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Veröffentlicht 11. Mai 2017 von Melissae Fellet

Nach dem March for Science: Wie geht es weiter?

Im vergangenen Monat sind in mindestens 600 Städten weltweit Wissenschaftler auf die Straße gegangen, um für die Forschung und eine evidenzbasierten Politikgestaltung einzutreten. US-Präsident Trump hat den Klimawandel wiederholt als „Hoax” bezeichnet und den Nutzen von Impfungen in Frage gestellt. Und nach 100 Tagen im Amt hat die Trump-Administration noch immer keinen offiziellen Wissenschaftsberater benannt.

Auch wenn die Demonstrationen für die Wissenschaft durch aktuelle politische Entwicklungen ausgelöst wurden, so blieben sie doch größtenteils unparteiisch, was den Organisatoren wichtig war. Die Teilnehmer skandierten für Peer-Reviews und trugen Plakate mit Slogans wie „Less Invasions, More Equations”, „At the start of every disaster movie, there’s a scientist being ignored.“ oder „Wissenschaft ist keine Meinung“. Die teils humorvollen Sprüche zeigten Wirkung: An diesem Tag stand die Wissenschaft weltweit im Rampenlicht.

 

In mehr als 600 Städten weltweit, wie hier in München, gingen Tausende für die Wissenschaft auf die Straße. Credit: Lindau Nobel Laureate Meetings
Der March for Science in München am 22. April 2017. Photo: By Lindau Nobel Laureate Meetings

Für viele Wissenschaftler haben sich aus der Frage, ob man sich an der Aktion beteiligen soll oder nicht, anregende Gespräche darüber entwickelt, wie man für die Wissenschaft eintreten kann. Denn Wissenschaftler vermeiden grundsätzlich politische Meinungsäußerungen. Aber im derzeitigen politischen Klima hält so mancher die Bedrohungen für die wissenschaftliche Forschung für zu beängstigend, um weiter zu schweigen.

Staatliche Eingriffe bedrohen die Existenz und die freie Meinungsäußerung akademischer Wissenschaftler in Ungarn und in der Türkei. Und seit dem Verschwinden von Tierdaten im US-Landwirtschaftsministerium gibt es Befürchtungen, dass auch andere Bundesdaten in den USA verloren gehen könnten. Für Wissenschaftler, die sich fragen, wie man vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Verhältnisse für die Wissenschaft eintreten und sich engagieren kann, gibt es keine einfachen Antworten. Aber vielleicht liefert die Geschichte ja solche Handlungsimpulse.

Vor einem Jahrzehnt hat die Harper-Administration Wissenschaftlern im Dienste der kanadischen Regierung verboten, sich in den Medien frei zu äußern. Historische Daten wurden im wahrsten Sinne des Wortes weggeworfen und Umweltforschungseinrichtungen geschlossen. Im Vorfeld der Vorbereitungen der Trump-Administration auf die Regierungsübernahme in den USA haben kanadische Wissenschaftler ihren nordamerikanischen Nachbarn geholfen, ähnliche Situationen zu vermeiden. So haben sie ihre Kollegen bei der Sicherung von Daten unterstützt und sie ermutigt, sich gegen Einschüchterungsversuche zu widersetzen und ihre Stimme gegen jede politische Zensur zu erheben. Damit wollen sie insbesondere Kollegen helfen, die in staatlichen Einrichtungen tätigen sind und weniger Möglichkeiten haben, ihre Meinung zu äußern.

Andere Wissenschaftler reagieren auf die aktuelle Situation, indem sie politisch aktiver werden. So hat etwa Michael Eisen, Genetiker der University of California, Berkeley, Anfang dieses Jahres seinen Wahlkampf um einen Sitz im US-Senat mit dem Plan eröffnet, als erster Evolutionsbiologe in dieser Kammer wissenschaftliches Denken in politische Entscheidungsprozesse einbringen zu wollen.

 

Eines der Poster des March for Science in San Fransisco, Kalifornien am 22. April 2017. Credit: Tom Hilton/Flickr (CC BY 2.0)
Eines der Poster des March for Science in San Fransisco, Kalifornien am 22. April 2017. Photo: Tom Hilton/Flickr (CC BY 2.0)

Wissenschaftliche Kompetenz verleiht politischen Debatten Autorität. Aber der Einfluss dieser Autorität kann kompliziert werden, sobald Debatten auch von Emotionen und wertbasierten Entscheidungen geprägt sind. Für Wissenschaftler, die die Politik beraten, ist es besonders wichtig, sich über die eigene Rolle im Klaren zu sein. Agieren sie als neutrale Vermittler, die wissenschaftliche Informationen für den Argumentationsaustausch auf beiden Seiten der Debatte liefern? Oder nehmen sie eher die Rolle von Aktivisten ein, die mit wissenschaftlichen Informationen persönliche Wertvorstellungen unterstützen? Keine dieser Möglichkeiten ist per se schlecht – aber es gilt, die Unterschiedlichkeit der Ansätze zu erkennen.

Der Chemiker Linus Pauling – der einzige Mensch, der bisher zwei ungeteilte Nobelpreise erhalten hat – ist ein Beispiel für einen Wissenschaftler, der eindeutig die Rolle eines Aktivisten übernahm. Pauling war während der Atomwaffentests in den 1950er-Jahren einer von vielen bekannten Wissenschaftlern, die mit den Medien, der Öffentlichkeit und der US-Regierung über die Notwendigkeit gesprochen haben, die Waffentests zu beenden. Als Pazifisten vertraten die Mitglieder dieser Gruppe zudem ihre tiefste persönliche Überzeugung, dass alle Kriege beendet werden müssen.

 

Linus Pauling, der einzige Nobelpreisträger, der zwei ungeteilte Nobelpreise erhielt, war in den 1950er und 1960er Jahren auch ein freimütiger politischer Aktivist. Photo: By Nobel Foundation (http://nobelprize.org/), via Wikimedia Commons
Linus Pauling, der einzige Nobelpreisträger, der zwei ungeteilte Nobelpreise erhielt, war auch ein freimütiger politischer Aktivist in den 1950er und 1960er Jahren. Photo: By Nobel Foundation, via Wikimedia Commons

Ende der 1950er-Jahre fokussierte Pauling seine Botschaft auf die umfassenden gesundheitlichen Auswirkungen des Fallouts – der radioaktiven Teilchen, die nach einer Atombombenexplosion in die Atmosphäre freigesetzt werden. Bei einer Fernsehdebatte, die 1958 übertragen wurde, betonte er die potenziellen Gefahren von Atomwaffentests, indem er darauf aufmerksam machte, dass jedes Jahr Tausende von Kindern vom Fallout betroffen sein könnten. Wissenschaftliche Erkenntnisse waren ein wichtiger Bestandteil seiner Argumentation und Pauling lenkte auch dann hartnäckig immer wieder die Aufmerksamkeit auf diese Aspekte, wenn sein Diskussionspartner das Thema wechseln wollte. Aber Pauling machte in seinen Ausführungen ebenso deutlich klar, dass seine pazifistischen Wertvorstellungen für seinen Standpunkt mitverantwortlich sind.

Paulings politisches Engagement mündete schließlich in einem internationalen Abkommen über die Einschränkung und das Verbot von Kernwaffentests. Für seine Arbeit wurde er 1962 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wenn auch Sie weiterhin für die Wissenschaft eintreten wollen, aber nicht im dem Maße politisch aktiv werden wollen wie Pauling, gibt es eine gute Nachricht: Es bieten sich viele Möglichkeiten, sich dennoch zu engagieren.

Ein Toolkit für Lobbyarbeit, das die American Association for the Advancement of Science veröffentlich hat, nennt drei Optionen: die eigenen Wissenschaftserfahrungen teilen, sich mit anderen Wissenschaftlern zusammentun und austauschen und mit Entscheidungsträgern reden. Kommunikation in diesem Zusammenhang kann beispielsweise bedeuten, die Absichten und Auswirkungen der eigenen Forschung zu verdeutlichen, mit Journalisten zu reden oder sich in Schulen vor Ort am naturkundlichen Unterricht beteiligen. Kontakt zu anderen Wissenschaftlern ist auch über soziale Medien und die Mitarbeit in Fachgesellschaften möglich.

Wie auch immer Sie sich engagieren: Finden Sie einen Weg, mit dem Sie sich identifizieren können. Erzählen Sie Freunden über anstehende Wahlen, die sich auf Ihren Forschungsbereich auswirken könnten. Beschäftigen Sie sich mit den Prozessen rund um die Wissenschaftspolitik oder zeigen Sie in Ihrem persönlichen Umfeld als Wissenschaftler Präsenz. Die aktuelle Politik kann wissenschaftliche Forschung erschweren. Aber beim March for Science war auf einem Banner eine gute Devise für den Blick nach vorne zu lesen: “Denke wie ein Proton: Bleib immer positiv.”

Melissae Fellet

Melissae Fellet, PhD and Lindau Alumna 2009, is a freelance science writer based in Missoula, MT. She completed her doctoral work at Washington University in St. Louis, and writes regularly about chemistry, materials science, and engineering. Her work has been published in New Scientist, Chemical & Engineering News, and Chemistry World.