BLOG

Veröffentlicht 28. Juni 2016

Leuchten blaue LEDs den Weg in die Zukunft?

Ich bin kein Physiker.

Mit diesem Satz eröffnete Hiroshi Amano seinen Vortrag; den ersten bei der 66. Lindauer Nobelpreisträgertagung. So wie die anderen Laureaten, die in diesem Jahr am Bodensee zu Gast sind, hat auch Amano seinen Preis für Leistungen auf dem Gebiet der Physik bekommen. Aber, wie er im Laufe seines Vortrags erläutert, sieht er selbst sich mehr als Ingenieur denn als Physiker. Als einen Ingenieur mit großen Ambitionen: „Wenn ich blaue LEDs bauen könnte, würde ich die Welt verändern“, erklärt Amano die Motivation für seine Forschung. Leuchtdioden (LEDs) wurden schon seit den 1960er Jahren hergestellt. Allerdings nur in den Farben rot, gelb und grün. Blaue LEDs gab es noch nicht; ein Mangel, den Amano beheben wollte. Während seiner Studienzeit interessierte er sich für PCs und wollte zu deren Weiterentwicklung beitragen. Die damaligen Röhrenbildschirme waren groß und verbrauchten viel Energie. Wenn es aber gelang, auch blau leuchtende Dioden zu entwickeln, könnte man das ändern und kleinere Displays bauen. Amano konzentrierte sich als Student auf das Halbleitermaterial Galliumnitrit, von dem bekannt war, dass es theoretisch zur Konstruktion blauer LEDs geeignet war. Wie eine praktische Umsetzung aussehen sollte, wusste aber niemand.

 

Für einen jungen Studenten war das eine nicht unangenehme Situation: Amano wusste nicht weniger als seine Professoren und konnte ohne hierarchisches Gefälle frei diskutieren und experimentieren. Vorerst aber ohne Erfolg und auch der Rest der wissenschaftlichen Gemeinschaft hatte sich bald vom Galliumnitrit ab- und dem (zumindest damals) vielversprechenderen Material Zinkselenid zugewandt. Amano erläutert in seinem Vortrag die Wahl vor der er stand. Er konnte sich der Mehrheit anschließen, in einem aktiven Forschungsumfeld arbeiten und so nicht nur leichter Fachartikel veröffentlichen sondern auch seine Chancen auf eine Anstellung an einer Universität erhöhen. Oder aber Teil der Minderheit bleiben, die weiter am Galliumnitrit forscht; ohne großen Rückhalt in der wissenschaftlichen Community und große Chancen auf eine akademische Zukunft. Amano entschied sich gegen den Mainstream und – zumindest im Nachhinein betrachtet – war das die bessere Wahl. Gemeinsam mit Isamu Akasaki gelang es ihm, Ende der 1980er Jahren Kristalle aus Galliumnitrit herzustellen, deren optische Eigenschaft gut genug waren um blaue Leuchtdioden zu entwickeln. Für diese Leistung wurden beide (und zusätzlich auch Shuji Nakamura, der unabhängig vergleichbare Resultate erbrachte) 2014 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

 

Hiroshi Amano bei #LiNo16. Foto: J. Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetingds
Hiroshi Amano bei #LiNo16. Foto: J. Nimke/Lindau Nobel Laureate Meetings

Eine blau leuchtende Diode erscheint auf den ersten Blick nicht so beeindruckend wie andere nobelpreisgekrönte Entdeckungen beispielsweise über den fundamentalen Aufbau der Materie oder die Struktur des Universums. Aber Amano hat mit seinen Kollegen das getan, was er sich als junger Student vorgenommen hatte: Er hat die Welt verändert. Blaue LEDs dienen schon längst nicht mehr nur als Display für Computer und andere elektronische Geräte. Zusammen mit den andersfarbigen LEDs ist es mit ihnen möglich, auch weißes Licht zu erzeugen. Und das auf eine viel effektivere und energiesparendere Weise als mit den konventionellen Leuchtmitteln. Ohne die blauen LEDs in ihren Bildschirmen hätten sich Smartphones und Tablets nie so verbreiten können, wie sie es getan haben und was das angeht, haben Amano und seine Kollegen die moderne Welt schon deutlich geprägt. Aber der Einsatz der blauen Leuchtdioden geht mittlerweile weit über den Einsatz von Displays hinaus. Amano erklärt, dass es mit den LED-Leuchtmitteln der globale Energieverbrauch gesenkt werden könnte. Ihr Einsatz könnte Kernkraftwerke überflüssig machen und den Verbrauch fossiler Brennstoffe deutlich reduzieren. „Lighting the Earth by LEDs“ ist der Titel von Amanos Vortrag und genau darauf sieht er die zukünftige Forschung und Entwicklung abzielen: Dank LEDs soll es auch überall dort billige und effiziente Beleuchtung geben, wo die Welt heute noch dunkel ist. Eine große Vision, die nicht nur kurz vor der Verwirklichung steht sondern von vielen auch kritisch gesehen wird. Die gleichen Satellitenbilder der nächtlichen Erde die in Amanos Vortrag demonstrieren wo LEDs zum Einsatz kommen können, sind für andere eine Warnung vor der immer stärkeren Lichtverschmutzung auf unserem Planeten. Erst vor wenigen Wochen hat ein internationales Team von Wissenschaftlern eine Studie zur künstlichen Aufhellung der Nacht veröffentlicht (Fabio Falchi et al, „The new world atlas of artificial night sky brightness“, Science Advances 10 Juni 2016). Sie haben Bilder des NASA-Satelliten Suomi NPP ausgewertet und gemessen, wie viel Licht aus den großen Städten in Richtung Himmel gestrahlt wird. Ihr Fazit: Circa 80 Prozent der Weltbevölkerung sehen keinen natürlich dunklen Himmel mehr. In Europa ist der Himmel für 60 Prozent der Bevölkerung schon so sehr aufgehellt, dass dort keinerlei Chance besteht die Milchstraße mit freiem Auge zu sehen.

 

London bei Nacht (Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center)
London bei Nacht (Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center)

Das Verblassen des Sternenhimmels ist mit Sicherheit ein kultureller Verlust für die Menschheit. Die Lichtverschmutzung ist aber schon längst nicht mehr nur ein Problem für Sterngucker und professionelle Astronomen, denen ja zumindest immer noch der Ausweg auf hohe Berge und in abgelegene Wüsten offen steht, wo der Himmel immer noch dunkel ist. Von den immer helleren Nächten sind auch Tiere und Pflanzen betroffen, die einen regelmäßigen und deutlichen Wechsel von hellem Tag zu dunkler Nacht für ihr Wachstum und ihre Entwicklung brauchen. Medizinische Studien zeigen auch Hinweise, dass der menschliche Organismus durch die immer stärkere Lichtverschmutzung betroffen ist und das Risiko für Erkrankungen sich in Regionen mit viel Kunstlicht erhöht. Künstliches Licht ist ein integraler Bestandteil unserer modernen Zivilisation und es ist nicht sinnvoll sich die dunkle Welt der Vergangenheit zurück zu wünschen. Aber es spricht nichts dagegen, die Nächte vernünftig und geplant zu beleuchten. Gerade dank der LEDs lassen sich moderne Beleuchtungskonzepte viel einfacher umsetzen so dass am Ende tatsächlich nur das beleuchtet wird was auch beleuchtet werden soll und der Rest dunkel bleibt. Die billigen und effizienten LEDs führen uns aber auch erst Recht in Versuchung, sie wahl- und ziellos einzusetzen. Am Ende bleibt das Dilemma, das jede neue Entwicklung nach sich zieht: Sobald die alten Probleme gelöst worden sind, tauchen unerwartete neue Aspekte auf mit denen man nicht gerechnet hat. Der Weg kann aber immer nur vorwärts führen. Das sieht auch Hiroshi Amano so und beendet seinen Vortrag mit einem Appell an die anwesenden jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:

I believe engineering can solve global issues

Und globale Probleme, so Amano, gäbe es heute ja genug. Und damit auch genug Arbeit für die nächste Generation der Forscher.

„Ich bin kein Physiker.“ Mit diesem Satz eröffnete Hiroshi Amano seinen Vortrag; den ersten bei der 66. Konferenz der Nobelpreisträger in Lindau. So wie die anderen Laureaten die in diesem Jahr am Bodensee zu Gast sind, hat auch Amano seinen Preis für Leistungen auf dem Gebiet der Physik bekommen. Aber, wie er im Laufe seines Vortrags erläutert, sieht er selbst sich mehr als Ingenieur denn als Physiker. Als einen Ingenieur mit großen Ambitionen: „Wenn ich blaue LEDs bauen könnte, würde ich die Welt verändern“, erklärt Amano die Motivation für seine Forschung. Leuchtdioden (LEDs) wurden schon seit den 1960er Jahren hergestellt. Allerdings nur in den Farben rot, gelb und grün. Blaue LEDs gab es noch nicht; ein Mangel, den Amano beheben wollte. Während seiner Studienzeit interessierte er sich für PCs und wollte zu deren Weiterentwicklung beitragen. Die damaligen Röhrenbildschirme waren groß und verbrauchten viel Energie. Wenn es aber gelang, auch blau leuchtende Dioden zu entwickeln, könnte man das ändern und kleinere Displays bauen. Amano konzentrierte sich als Student auf das Halbleitermaterial Galliumnitrit, von dem bekannt war, dass es theoretisch zur Konstruktion blauer LEDs geeignet war. Wie eine praktische Umsetzung aussehen sollte, wusste aber niemand. Für einen jungen Studenten war das eine nicht unangenehme Situation: Amano wusste nicht weniger als seine Professoren und konnte ohne hierarchisches Gefälle frei diskutieren und experimentieren. Vorerst aber ohne Erfolg und auch der Rest der wissenschaftlichen Gemeinschaft hatte sich bald vom Galliumnitrit ab- und dem (zumindest damals) vielversprechenderen Material Zinkselenid zugewandt. Amano erläutert in seinem Vortrag die Wahl vor der er stand. Er konnte sich der Mehrheit anschließen, in einem aktiven Forschungsumfeld arbeiten und so nicht nur leichter Fachartikel veröffentlichen sondern auch seine Chancen auf eine Anstellung an einer Universität erhöhen. Oder aber Teil der Minderheit bleiben, die weiter am Galliumnitrit forscht; ohne großen Rückhalt in der wissenschaftlichen Community und große Chancen auf eine akademische Zukunft. Amano entschied sich gegen den Mainstream und – zumindest im Nachhinein betrachtet – war das die bessere Wahl. Gemeinsam mit Isamu Akasaki gelang es ihm, Ende der 1980er Jahren Kristalle aus Galliumnitrit herzustellen, deren optische Eigenschaft gut genug waren um blaue Leuchtdioden zu entwickeln. Für diese Leistung wurden beide (und zusätzlich auch Shuji Nakamura, der unabhängig vergleichbare Resultate erbrachte) 2014 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Eine blau leuchtende Diode erscheint auf den ersten Blick nicht so beeindruckend wie andere nobelpreisgekrönte Entdeckungen beispielsweise über den fundamentalen Aufbau der Materie oder die Struktur des Universums. Aber Amano hat mit seinen Kollegen das getan, was er sich als junger Student vorgenommen hatte: Er hat die Welt verändert. Blaue LEDs dienen schon längst nicht mehr nur als Display für Computer und andere elektronische Geräte. Zusammen mit den andersfarbigen LEDs ist es mit ihnen möglich, auch weißes Licht zu erzeugen. Und das auf eine viel effektivere und energiesparendere Weise als mit den konventionellen Leuchtmitteln. Ohne die blauen LEDs in ihren Bildschirmen hätten sich Smartphones und Tablets nie so verbreiten können, wie sie es getan haben und was das angeht, haben Amano und seine Kollegen die moderne Welt schon deutlich geprägt. Aber der Einsatz der blauen Leuchtdioden geht mittlerweile weit über den Einsatz von Displays hinaus. Amano erklärt, dass es mit den LED-Leuchtmitteln der globale Energieverbrauch gesenkt werden könnte. Ihr Einsatz könnte Kernkraftwerke überflüssig machen und den Verbrauch fossiler Brennstoffe deutlich reduzieren. „Lighting the Earth by LEDs“ ist der Titel von Amanos Vortrag und genau darauf sieht er die zukünftige Forschung und Entwicklung abzielen: Dank LEDs soll es auch überall dort billige und effiziente Beleuchtung geben, wo die Welt heute noch dunkel ist. Eine große Vision, die nicht nur kurz vor der Verwirklichung steht sondern von vielen auch kritisch gesehen wird. Die gleichen Satellitenbilder der nächtlichen Erde die in Amanos Vortrag demonstrieren wo LEDs zum Einsatz kommen können, sind für andere eine Warnung vor der immer stärkeren Lichtverschmutzung auf unserem Planeten. Erst vor wenigen Wochen hat ein internationales Team von Wissenschaftlern eine Studie zur künstlichen Aufhellung der Nacht veröffentlicht (Fabio Falchi et al, „The new world atlas of artificial night sky brightness“, Science Advances 10 Juni 2016). Sie haben Bilder des NASA-Satelliten Suomi NPP ausgewertet und gemessen, wie viel Licht aus den großen Städten in Richtung Himmel gestrahlt wird. Ihr Fazit: Circa 80 Prozent der Weltbevölkerung sehen keinen natürlich dunklen Himmel mehr. In Europa ist der Himmel für 60 Prozent der Bevölkerung schon so sehr aufgehellt, dass dort keinerlei Chance besteht die Milchstraße mit freiem Auge zu sehen.

London bei Nacht (Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center)
London bei Nacht (Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center)

Das Verblassen des Sternenhimmels ist mit Sicherheit ein kultureller Verlust für die Menschheit. Die Lichtverschmutzung ist aber schon längst nicht mehr nur ein Problem für Sterngucker und professionelle Astronomen, denen ja zumindest immer noch der Ausweg auf hohe Berge und in abgelegene Wüsten offen steht, wo der Himmel immer noch dunkel ist. Von den immer helleren Nächten sind auch Tiere und Pflanzen betroffen, die einen regelmäßigen und deutlichen Wechsel von hellem Tag zu dunkler Nacht für ihr Wachstum und ihre Entwicklung brauchen. Medizinische Studien zeigen auch Hinweise, dass der menschliche Organismus durch die immer stärkere Lichtverschmutzung betroffen ist und das Risiko für Erkrankungen sich in Regionen mit viel Kunstlicht erhöht. Künstliches Licht ist ein integraler Bestandteil unserer modernen Zivilisation und es ist nicht sinnvoll sich die dunkle Welt der Vergangenheit zurück zu wünschen. Aber es spricht nichts dagegen, die Nächte vernünftig und geplant zu beleuchten. Gerade dank der LEDs lassen sich moderne Beleuchtungskonzepte viel einfacher umsetzen so dass am Ende tatsächlich nur das beleuchtet wird was auch beleuchtet werden soll und der Rest dunkel bleibt. Die billigen und effizienten LEDs führen uns aber auch erst Recht in Versuchung, sie wahl- und ziellos einzusetzen. Am Ende bleibt das Dilemma, das jede neue Entwicklung nach sich zieht: Sobald die alten Probleme gelöst worden sind, tauchen unerwartete neue Aspekte auf mit denen man nicht gerechnet hat. Der Weg kann aber immer nur vorwärts führen. Das sieht auch Hiroshi Amano so und beendet seinen Vortrag mit einem Appell an die anwesenden jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: „I believe engineering can solve global issues“. Und globale Probleme, so Amano, gäbe es heute ja genug. Und damit auch genug Arbeit für die nächste Generation der Forscher.