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Veröffentlicht 6. Juli 2012 von Markus Pössel

Schwarze Löcher, Sterne, Galaxien und das frühe Universum: Meisterkurs mit George Smoot

Das war mir neu: Master classes, Meisterkurse gab es bei meinem letzten Lindauer Treffen 2010 noch nicht. Den Begriff kannte ich nur aus der Musik, wo dann Meisterschüler vorspielen und dann von ihrem Lehrer, meist einem berühmten Musiker, gezeigt bekommen, was sie noch besser machen können. Wie kann man das auf die Wissenschaft übertragen? Mit dieser Frage bin ich Donnerstag nachmittag ins Hotel Bayrischer Hof gegangen, wo George Smoot (den ich 2010 in Lindau bereits interviewt hatte: hier und hier) einen ebensolchen Meisterkurs abhalten sollte. 

Wie es dann aussah? Genau so:

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Im Raum etwas mehr als 30 der jungen Wissenschaftler, und zwar durchaus vom Fach. Vier der Teilnehmer – Josh Dillon, Marianne Heida, Yingjie Peng und Stefania Salvadori – durften zehnminütige Vorträge über ihr Forschungsgebiet halten. Soweit, so ähnlich einer wissenschaftlichen Tagung. Dann ging es aber in der jeweils anschließenden Fragerunde durchaus nicht nur um die üblichen Fachfragen, sondern es lief in der Tat etwas sehr ähnliches ab, wie wenn der Meistergeiger seinem Schüler neue Griffe zeigt oder seine Haltung korrigiert.

Zum einen gab Smoot dabei direkte Rückmeldung: Einmal merkte er an, die Vortragende hätte mehr auf die Vorarbeiten eingehen sollen – aus ihrem Vortrag sei nicht hervorgegangen, dass sie sich ausgiebig genug mit der vorhandenen Literatur beschäftigt hatte. Einem Vortragenden bescheinigte Smoot, er habe sein Forschungsthema in den Folien, die er Smoot vorab geschickt habe, zu agressiv „verkauft“; so, wie er den Vortrag jetzt gehalten und auch auf die zu erwartenden Schwierigkeiten hingewiesen habe, sei es aber völlig in Ordnung gewesen. Bei einem der Vorträge war es die Motivation, die nicht klar genug dargelegt war – ein wissenschaftliches Publikum will aber in der Regel durchaus überzeugt werden, dass das Forschungsvorhaben, dass es da vorgestellt bekommt, es wert ist, verfolgt zu werden!

Insgesamt wurde sehr deutlich, was ein wissenschaftlicher Vortrag leisten sollte, und dass auch ein bereits guter Vortragender sich von einem erfahrenen Wissenschaftler immer noch Tips geben lassen kann.

Auf fachlicher Ebene bot der Meisterkurs schöne Einblicke in vier astronomische Forschungsgebiete – die Suche nach mittelschweren Schwarzen Löchern; Versuche, das frühe Universum mit Hilfe der sogenannten 21 cm-Strahlung zu erforschen; Galaxienevolution und die Suche nach den frühesten Sternen. Auch das wurde von den Teilnehmern, die ich anschließend befragte, durchaus gewürdigt – und es wurden auch gleich Kontakte geknüpft: Mehr als einmal meldete sich in der Fragerunde ein Teilnehmer aus dem Publikum und sagte sinngemäß „Ich forsche an einem ähnlichen Thema, lass uns nach dem Meisterkurs mal direkt reden!“

Und, wie mehrere Nobelpreisträger im Laufe der Tagung bemerkten: ihre preiswürdige Forschungsarbeit leisten Nobelpreisträger typischer Weise, wenn sie nicht oder nicht viel älter sind als die jungen Wissenschaftler, die zur Lindauer Tagung reisen. Auf der Tagung auch zu zeigen, woran die Young Researchers forschen, ist schon deswegen sicher nicht verkehrt.

Insgesamt waren die Einschätzungen, die ich von den Teilnehmern, den Vortragenden und von George Smoot bekam durch die Bank positiv – was sich mit meiner eigenen Erfahrung deckt. Schön, dass die Lindauer Tagung um dieses Element ergänzt worden ist. Bitte auch bei den nächsten Malen Master classes!

 

Markus Pössel