zur pressefreien Diskussion geht, noch ein paar weitere Ansätze: Man könnte ja Schwefelverbindungen in die oberen Luftschichten schießen oder ein riesiges Gebiet mit Bäumen bepflanzen. Schweigen im Walde. Was anschließend in der Diskussion geschieht, berichtet Susanne bei einem Post-Crutzen-Eiskaffee:

(Kein Foto von Herrn Crutzen, nicht minder ansehlich: Physikerin Susanne Hintschich mit Eisschokolade.)

Die Schwefel-Idee hält sie für Unfug. "Das kühlt die Erde vielleicht ab, aber es lässt auch weniger Licht durch. Wie würde sich das wohl auf die Natur auswirken?" Ihrer Meinung nach wertete die Diskussion dieser Möglichkeit bzw. die Untersuchung der Durchführbarkeit die Idee unnötig auf. Auch Crutzens Vorschlag eines gigantischen, künstlich angelegten Waldes hält sie für fraglich. "Ein so großes Gebiet zu finden und zu Bepflanzen wird doch in der Umsetzung immer schwierig bleiben. Die Treibhausgase zu verringern ist schon die beste Idee, ich hätte lieber mehr darüber geredet." Susanne Hintschich arbeitet als Post-Doc am Institut für Angewandte Photophysik der TU Dresden. Aus Crutzens Vortrag hat sie trotz unnötigem Schwefel auch etwas Lehrreiches mitgenommen: "Wir haben noch ein wenig über Klimaskeptiker geredet. Wie soll man mit ihnen umgehen? Diskutieren oder ignorieren? Crutzen hatte dazu eine sehr klare Haltung. Wenn man über die Probleme nicht redet, verschwinden sie auch nicht. Darum ist es umso wichtiger, auf das Thema Globale Erwärmung aufmerksam zu machen – auch und vor allem in der Politik."

Jessica Riccò