Veröffentlicht 3. Juli 2015 von Susanne Dambeck
Die Mainauer Deklaration 2015 zum Klimawandel
„Mit dieser Deklaration wollen wir zeigen, wie groß die Bedrohungen durch den Klimawandel bereits sind, sowie Lösungswege aufzeigen“, erklärt Brian P. Schmidt, Sprecher der Nobelpreisträger, welche die Mainauer Deklaration 2015 zum Klimawandel heute auf der Insel Mainau unterzeichnet haben. Als Wissenschaftler sehe er „eine moralische Verpflichtung, sich bei einem Problem mit so weitreichenden Folgen zu Wort zu melden“. Schmidt traf sich am Donnerstag mit vier weiteren Unterzeichnern, es war der vorletzte Tag des 65. Lindauer Nobelpreisträgertreffens. Folgende fünf Nobelpreisträger diskutierten vor Journalisten diese globale Bedrohung und Aufgabe: Steven Chu, ehemaliger US-Energieminister unter Präsident Obama, George Smoot, David Gross, Peter Doherty und natürlich Brian Schmidt, ein australisch-amerikanischer Astrophysiker.
In der Deklaration heißt es zum Thema Klimawandel: „Wenn wir dem nicht entgegensteuern, wird die Erde schließlich nicht mehr in der Lage sein, den Bedürfnissen der Menschheit gerecht zu werden und unsere ständig zunehmende Nachfrage nach Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Und dies wird zu einer umfassenden menschlichen Tragödie führen.“ David Gross berichtete in diesem Zusammenhang von seiner Reise nach Ladakh im Himalaja: „Diese Länder, die alle von den großen Flüssen Asiens leben, die im Himalaja entspringen, sind sehr anfällig für Wasserknappheit aufgrund schmelzender Gletscher. Und solche Regionen leiden zuerst.“ Gross führt weiter aus, dass es durchaus möglich sei, dass künftig um Trinkwasser Kriege geführt werden, und zwar in vielen Gegenden der Welt. Peter Doherty zitiert seinerseits aus dem jüngsten Bericht der Lancet Kommission: „Diese Forscher sagen einen möglichen Zusammenbruch der Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert aufgrund des Klimawandels voraus. Und wie immer sind es die Ärmsten, die am meisten darunter leiden werden.“
Alle Nobelpreisträger sind sich an diesem Morgen einig, dass die Beweise für einen Klimawandel durch Treibhausgase erdrückend sind. „Bei den einzelnen Wirkmechanismen gibt es vielleicht noch Unklarheiten im Detail“, meint Steven Chu. „Das ist mit den 1950er Jahren vergleichbar, als kein Mensch vorhersagen konnte, welche Konsequenzen das Rauchen hat – aber die Lungenkrebsrate stieg so rapide, dass die Politik handeln musste.“ Heute kann man das statistische Krebsrisiko aufgrund des jeweiligen Zigarettenkonsums recht genau vorhersagen. „Aber wollen wir wirklich fünfzig Jahre warten, um dann genau zu wissen, was der Klimawandel mit uns macht?“ – wohl eher eine rhetorische Frage. Chu ergänzt: „Sie warten auch nicht ab, bis ihr Haus in Flammen steht, damit sie endlich eine Feuerversicherung abschließen.“ Peter Doherty verweist auf die Diskussionen über das HI -Virus in den 1980er Jahren, als einige Forscher den Zusammenhang zwischen Virus und AIDS-Erkrankungen anzweifelten. Doch als der Lebenszyklus des Virus vollständig analysiert war und mithilfe von Medikamenten unterbrochen werden konnte, verstummten die meisten Kritiker.
Doherty definiert nun den Unterschied zwischen Skeptizismus und Leugnen: „Ein Skeptiker spricht mit anderen Forschern, er schaut sich die Daten an. Aber wenn jemand ein Leugner ist, dann lehnt er einfach alles ab, was zu diesem Thema veröffentlicht wird.“ Steven Chu ergänzt, dass heutzutage die besten Daten zum Klimawandel von Satellitenaufnahmen stammten. Und diese zeigten eindeutig das weltweite Schmelzen der Gletscher, von Grönland und der Arktis, über die Alpen und den Himalaja bis hin zu Teilen der Antarktis. „Aber es gibt sogar im US-Kongress Leute, die sich weigern, Satellitenbilder zu betrachten“, erinnert sich Chu an seine Zeit in der Politik. „Das nenne ich eine Verleugnung von Tatsachen.“
Die unterzeichnenden Nobelpreisträger sind sich einig, dass „die Welt rasche Fortschritte bei der Senkung aktueller und zukünftiger Treibhausgasemissionen erzielen (muss), um die wesentlichen Risiken des Klimawandels zu minimieren“, so die aktuelle Deklaration. Die so angesprochenen Politiker treffen sich ab dem 30. November in Paris auf der nächsten UN-Klimakonferenz. „Für eine Kehrtwende brauchen wir ein halbes Jahrhundert“, erklärt Chu. Zwar wird die Technik, die man für erneuerbare Energiequellen benötigt, immer preiswerter, aber solche Entwicklungen bräuchten einfach ihre Zeit. „Eines Tages wird diese Technik im Wettbewerb mit Gas und Öl problemlos bestehen können.“
George Smoot ergänzt: „Für diesen Trend muss sich auch eine Infrastruktur bilden. Aber am Ende haben wir nicht nur eine verbesserte Infrastruktur, sondern auch eine Menge neuer Jobs.“ Doherty führt an, dass Politiker nur handeln würden, wenn die Wähler sie dazu drängten, denn „nichts sei ihnen wichtiger als Wählerstimmen“. Also müssten die Wissenschaftler in erster Linie die Wähler überzeugen. Schmidt widerspricht teilweise: Zwar sei es richtig, dass man die Wähler über das Thema Klimawandel informieren müsse, aber viele Politiker verstünden durchaus, dass sie eine große Verantwortung tragen – „es geht ihnen nicht nur um Wählerstimmen“.
Insgesamt sind die Laureaten verhalten optimistisch, zum Beispiel, wenn sie die gemeinsame Erklärung der USA und China zum Thema Klimawandel ins Feld führen. „Diese Erklärung zeigt, dass sich die Kluft zwischen entwickelten und Schwellenländern bei diesem Thema überbrücken lässt“, erläutert Smoot. Diese Kluft war eines der Hauptprobleme der vergangenen UN-Klimakonferenzen in Kopenhagen und Rio de Janeiro. Die Nobelpreisträger hoffen, dass die Menschheit der Herausforderung des Klimawandels mit einer Mischung aus gezielter Politik und technischer Entwicklung begegnen kann. Doherty hierzu: „Wir werden dieses Problem auf der politischen Ebene und durch technische Innovationen lösen – letztere bringen auch unsere Wirtschaft nach vorne.“ Zum Abschluss meint Chu: „Ich bin sowohl in technischer als auch in politischer Hinsicht ein Optimist. Die Menschheit ist durchaus in der Lage, eine Lösung zu finden, allerdings ist es ein Rennen gegen die Zeit.“ Denn eine Kehrtwende wird immer dringender, und je mehr Zeit verstreicht, um so höher werden ihre Kosten.