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Veröffentlicht 25. Juni 2011

Silke Müller und die schwebenden Zellen

Auch Silke Müller ist dieses Jahr beim Lindauer Nobelpreisträgertreffen. Sie arbeitet im Rahmen des interdisziplinären Space Life PhDProgramms des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. Dort promoviert sie über Makrophagen in simulierter Schwerelosigkeit.

Silke Müller am Klinostaten. Bild: DLR

Frau Müller, woran arbeiten Sie gerade?

Ich untersuche Makrophagen in einem Klinostaten, das ist ein Simulator für Schwerelosigkeit, Die Zellen werden um ihre eigene Achse gedreht, so dass sie nicht sedimentieren sondern sich die ganze Zeit im freien Fall befinden, als Modell für Schwerelosigkeit. Danach schaue ich mir dann die RNA- und Protein-Expression an.

Also so eine Art Parabelflug für einzelne Zellen?

Ja. Das Problem beim echten Parabelflug ist, dass man immer nur 20 Sekunden Schwerelosigkeit hat und es wechseln sich dann auch noch die Phasen mit 1,8 g ab, in denen man mit dem fast doppelten Gewicht zu Boden gedrückt wird. Das Problem ist einerseits, dass man diese Einflüsse nicht richtig trennen kann, dass man beide Effekte sieht, und dass meine Zellen auch nicht so schnell reagieren. Deswegen rotieren die auf dem Klinostaten immer für mehrere Stunden, weil ich in zwanzig Sekunden einfach keine Antwort der Proteinexpression sehe.

Und was für eine Antwort sehen Sie?

Ich schaue mir die regulatorischen Proteine für den Salzhaushalt an, ich bin aber noch nicht zu einem endgültigen Ergebnis gekommen.

Welche Bedeutung hat die Salzregulation der Makrophagen für den menschlichen Körper?

Das ist ein relativ neu entdeckter Mechanismus um Salz, das bei hoher Zufuhr in der Haut gespeichert wird, wieder zu entfernen. Es gibt dabei wahrscheinlich auch eine Verbindung zum Bluthochdruck. Das ist ein sehr spannendes Forschungsfeld, weil es ja auch den salzsensitiven Bluthochdruck gibt: Wenn man zu viel Salz isst steigt der Blutdruck. Wir haben bei uns im Institut einerseits Salzbalance-Studien gemacht, um uns die Anreicherung in der Haut anzuschauen, und ich arbeite andererseits am molekularen Ansatz.

Haben Sie vor, Ihre Experimente irgendwann auf der ISS in echter Schwerelosigkeit weiterzuführen?

Ja, das wäre natürlich spannend, auch wenn man von einem Astronauten mal ein paar Blutproben kriegen könnte, aber das ist natürlich extrem schwierig und extrem langfristig. Um wirklich ein Experiment auf der ISS zu haben braucht man schon einige Jahre Zeit um das zu planen und all die erforderlichen Schritte und Tests einzuleiten um sicherzugehen dass das auch wirklich funktioniert. Das lässt sich im Rahmen einer Doktorarbeit nicht durchführen. Das Problem ist auch, dass man nicht weiß was dabei rauskommt, dann gibt es mal Schwierigkeiten mit dem Datentransfer und man hat nachher keine Ergebnisse. Deswegen geht das bei der Doktorarbeit nicht aber mit Glück, dass ich an dem Thema weiter forschen kann und dann mal etwas in der Richtung unternehme. Es gibt auch die Möglichkeit, auf einem russischen Forschungssatelliten etwas zu machen, der dann mehrere Tage iim All und schwerelos ist.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie jetzt nach Lindau fahren?

Ich hatte das Glück, dass ich mich über die Professor-Rhein-Stiftung der Stadt Königswinter bewerben konnte, bei der ich Stipendiatin bin. Dort gibt es regelmäßige Treffen, und einige frühere Stipendiaten sind auch nach Lindau gefahren, die haben davon dann in den höchsten Tönen geschwärmt. Ich habe schon vor ein paar Jahren versucht mich für das Nobelpreisträgertreffen zu bewerben, aber da war ich erst am Anfang meines Studiums und da hat das natürlich noch nicht so viel Sinn gemacht. Deswegen bin ich ganz froh dass das jetzt geklappt hat.

Sie haben sicher schon geguckt, welche Nobelpreisträger dieses Jahr in Lindau sind. Auf wen sind Sie am meisten gespannt?

Schwierig. Eigentlich ist ja jeder für sich ein spannender Wissenschaftler mit seiner eigenen Geschichte. Da kann ich eigentlich gar nicht so sagen auf wen ich mich am meisten freue. Man denkt ja irgendwie eher an jemanden der dem eigenen Forschungsgebiet auch nah ist, aber andererseits geht es ja auch darum, sich zu vernetzen und auszutauschen und jemand, der aus einem weiter entfernten Feld kommt hat vielleicht einen ganz anderen Blickwinkel auf meine Forschung und kann mir neue Einblicke geben.

Vielen Dank für das Interview.