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Veröffentlicht 3. Juli 2012

Felder voller schwarzer Pflanzen: Löst Biokraftstoff unser Energieproblem?

Hartmut Michel bekam 1988 den Nobelpreis für Chemie für seine Erforschung der Moleküle, die an der Photosynthese beteiligt sind. Auf der Nobelpreisträgerkonferenz in Lindau sprach er über Biokraftstoffe. Die Verbindung zwischen diesen beiden Themen ist auf den ersten Blick vielleicht nicht offensichtlich, wird aber deutlich, wenn man sich überlegt, was Biokraftstoffe eigentlich sind. Diese Kraftstoffe, die wie normales Benzin und normaler Diesel in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können, werden aus Biomasse erzeugt – also Pflanzen.

Die Energie, die dann zum Beispiel unser Auto antreibt ist Sonnenlicht, das von den Pflanzen mittels Photosynthese in Energie umgewandelt wurde. Um herauszufinden, wie effizient dieser Prozess ist, muss man genau wissen, was bei der Photosynthese passiert. Es ist also nicht verwunderlich, wenn ein Experte für Photosynthese über Biokraftstoffe spricht.

Betrachtet man die Vorgänge bei der Photosynthese, dann ist sie eigentlich nicht sonderlich effizient. Das fängt schon damit an, dass die Pflanzen nur einen kleinen Teil des gesamten elektromagnetischen Spektrums nutzen. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Pflanzen grün sind: sie reflektieren den grünen Teil des Lichts und nutzen hauptsächlich das blaue und rote Licht. Nicht gebraucht werden aber auch so gut wie alle Wellenlängenbereiche, die außerhalb des sichtbaren Lichts liegen (Radiowellen, Mikrowellen, Infrarotstrahlung, UV-Strahlung, Röntgenstrahlung, Gammastrahlung). Die Sonne strahlt aber im kompletten Spektrum und den Pflanzen entgeht so der Großteil ihrer Energie.

Natürlich sind die chemischen Reaktionen, bei denen Licht in Energie umgewandelt wird, auch nicht völlig verlustfrei. Am Ende liegt das theoretische Limit bei 4,5 Prozent. Nur 4,5 Prozent der Sonnenenergie kann via Photosynthese genutzt werden. In der Realität ist der Wirkungsgrad aber natürlich noch ein wenig schlechter – die Pflanzen können ihr geringes Potential nicht immer voll ausschöpfen. Im Durchschnitt landet man bei einem Prozent des Sonnenlichts, dessen Energie in Biomasse gespeicher werden kann. Je nach geografischer Lage kann dieser Wert aber noch geringer sein. Michel erklärt, dass in Lindau nur 0,13 Prozent des Sonnenlichts erfolgreich konvertiert werden kann – und dann muss man von diesem Wert noch die ganzen Energiekosten abziehen, die bei den technischen Prozessen der Biokraftstofferzeugung anfallen.

Bei dieser geringen Effizienz könnte beispielsweise Deutschland seinen Bedarf nicht komplett mit Biokraftstoffen decken. Es ist einfach nicht genug Platz, um ausreichend Biomasse anzubauen. Der Einsatz von Biokraftstoffen scheint also keine zukunftsweisende Strategie zu sein, um das Problem der schwindende und klimaschädlichen fossilen Energieträger zu lösen. Aber ganz aufgeben will Michel die Biokraftstoffe noch nicht. Die Photosynthese muss ja nicht zwingend so ineffizient bleiben. Man könnte gentechnische Verfahren nutzen, und sie effektiver machen. Michel prognostiziert eine Steigerung der Effektivität von 50 bis 100 Prozent! Es wäre sogar möglich, die Pflanzen dazu zu bringen, auch andere, für uns nicht sichtbare Wellenlängenbereiche zu nutzen. Das hätte einen interessanten Nebeneffekt: Solche Pflanzen hätten dann schwarze Blätter! Werden wir also in Zukunft in einer Welt voller schwarzer Wälder und Felder leben?

Vielleicht – aber wenn es nicht gelingt, die Biokraftstoffe deutlich effektiver zu machen, gibt es andere und bessere Methoden. Bei einem normalen Auto mit Verbrennungsmotor (egal ob dort Benzin oder Biodiesel verbrannt wird) werden etwa 20 Prozent der Energie für den Antrieb verwendet. Bei einem Elektroauto sind es laut Michel 80 Prozent. Ein Elektroauto das seinen Strom direkt aus Sonnenenergie bezieht, ist 400 mal effektiver als ein Verbrennungsmotor der mit Treibstoff aus Biomasse läuft. Die Zukunft liegt also vorerst nicht in der Biomasse, meint Michel, sondern in der Weiterentwicklung der direkten Nutzung des Sonnenlichts. Hier wird es vor allem darauf ankommen, den zum Beispiel durch Photovoltaik erzeugten Strom verlustfrei über große Strecken zu leiten. Dazu braucht man Supraleiter, die auch bei hohen Temperaturen noch funktionieren. Solche Materialien sind aber derzeit noch genauso Zukunftsmusik wie die Wälder aus schwarzen Pflanzen…