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Veröffentlicht 17. Juli 2012 von Markus Pössel

Mit der Tagung aufgewachsen: Ein Interview mit Bettina Gräfin Bernadotte

Die Geschichte des Lindauer Treffens ist eng mit dem Namen der schwedischen Adelsfamilie Bernadotte verknüpft. Das Treffen war von zwei Ärzten aus Lindau initiiert worden, die sich mit der Idee an Lennart Graf Bernadotte wandten. Der nutzte seine familiären Beziehungen zur schwedischen Königsfamilie und seine Kontakte zum Nobelpreis-Kommittee, um die ersten Einladungen an die internationalen Nobelpreisträger auszusprechen, wurde erster Präsident des Lindauer Kuratoriums und prägte den Charakter der Veranstaltung insbesondere in den ersten rund 30 Jahren. 1987 folgte ihm seine Frau, Sonja Gräfin Bernadotte, als Kuratoriumspräsidentin nach; Ende 2008 übernahm die gemeinsame Tochter der beiden, Bettina Gräfin Bernadotte, das Amt.

altIch hatte Bettina Bernadotte bei meinen bisherigen zwei Lindauer Tagungen nur bei den eher zeremoniellen Anlässen wie Eröffnung, Schluss (und, ja bei der traditionellen Polonäse) gesehen. Als ich sie am Donnerstag zufällig im Vorraum des Sitzungssaales traf, war ich dann aber doch neugierig und ergriff die Gelegenheit, sie zu ihren Lindau-Erfahrungen zu befragen.

MP: Sind Sie in das Lindauer Treffen sozusagen hineingewachsen? Hatten Sie Umgang mit Nobelpreisträgern, seit Sie laufen konnten?

Bernadotte: Das kann man so sagen. Dadurch, dass ich auf der Mainau und in Konstanz aufgewachsen bin, war ich natürlich nicht immer die ganze Woche bei den Lindauer Treffen. Aber am Abschlusstag, wenn die Nobelpreisträger auf der Mainau zu Gast sind, war ich von Kindesbeinen an dabei. Meine ersten Erinnerungen sind an physikalische Alltagsexperimente bei einem gemeinsamen Mittagessen mit den Laureaten – mit den Physikern habe ich damals Wasser von einem Glas durch Röhrchen in ein anderes laufen lassen. Damals muss ich fünf oder sechs Jahre gewesen sein.

MP: Lassen Sie mich das mit den Generationen richtig hinbekommen: Der Gründer war…

Bernadotte: …war mein Vater. Zwischenzeitlich hat meine Mutter die Präsidentschaft des Kuratoriums übernommen, und Ende 2008 dann ich.

MP: Hat Ihr Vater Sie da langsam herangeführt? Wussten Sie, seit Sie sechs Jahre alt sind, was auf Sie zukam?

Bernadotte: Nein. Das haben meine Eltern sehr gut gemacht: Sie haben uns zwar immer mitgenommen und uns gezeigt, was sie machen. Aber sie haben uns nicht in etwas gedrängt. Wenn man weiss, dass man etwas einmal wird machen müssen, dann verschwindet ja oft der Spaß daran. Für mich hat sich eher zufällig ergeben, dass ich seit dem Jahre 2000 hier mitgeholfen habe: den VIP-Service organisiert, immer mehr Einblicke bekommen, bei den Internetseiten geholfen – so bin ich Schritt für Schritt immer näher an die Organisation herangewachsen. Dann wurde ich irgendwann Kuratoriumsmitglied, und schließlich Präsidentin.

MP: Was war ansonsten Ihr beruflicher Werdegang?

Bernadotte: Ich komme gar nicht aus den Naturwissenschaften, sondern habe Betriebswirtschaft studiert und mich dabei auf touristische Unternehmungen spezialisiert.

MP: …direkt im Hinblick auf die Mainau?

Bernadotte: Nicht speziell wegen der Mainau, sondern allgemein aus Interesse an dem Betätigungsfeld Tourismus – mit all seinen Möglichkeiten zur Begegnung mit anderen Menschen. Das war meine Blickrichtung! Dass ich jetzt Geschäftsführerin auf der Mainau bin, hat sich eher zufällig ergeben. Wir sind fünf Geschwister, und eigentlich war vorgesehen, dass mein Bruder [Björn Bernadotte] die Geschäftsführung übernimmt. Er wollte aber zur betriebswirtschaftlichen Ausbildung zunächst noch ein Studium der Sozialpädagogik machen und so galten seine Interessen dann vor allem dem Non-Profit-Bereich – er wurde Geschäftsführer der Lennart-Bernadotte-Stiftung. Dass ich bei der Mainau einstieg, kam erst zu einem Zeitpunkt, wo ich bereits fertig ausgebildet und gerade auf dem Sprung war, eine andere Stelle anzunehmen. Nach zwei Jahren Projektarbeit auf der Mainau habe ich mich dann entschieden, ja zu sagen zu dem Angebot. 

MP: Und der Aufstieg ins Kuratorium war dann vergleichsweise automatisch?

Bernadotte: Nein. Das Kuratorium ist zwar ein Non-Profit-Betrieb, aber funktioniert natürlich dann besonders gut, wenn Kompetenz der maßgebende Faktor ist.  Sicher spielt hierbei die Tradition der Familie Bernadotte mit ihren schwedischen Wurzeln eine Rolle.  Aber es gibt natürlich unterschiedliche Ausprägungen, wie die Arbeit der Familie im Kuratorium aussehen könnte.

MP: Etwa, wenn der Familienvertreter im Kuratorium dort nur als Aushängeschild säße. Aber das ist bei Ihnen ja gerade nicht der Fall.

Bernadotte: Nein, das ist bei mir tatsächlich nicht so. Ich bin eine aktive Präsidentin des Kuratoriums, die sich vor allem auch in die strategische Planung einbringt.

MP: Und das Interesse an der Wissenschaft hat sich seit den Wasserglasexperimenten gehalten?

Bernadotte: Sehr! Es fasziniert mich sehr, die Vorträge zu hören, zumal die Preisträger ja in sehr interessanten Gebieten unterwegs sind. Was mich auch immer fasziniert ist, wie die Laureaten das didaktisch machen. Wir haben heute ja z.B. von Herrn Shechtman einen ganz tollen Vortrag gehört. Da spielt es dann auch keine Rolle, ob Sie Chemiker sind oder nicht. Solch ein Vortrag begeistert einen auf jeden Fall!

MP: Gibt es ein Erlebnis aus Ihren gesammelten Lindauer Tagungen, von dem Sie sagen würden: das war ein Highlight, das war etwas ganz besonderes?

Bernadotte: Wie lange haben Sie Zeit? [lacht] Etwas, was sich wie ein roter Faden durch meine Erfahrung mit den Lindauer Tagungen zieht ist, wie sich die Nobelpreisträger und die jungen Wissenschaftler begegnen und sich in Diskussionen stürzen, aus denen man sie dann fast gar nicht mehr herausbekommt! Das ist es, was mich immer wieder fasziniert. Ich erinnere mich da insbesondere an ein Erlebnis aus der Zeit, wo ich noch im VIP-Service der Tagung gearbeitet habe. Unter anderem mussten wir die Preisträger nach den Studentendiskussionen abholen um sie ins Hotel oder zu weiteren Veranstaltungen zu bringen. Ich sollte einen Preisträger abholen, kam in den betreffenden Raum und da war niemand mehr. Da habe ich mich natürlich gefragt: Sind die etwa schon fertig?

Dann habe ich mich weiter umgeguckt, und da sehe ich die fünfzig Meter im Biergarten sitzen, in ganz engagierten Diskussionen zwischen dem Preisträger und den jungen Teilnehmern. Da habe ich dann gedacht: Ja, genau, so soll es sein!

MP: Dann wünsche ich noch viel Spaß beim Rest der Tagung, und sage vielen Dank für die spontane Bereitschaft zu diesem Gespräch!

Markus Pössel